MM: Sehr
geehrter Hudschat-ul-Islam wal Muslimin Türkyilmaz, bitte erzählen Sie
unsren Lesern etwas über die Ausbildung von islamischen Geistlichen an
der Theologischen Hochschule in Qum (Iran), was sind dort neben den
islamischen Grundlagen die wesentlichen Lehrinhalte bezogen auf die
heutige Zeit? Türkyilmaz: Um die
Frage differenzierter zu betrachten, möchte ich die Antwort aufteilen in
die Zeit vor und nach der Islamischen Revolution. Die Aufgaben einer
Theologischen Hochschule (Hauza) bestehen seit ihrer Gründung ganz
allgemein darin, die Bedürfnisse nach islamischer Rechtleitung in
erfassbare Regeln umzusetzen und die damit zusammenhängen Forschung und
Lehre zu gewährleisten. Dabei muss die Hochschule eine Bandbreite an
Ausbildung leisten, die vom einfachen Leiter einer Moschee bis hin zum
Vorbild der Nachahmung (Mardscha-u-taqlid) reicht, also von einer
Grundausbildung bis hin zu den höchsten Stufen der islamischen Lehre,
welche auch die schwierigsten Fragen der Zeit und Gesellschaft
beantworten kann. In diesem Rahmen werden die Lehren des Islam des
Heiligen Qur'an, des Vorbildes des Propheten (Sunna), den
Vorbildcharakter der Ahl-ul-Bait sowie vergleichbare Aspekte geschützt,
erforscht und gelehrt, sowohl in ihren Auswirkungen auf das individuelle
Leben als auch auf die Gesellschaft.
Vor der Islamischen Revolution wurde größerer
Wert auf den Aspekt des individuellen Lebens gelegt und die hieran
gekoppelten Fragestellungen ausführlich behandelt, wie beispielsweise
Gottesdienst, Moral, Auslegung des Heiligen Qur'an, Überlieferungen,
Geschichte usw.. Nach der Islamischen Revolution wurden den
Fragestellungen der Gemeinschaft, den gesellschaftlichen Belangen eine
ebenfalls große Bedeutung beigemessen, denn die entsprechenden
Fragestellungen standen auf der Tagesordnung und suchten nach Antworten.
Daher ist es sicherlich angebracht darauf hinzuweisen, dass die
Islamische Revolution im Iran auch eine Revolution in der selbständigen
Rechtsfindung (idschtihad) von geeigneten Gelehrten und im islamischen
Rechtswesen zur Folge hatte. Da meine Lehre an der Theologischen
Hochschule nach der Islamischen Revolution erfolgte, haben
meinesgleichen neben den traditionellen Lehren auch Unterrichtseinheiten
wie Wirtschaftswesen, Politikwissenschaften (darunter Staatswesen und
Staatsführung, internationale Beziehungen), Sozialwissenschaften und
darunter Soziologie, Psychologie sowie den umfangreichen Bereich der
Juristik studiert. Derzeit werden zahlreiche dieser Fächer noch weiter
unterteilt und in Bereiche der allgemeinen Lehre und der tiefer gehenden
Lehre für die selbständige Rechtfindung (idschtihad) entwickelt. In
breichen wie der politischen Rechtssprechung, der Jura, Exegese bzw.
Auslegungslehre, Überlieferungswissenschaften, Geschichte und einigen
anderen Bereichen ist es inzwischen auch möglich zu promovieren und
einen universitätskompatiblen Doktorgrad zu erlangen.
MM: Nach Ihrem Studium sind sie in die
Türkei gegangen und haben den derzeit bekanntesten türkischen Verlag mit
Ahl-ul-Bait Literatur mit aufgebaut. Was führte dazu, dass Sie nach
Deutschland gekommen sind?
Türkyilmaz:
Wie Sie wissen, hat jede Region ihre eigenen Bedingungen und
Bedürfnisse. Die Bedürfnisse der Muslime in der Türkei sind mit denen
der Muslime in Deutschland nicht identisch. Sie haben unterschiedliche
Kulturen und daher auch unterschiedliche Bedürfnisse. In der Türkei gibt
es genug Gelehrte und Moscheen, die den Muslimen dort für religiöse,
moralische, kulturelle und gesellschaftliche Fragen zur Verfügung
stehen.
In Europa jedoch war dieser Bedarf an Gelehrten noch vorhanden. Dass
ich davor schon in Deutschland gelebt habe und die Sprache und die
Kultur Deutschlands einigermaßen kannte, war für einige Schiiten in
Berlin ein Grund dafür, mich nach Deutschland einzuladen. Ich empfand es
als eine religiöse Pflicht, die Einladung anzunehmen, da in
Deutschland der Bedarf an islamischen Gelehrten bestand. Somit beschloss ich
nach Deutschland zu kommen.
MM: In Deutschland haben Sie sowohl die
Zeit vor als auch nach dem 11. September 2001 als aktiver und
praktizierenden Muslim miterlebt. Was hat sich seither geändert?
Türkyilmaz:
Erlauben Sie mir zuvor entschieden darauf
hinzuweisen, dass ich, als jemand, der einer islamischen Rechtschule angehört, die die meisten Schäden des Terrors hinnehmen
musste und die meisten Opfer gebracht hat, jede Art von Terror entschieden ablehne. Terrorismus hat keine
Religion und es gibt keine gerechtfertigte Grundlage dafür.
Die Ereignisse des 11. Septembers 2001 haben
eine Reihe von sinnvollen aber auch negativen Erscheinungen mit sich
gebracht. Vor dem 11. September lebten viele Muslime innerhalb in sich
geschlossener Gesellschaften, die sich nur mit sich selbst
beschäftigten. Als die sie umgebende Gesellschaft sich ihnen zuwandte,
waren sie zumeist nicht in der Lage, den Islam vernünftig bzw.
hinreichend zu vertreten. Der notwendige Dialog zwischen Muslimen in
einer nichtmuslimischen Gesellschaft und der Religion der
Mehrheitsgesellschaft entsprach nicht dem notwendigen Bedürfnissen und
hatte nicht das notwendige Niveau. So hatten die westlichen
Gesellschaften wenig Gelegenheit eine Nähe zum Islam und zu Muslimen
aufzubauen. Enge Beziehungen waren eher selten.
Der 11. September kann als Wendepunkt
bezeichnet werden. Die Tatsache, dass die westlichen Medien Muslime als
Verantwortliche für jene Ereignisse beschuldigten, führte dazu, dass
jeder Muslim als potentieller Terrorist und der Islam als eine Religion
des Terrors betrachtet und diese Betrachtungsweise verbreitet wurde. Von
nun an betrachteten Nichtmuslime die Muslime zumeist vorurteilsbehaftet.
Die Vorgehensweise der Medien und das Verhalten der Politiker brachten
die Muslime in eine äußerst schwierige Lage. Muslime wurden dazu
gedrängt nachzuweisen, dass sie keine Terroristen sind und gleichzeitig
mussten sie sich für die freie Religionsausübung einsetzen, die nicht
mehr selbstverständlich war, um ihr Religionsleben praktizieren zu
können. Das aber stieß auf teil unüberwindliche Hindernisse, denn die
Muslime verfügen weder über die Mediengewalt noch über andere
hinreichende Methoden, um die Menschen zu erreichen. Daher entstand hier
eine neue sehr bedeutsame Aufgabe für die Muslime. Muslime stehen vor der
Verpflichtung, die religiösen gesellschaftlichen Gebote der
Mehrheitsgesellschaft vorzustellen und deutlich zu machen, dass der
Islam die Religion der Gerechtigkeit ist. Wir müssen aufzeigen, dass der
Islam die weltumspannenden und von allen mitgetragenen Werte wie
Frieden, Geschwisterlichkeit, Nächstenliebe und Gerechtigkeit vertritt.
Und diese Information über den Islam muss nicht nur die
Mehrheitsgesellschaft erreichen, sondern auch die dritte und vierte
Generation der eingewanderten Muslime, die zumeist besser deutsch
sprechen. So hat der 11. September zwar die großen Defizite innerhalb
der muslimischen Gemeinden offen gelegt aber gleichzeitig die
wundervolle Gelegenheit geschaffen, diese Defizite zu korrigieren und
das wahre Gesicht des Islam vorzustellen. Es bestand die großartige
Gelegenheit und auch Notwendigkeit, darzustellen, dass der Islam eben
nicht eine Religion des Terrors ist. Gleichzeitig erhielten die
westlichen Gesellschaften eine vorher nicht dagewesene Gelegenheit, sich
mit dem Islam zu beschäftigen und den wahren Islam - trotz widriger
Umstände bei der Informationsbeschaffung - kennen zu lernen. Während die
anfänglichen Umstände nach dem 11. September dazu geneigt waren, die
westlichen Gesellschaften vom Islam zu entfernen, ist inzwischen das
Gegenteil eingetreten und immer mehr Menschen, beschäftigen sich in sehr
konstruktiver Weise mit dem Islam in einem Maß, wie wie es vorher nicht
beobachten konnten.
MM: Viele deutsche Mitbürger, die aber
immer noch wenig
Ahnung vom Islam haben, denken dass Dinge wie Zwangsheirat und so
genannte Ehrenmorde mit dem Islam zu tun hätten. Werden Sie darauf
angesprochen, und was antworten Sie?
Türkyilmaz:
Leider sind jene Themen nicht allein auf die Ahnungslosigkeit der
nichtmuslimischen deutschen Bevölkerung anzulasten. Auch viele Muslime
haben diesbezüglich noch Informationsdefizite.
Was die Zwangsverheiratung angeht ist darauf
hinzuweisen, dass sie mit dem Islam nicht vereinbar ist. Im Islam ist
die Eheschließung die Grundlage zur Gründung eines geheiligsten Hauses
einer geheiligten Familie. Die Ehe ist eine der bedeutsamsten Faktoren
für eine Gesellschaftsordnung. Gesunde Eheschließungen und Familien sind
die Grundlage einer gesunden Gesellschaft. Die Ehe selbst ist auf
Freundschaft und Liebe aufgebaut, sie wird also dann umgesetzt, wenn es
Anziehungskraft und Liebe zwischen Mann und Frau gibt. Falls es zwischen
beiden keine Freundschaft, Anziehungskraft und Seelenverbindung gibt,
wäre solch eine Ehe nicht die Ehe, die der Islam anstrebt. Selbst wenn
jene Aspekte nur von einer Seite existieren würden, nicht aber von der
anderen Seite erwidert werden würden, könnte sich keine gesunde und
richtige Ehe entwickeln, da der größte Wert Liebe nicht beidseitig
entstehen kann. Daher ist die Zwangsverheiratung aus Sicht des Islam
nicht akzeptabel und zudem ohnehin ohne mittelfristigen Bestand. Die
Zwangsverheiratung ist eine kulturelle Missentwicklung und hat mit dem
Islam nichts zu tun!
MM: ... und wie ist es mit den so
genannte Ehrenmorden?
Türkyilmaz: Was die sogenannten
Ehrenmorde angeht, so lässt sich zusammengefasst Folgendes feststellen:
Die Würde des Menschen ist eine der bedeutsamsten Angelegenheiten des
Islam sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft. Aber die
Entwürdigung bzw. Ehrverletzung ist eine Fragestellung der Gesellschaft,
für die auch nur das Gemeinwesen, also der Staat, die Verantwortung
trägt und das alleinige Sanktionsrecht hat. Es gibt keinerlei
individuelles Recht, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen! Sollte die
islamische Vorstellung diesbezüglich im Widerspruch zu der
gesellschaftlichen Konsensregelung stehen, so ändert das nichts an der
Tatsache, dass es kein individuelles oder persönliches Recht zur
Selbstjustiz gibt. Das ist ein sehr entscheidender Aspekt. Wenn es
unterschiedliche Vorstellungen bezüglich Ehre und Würde und deren
Verteidigung zwischen dem Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung
gibt, hat sich das Individuum der gesellschaftlichen Ordnung
unterzuordnen und sein persönliches Recht Allah zu überlassen. Daher hat
niemand das Recht, seine Vorstellung von Recht selbst umzusetzen. Selbst
wenn das islamische Recht diesbezüglich von der allgemein gültigen
Regelung abweichen sollte hat niemand das Recht von sich aus tätig zu
werden! Auch in einem islamischen System wäre die Fragestellung eine
Angelegenheit des Islamischen Staates, bei der niemand jegliches Recht
zur Selbstjustiz hat. Es wäre eine Angelegenheit der Gerichtsbarkeit,
nicht des Individuums. Ein Ehrenmord hat daher im Islam keinerlei
Rechtfertigung! Auch in einem islamischen System wäre der sogenannte
Ehrenmord ein Verbrechen und daher strafwürdig!
Die sogenannten Ehrenmorde haben ihre Ursache
im geringen Bildungsstand und der Ignoranz, die in manchen von Muslimen
geprägten Kulturen leider immer noch vorherrscht. Hierbei ist auch zu
beachten, dass zuweilen auch andere Motive für Mord mit einer
angeblichen Ehre missbräuchlich begründet werden. Zusammenfassend ist
festzustellen, dass weder die Zwangsverheiratung noch die so genannten
Ehrenmorde mit dem Islam gerechtfertigt werden können.
MM: Zweifelsohne ist das Verhältnis von
Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland in den letzten Jahren
vergiftet worden. Was können praktizierende Muslime dazu beitragen, dass
eine "Entgiftung" stattfindet?
Türkyilmaz:
Wie ich es bereits zuvor festgestellt habe, tragen
Muslime diesbezüglich eine sehr große Verantwortung. Muslime sind
verpflichtet den Islam aus den sichersten Quellen in der geeignetesten
Weise vorzustellen und auch vorzuleben. Anders werden sei keinen
hinreichenden Beitrag zu der "Entgiftung" beitragen können. Daher möchte
ich diesbezüglich einige Aspekte auflisten:
1. Der Islam muss von Aspekten des
Bildungsstandstandes, nationalen Eigenheiten und die regionalen
Kulturaspekten befreit werden. Viele Muslime haben den Islam in einer
Mischung mit der eigenen Kultur, dem Brauch, den ortsüblichen Regeln und
Bedürfnissen vermischt gelernt. Daher müssen wir den reinen Islam von
diesen verfälschenden Aspekten befreien. Das wahre islamische
Verständnis ist befreit von eigenen kulturellen Prägungen.
2. Deutsche Muslime und Muslime, die hier zur Welt
gekommen sind - insbesondere die dritte Generation - sind von einer
westlichen Kultur geprägt. Daher ist es nötig, ein Verständnis
aufzubauen, um dieser kulturellen Prägung die Farbe des Islam zu geben, da der Islam eine universelle Religion ist. Der Islam steht über
Zeit und Region, und daher ist es bedeutsam den universellen Aspekt des
Islam in der Vordergrund zu stellen.
3. In der Beziehung von Muslimen und
Nichtmuslimen müssen die Fragestellungen offen gelegt werden, die zu
einer Vergiftung der zwischenmenschlichen Atmosphäre führen um darauf
aufbauend auch die islamische Lösung für das Problem zu erkennen und
vorzustellen.
4. Der Muslime muss neben der Lehre des Islam,
des Heiligen Qur'an, der Verfahrensweise des Propheten (Sunna) und der
Ahl-ul-Bait und weiteren entsprechenden Quellen seinen Verstand nutzen
und diese Lehre in einer transparenten Art und Weise vorstellen.
5. Selbstverständlich müssen Muslime alles in
ihrer Hand liegende tun, um einer vergifteten Beziehung entgegen zu
wirken. Aber auch die Gegenseite muss ihre Verpflichtungen erfüllen und
die "Entgiftung" der Beziehung zumindest anstreben.
6. Es ist stets zu beachten, dass in
Deutschland diejenigen, die eine Vergiftung der Beziehungen zwischen
Muslimen und Nichtmuslimen anstreben, ihre Bemühungen stets weiterführen
werden. Sie werden ihre Bemühungen diesbezüglich sogar intensivieren. Es
ist wichtig auch darauf zu achten.
MM: In Ihrem Vorlesungen legen Sie einen
großen Wert auf die Erwartungshoffnung bezüglich des Erlösers. Warum
glauben Sie, dass dieser Aspekt heutzutage eine so große Rolle spielt
und gibt es hier Parallelen zwischen dem Christentum und dem Islam?
Türkyilmaz: Die Erwartungshoffnung ist
Basis der Statthalterschaft des Imam Mahdi - möge er bald erscheinen -
und damit Grundlage des Glaubens an den Erlöser Mahdi. Die Zeitepoche
ist ganzheitlich zu betrachten. Die Zeitspanne von Anbeginn der Zeit bis
zur Vollendung des Schöpfungsziels stellt eine Einheit dar. Nie gab es
einen Leerraum zwischen den Propheten, die allesamt gekommen sind, um
dem Menschen das Ziel des Lebens mitzuteilen, zu lehren und vorzuleben.
Die Kettenglieder der Prophetenschule wurden vervollständigt und die
Propheten haben das Voranschreiten zur Vollendung des Ziels
sichergestellt. Dieses Sicherstellung ist die Denkschule der
Statthalterschaft und des Imamat. Das erste Kettenglied dieser
Denkschule ist die Schule von Ghadir Chum, als der Prophet (s.) vor
Zehntausenden von Muslimen seinen Nachfolger Imam Ali (a.)
unmissverständlich vorgestellt hat. Die Denkschule des Mahditums ist das
System, welches den Erfolg dieser eingeschlagenen Zielsetzung
vervollständigen und vollenden wird. Die Erwartungshoffnung ist das
konstruktive Warten darauf, dass das Ziel der Schöpfung auch Erden
vollendet wird. Zweifelsohne hat Allah, Der erhabene, einen Plan zur
Vollendung des Schöpfungsziels, denn ohne solch ein Projekt wäre die
Schöpfung sinnlos. Daher legen wir in unserer Epoche großen Wert auf die
Lehre der Erwartungshoffnung, zumal die Notwendigkeit eines solchen
Glaubenselements offensichtlich ist. Wenn
es um die Frage der Parallelen diesbezüglich zum Christentum geht, so
ist festzustellen, dass es nicht nur Parallelen zum Christentum gibt,
sondern zu allen Religionen und Denkschulen, die sich ein unfassendes
Bild von der Zukunft des Daseins gemacht haben. Denn schließlich stellen
sich alle Denkschulen die Frage nach der Zukunft des Daseins, wie die
Zukunft aussehen wird und wer die Zukunft gestalten wird. Die
Denkschulen mit göttlichem Ursprung weisen allesamt darauf hin, dass die
Zukunft der Erde durch eine Person gestaltet wird, die Gerechtigkeit auf
Erden etablieren und somit befreien wird. Jene Person kann mit
unterschiedlichen Vorstellungen behaftet sein und unterschiedliche Namen
tragen, aber allen ist die Erwartungshoffnung gemeinsam. Ich glaube dass
insbesondere die Parallelen diesbezüglich zwischen dem Islam und den
Christentum in einem breiteren Rahmen ausgearbeitet und betrachtet
werden sollten. Das wird sicherlich aus dann geschehen, wenn sich
Muslime selbst auch mit dem Mahditum intensiver beschäftigen.
MM: Wie könnte ein Einstieg zu einer
Diskussion über die konstruktive Gestaltung der Zukunft aussehen?
Türkyilmaz: Über die Zukunft der Erde
hat jede Ideologie ihre eigene Ansicht; Begriffe wie Endzeit,
Eschatologie, Futurismus usw. und Thesen über die Endzeit und die
Zukunft der Welt deuten daraufhin, dass die verschiedenen Ideologien
darüber einig sind, dass die Zukunft der Welt sich von ihrer jetzigen
Lage und der Vergangenheit unterscheiden wird. Jede Religion und
Ideologie, ob göttlichen Ursprungs oder von Menschenhand entstanden,
teilen die Meinung, dass die jetzige Lage der Welt nicht
zufriedenstellend ist und Änderungen bedarf. Jede Ideologie entwickelt
hierfür eigene Pläne und Programme. Sie sind bemüht die Welt der Zukunft
zu gestalten und ihre eigene Ideologie zu etablieren. Um die Welt der
Zukunft zu gestalten, muss man über die Hilfsmittel verfügen, die dafür
notwendig sind. Was für eine Welt ist überhaupt gewünscht? Wie soll die
Welt der Zukunft aussehen?
Folgende Fragen und Bedürfnisse müssen die
Ideologien beantworten und abdecken können. Wirtschaft, Soziales, Recht,
Sicherheit, Gleichberechtigung, Verhalten gegenüber anderen
Glaubensrichtungen usw.. Alle Bereiche des individuellen und des
kollektiven Miteinander müssen abgedeckt werden. Verfügen wir über die
Lehren und Ideen um all diese Bereiche abdecken und befriedigen zu
können? Um diese Fragen gerecht zu beantworten sind folgende Aspekte zu
berücksichtigen: Das Ziel muss heilig sein; die ideologische Basis muss
vorhanden sein; Gesetze, die absolut vollkommen sind für die Welt der
Zukunft müssen vorhanden sein; ein gerechtes System muss entwickelt
werden, welches die Gesetze ausführt. Dafür ist ein Oberhaupt notwendig,
der gerecht und gelehrt und in der Lage ist, das System zu leiten. Die
Strategie, um das System zu etablieren, muss wahrhaftig und gerecht
sein. Die Menschen müssen es selber wünschen und daran glauben, es darf
nicht per Gewalt aufgezwungen werden.
Es ist offensichtlich, dass menschliche
Ideologien nicht über diese Möglichkeiten verfügen. In einigen der
göttlichen Religionen wird dies als eine Theorie oder gar nur eine
Phantasie empfunden. Bei anderen ist es nur als eine Theorie und These
aber fern von Praxis und der Lebensgestaltung. Im einigen islamischen
Rechtsschulen ist dies nur als eine leere Hoffnung in Vergessenheit
geraten. Die schiitische Rechtsschule hingegen hat über die Zukunft der
Welt einen entschlossenen Glauben, einen Plan und die stärkste These.
Das Mahditum im Islam ist die einzige Ideologie und das einzige System,
welches alle oben aufgeführten Fragen beantworten kann.
MM:
Welche Projekte haben Sie für die nahe Zukunft geplant?
Türkyilmaz:
Unsere zukünftigen Projekte können in folgenden Leitlinien
zusammengefasst werden. Es ist von großer Bedeutung die Fragestellungen
der Gesellschaft, in der wir uns befinden, anzugehen und Antworten zu
erarbeiten und zu vermitteln, insbesondere für die Jungend. Die
Faszination und Weisheiten des Islam wollen wir versuchen auf einem Weg
der Vernunft und in wissenschaftlich angebrachter Art in der Sprache der
Zeit der Gesellschaft zu erläutern, in der wir leben. In diesem
Zusammenhang legen wir großen Wert auf die Behandlung des Mahditums aus
den Blickwinkeln einer göttlichen und ganzheitlichen Sichtweise, sowie
die Quellenforschung dazu im Heiligen Qur'an und deren Vermittlung in
Lehrveranstaltungen und Seminaren. Dafür wird es ein erster Schritt
sein, die ideologische und glaubensmäßige Basis zum Thema Mahdi
aufzubauen, zu verfeinern und darzulegen. MM:
Hudschat-ul-Islam wal Muslimin Türkyilmaz, wir danken für das Interview.
Türkyilmaz:
Möge Allah Ihren Aktivitäten Erfolg bescheren und ihren Einsatz auf dem
Weg der Wahrheit lohnen.
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