MM: Sehr geehrter Manfred Nurudin Himmler,
eine immer wieder gerne gestellte Frage ist: Wie war Ihr Weg zum Islam?
So oft diese Frage auch gestellt wird, so unterschiedlich sind die Wege,
so dass sich die Leser immer wieder gerne von den verschiedenen Wege
lernen.
Manfred Nurudin Himmler: Diese
Frage ist mir in der Tat schon oft begegnet und ich habe mir angewöhnt,
sie kurz und bündig zu beantworten, nachdem ich früher mehrmals - etwa
bei einem Fernsehinterview darüber - sehr ausschweifend wurde.
Ich bin weder religiös noch autoritär erzogen
worden, was mich in meinen Jugendjahren zwar einerseits orientierungslos
aber andererseits auch relativ unvoreingenommen sein ließ. So konnte ich
meinen Gedanken freien Lauf lassen; ich liebte das Philosophieren sowohl
über Wichtiges als auch über Belanglosigkeiten. Leider verirrt man sich
auf diesem Weg auch sehr leicht und ich gelangte mehr als einmal in
Sackgassen, in oberflächliche Kreise, in selbstzerstörerische Praktiken.
Immer wieder über Gott und den Sinn des Lebens nachzudenken und mein
eigenes Leben auf den Prüfstand zu stellen, erwies sich letztendlich als
mein Rettungsanker. Als ich nämlich im 12. Jahrgang meine heutige Frau
kennen lernte, verfügte ich bereits über die Einsicht, das meinem Leben
etwas Entscheidendes fehlte.
MM: ... und der Islam sollte das
ergänzen?
Manfred Nurudin Himmler: Anfänglich nahm
ich an, dass sich Teile des Islam in mein Weltbild einfügen ließen, es
einfach ergänzen könnten, doch je mehr ich gelesen und gelernt habe,
wurde mir klar, dass der Islam ein bereits vollständiges Konstrukt ist,
dem ich mich und meine Weltanschauung unterordnen muss – das Gute
behaltend, das Schlechte verwerfend. Insgesamt war es die Schönheit des
Islam und aller seiner Einzelteile – des Gebets, des Qur'an, der
Vorstellung eines einfachen Lebens und die zur Moral erziehenden
Grundsätze sowie natürlich das klare, ungetrübte Gottesbild, welches
keiner menschlichen Erklärungen bedarf, was mir die Entscheidung leicht
machte, vor etwa 10 Jahren den Islam anzunehmen.
MM: Wie hat Ihre Familie, wie hat Ihr
Umfeld auf diese Änderung in Ihrem Leben reagiert?
Manfred Nurudin Himmler: Wie ich bereits
erwähnte, waren meine Eltern nicht autoritär; so gesehen durfte ich tun,
was ich will, solange ich damit zufrieden bin und niemandem sonst
schade. Gelegentliche Intoleranzanklagen oder Bekundungen des
Unverständnisses darüber, dass ihr Sohn sich vom Säkularismus abwendet,
blieben natürlich nicht aus.
MM: Und was ist mit den damaligen
Freunden?
Manfred Nurudin Himmler: Dass ich meinen
damaligen Freundeskreis verlor, stimmt mich heute noch manchmal traurig.
Aber meines und deren Leben wurden unvereinbar und die Freundschaft
schlich sich aus. Zwar hat Gott mir guten Ersatz an Freunden beschert,
dennoch wünsche ich den einen oder anderen meiner alten Freunde
irgendwann im Islam wieder zu finden.
MM: Warum schreiben Sie Gedichte? Ist
das nicht "altmodisch"?
Manfred Nurudin Himmler: Ich schreibe
Gedichte seit etwa meinem 16. Lebensjahr, weil ich sie für einen schönen
Weg des Gedanken- und Gefühlsausdruckes halte; Gedichte können aufgrund
ihrer ästhetischen Ausrichtung eine Brücke schlagen zwischen dem
Schreiber und dem Leser; damit will ich sagen, dass abgesehen vom
eigentlichen Inhalt, können Gedichte einen Weg ins Herz dessen finden,
der sie liest, in Umgehung vorhandener intellektueller Schranken. Das
macht sie auch gefährlich, ähnlich wie andere rhetorische Mittel – um so
mehr ist der Schreiber verpflichtet, bei der Wahrheit zu bleiben.
In der Tat bevorzuge ich einen eher als
altmodisch empfundenen Stil der Dichtung, verwende auch keine klug
klingenden Fremdworte. Trotzdem denke ich nicht, dass das Dichten an
sich aus der Mode gekommen ist oder je geraten wird – die Menschen liebe
Poesie, sei es auch nur in Form gaga-istischer Liedtexte.
MM: Woher stammt der Inhalt der
Gedichte?
Manfred Nurudin Himmler: Nachdem ich
früher viele Gedichte mit zweifelhaften Inhalten geschrieben habe, habe
ich vor ungefähr fünf Jahren damit begonnen, islamische Gedichte auf der
Grundlage von Qur'an-Versen und Überlieferungen des Propheten (Ahadith)
zu verfassen, um meiner Schreibleidenschaft quasi in erlaubten Bahnen
nachzugehen.
Außerdem bin ich darauf gestoßen, dass die
schönsten Gedichte über den Islam in deutscher Sprache aus den Federn
von Nichtmuslimen wie Rückert, Goethe und Rilke stammen. Und wenn auch
meine Gedichte mit deren nicht mithalten können, so sporne ich
vielleicht die junge Generationen zu diesem Unterfangen an.
MM: Wie sind die Reaktionen der Leser?
Manfred Nurudin Himmler: Mein Buch wurde
noch nicht von Vielen gelesen. Aber der Kommentar einer meiner
kritischsten Bekannten ist mir bis heute im Gedächtnis; er nannte mich,
nachdem er das damals noch lange nicht fertige Manuskript gelesen hatte,
einen „Ritter“, ohne es weiter zu erklären. Ich selbst bin aber mein
größter Kritiker: So wurden in den fünf Jahren der Entstehung des Buches
sämtliche Gedichte wieder gelöscht oder umgeschrieben, und ich bin auch
letztlich wohl nur so schnell mit dem Buch fertig geworden, da meine
Frau es einer Freundin zur Hochzeit schenken wollte.
MM: Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?
Manfred Nurudin Himmler: Dazu ließe sich
viel sagen, aber ich versuche es zusammenzufassen: Ich suche nach einer
besseren Lebensmöglichkeit für mich und meine Familie. All jene, Muslime
und Wahrheitsliebende, die wissen, in welch einem Sumpf aus Sünden wir
gefangen sind, welcher Schmutz uns umgibt und tagtäglich an uns haften
bleibt – von Zins bis Massentiermisshandlung und das gesamte Spektrum
dazwischen – und dass wir alle unseren Anteil am Unrecht dieser Zeit
beitragen (sei es direkt oder indirekt), diese suchen doch irgendwie
nach einem Ausweg, einer Alternative, wie auch immer diese aussehen mag.
Ich für meinen Teil stelle mich mir gerne, gemeinsam mit Frau und
Kindern sowie befreundeten Familien auf dem Land vor, ohne (viel) Strom
und fließendes Wasser, sich von der eigenen Hände Arbeit versorgend. Nur
leider liegen zwischen diesem Leben und dem vorgestellten noch ein
langer Weg.
MM: Bruder Manfred Nurudin Himmler, wir
danken für das Gespräch.
Manfred Nurudin Himmler: Ich danke für
die Einladung dazu und außerdem für die tägliche Informationsarbeit der
Redaktion des Muslimmarkt. Ma'a Salama.
Links zum Thema
|