Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Kurt Nickel
 

Muslim-Markt interviewt
Kurt Nickel, Autor des Romans "Terror"

5.1.2010

Kurt Nickel (Jahrgang 1954) ist nach dem frühen Ableben seines Vaters bei der Mutter groß geworden und musste aus ärmlichen Verhältnissen stammend in jungen Jahren eine Ausbildung zum Installateur absolvieren. Es folgte die Bundeswehr als Zeitsoldat und eine Ausbildung zur Luftbildauswertung. Erst danach konnte er sich in die Bereiche seiner Wünsche konzentrieren. Es folgten Examen für Psychiatrie und Neurologie und über ein Jahrzehnt Arbeit in der Neurologie. Im Anschluss absolvierte er das Staatsexamen für Heilpädagogik. Seither arbeitet er als Heilpädagoge im Behindertenbereich und ist mit der Förderung behinderter Menschen sowie der Betreuung psychisch kranker Menschen beschäftigt. Aus diesen Bereichen hat er bereits zwei Bücher veröffentlicht: "Schizophren" und "Der Fluch einer Behinderung". Er ist zudem beschäftigt im Landschaftsverband Rheinland und arbeitet als Auditor im Bereich Gesundheits- und Heilfürsorge. Inzwischen bereitet er sich in Teilzeit auf seinen Ruhestand vor. Sein Leben ist zudem geprägt von einer zwischenzeitlich schweren Krankheit, bei der ihn die Ärzte bereits abgeschrieben hatten und er durch das Gebet und Gespräch mit Gott in dem er sich für die Jahre seines Lebens bedankt hatte und die gleichzeitige Bitte ihm Kraft zu geben zur Genesung gefunden hat.

Sein neustes Buch ist ein Roman und heißt "Terror" und befasst sich mit den Ursachen für den internationalen Terrorismus.

Kurt Nickel ist in zweiter Ehe verheiratet, hat aus erster Ehe zwei Kinder (33 J. & 26 J.) und lebt in Goch.

MM: Was war Ihre Motivation zum Schreiben ausgerechnet eines Romans zum Thema "Terrorismus"?

Nickel: Ich stellte mir schon immer die Frage, was treibt Menschen dazu, derartig grausame Taten auszuüben. Taten, die so unfassbar sind, dass das Begreifen der Ausübung schwer fällt. Der heutige Terrorismus ist ja nicht eine neue Erfindung.

  • Es gibt Menschen, die einzig ihre Macht ausüben wollen und denen jedes Mittel Recht ist, über andere Gruppen zu herrschen.
  • Es gibt Menschen oder Gruppen, die ihre Weltanschauung, sei es christliche oder rassistischer Natur, Anderen aufzwingen wollen.
  • Die neuerliche Form des Terrorismus könnte meiner Ansicht nach ein Spiegel ohnmächtiger Hilflosigkeit sein. Menschen wehren sich gegen etwas. Aber wogegen…?

Wurde in der Antike mit dem Schwert (das Römische Reich, die Hunnen), später dann mit Kanonen terrorisier (z.B. Hitler), so ist es heute meine Ansicht nach die demokratische Form, mit der die Welt erobert werden soll. Hier zählt es nicht, dass ich selbst die Demokratie für die Momentan beste Form einer pluralistischen Gesellschaft halte und sie zu meiner Kultur am Besten passt, sondern dass die Vorgänge als "Segen und Wohlstand" für andere Kulturen verpackt wird. Hier sollen in erster Linie zum Eigennutz Völker zwangsdemokratisiert werden, wobei sich dann einer ihrer Machthaber als Werkzeug benutzen lässt, um für sich selbst einzig Vorteile zu erzielen. Karsai in Afghanistan ist hierfür das klassische Bespiel. Ich denke, noch nicht mal die Amerikaner sind so naiv zu glauben, dass dort jemals eine Demokratie im westlichen Sinn entstehen wird.
Lasst doch die Völker einfach so leben, wie sie wollen, auch wenn ihre kulturellen Verhaltensweisen und Gesetze für uns suspekt wirken! Wenn Jene die Demokratie in unserem Sinn wünschen, dann werden sie sich schon melden. Es mag sein, dass es Kulturen gibt, zu denen eine andere Form des Zusammenlebens besser passt. Bietet ihnen Hilfe an, und lasst sie über sich selbst bestimmen. Auch wenn dann im Handel mit ihnen weniger Profit abfallen sollte. Denn das ist meiner Ansicht nach der Kern des Problems: Habgier und das Streben nach Wohlstand um jeden Preis! Wir kaufen billige Nahrung und Kleidung und wissen genau, dass Andernorts hierfür Menschen ausgebeutet werden! Heuchlerisch wird denen dann demokratische Hilfe angeboten in der Hoffnung, dass deren Regime für eigene Interessen genutzt werden können!

MM: Heißt das, sie billigen Terrorismus als Gegenwehr?

Nickel: Ich billige den Terrorismus und die grausamen Methoden in keiner Weise. Jene unmenschlichen Gräueltaten sind für mich ein Zeichen von Kontrollverlust, der den Ausführenden zu denken geben sollte. Es ist für mich undenkbar, wie sich Menschen noch gut fühlen können, wenn sie derart Böses tun! Aber man sollte sich fragen, warum es den Terrorismus eigentlich gibt. Und das war praktisch der Auslöser dafür, warum ich das Buch „Terror“ geschrieben habe. Ich wollte mit meinen Schilderungen darstellen, dass kein Mensch als Terrorist geboren ist, sondern ihn die Umstände dazu getrieben haben. Und die Hauptschuld dafür trägt die Politik und die Habgier der westlichen Welt. Dass sich daran etwas ändern könnte, dafür ist für mich Barack Obama ein wirklicher Hoffnungsträger. Ich hoffe sehr, dass er den Dialog zu seinen Gegnern sucht. Noch nie ist ein Krieg auf der Welt gewonnen worden, sondern immer nur Schlachten. Und auch der Terrorismus wird nicht zu besiegen sein, genauso wenig, wie der Terror siegen wird. Im Grunde wissen das beide Seiten und darum wird es Zeit, dass man miteinander redet. Das ist der einzige Weg!

MM: Aber unter einem Jahr Obama sind mehr Kriege geführt worden als unter Bush, mehr US-Soldaten eingesetzt worden, mehr Waffen versendet worden und Guantanamo steht auch noch. Wird es nicht an der Zeit zu erkennen, dass das Problem nicht an Einzelpersonen hängt sondern Systembedingt ist?

Nickel: Ich bin überzeugt davon, dass das Herz Obamas es ehrlich meint, jedenfalls relativ ehrlich. Er hatte eine riesengroße Last übernommen und sich sicherlich selbst überschätzt. Er stößt an Grenzen und auf interne Widerstände, die er in diesem Umfang wohl nicht erwartet hatte. Aber er hat jedoch eindeutig gezeigt, dass er Willens ist und den Dialog sucht. Ein Zeichen des guten Willens der Gegenseite wäre jetzt sicherlich nicht schlecht. Es wäre schade und für Obamas interne Gegner geradezu Wasser auf die Mühlen, wenn nun von den Seiten des Gegenübers das Gefühl entsteht, dass Diese den Frieden und das Gespräch gar nicht wollen. Ein Mühsam begonnener Prozess wäre zu Ende, bevor er überhaupt begonnen hatte. Die neuerliche Attacke des missglückten Terroranschlages in den USA ist jedenfalls das falsche Signal! Es liegt sicherlich nicht an den grundverschiedenen Systemen der Seiten sondern an der gegenseitigen Achtung und dem respektvollen Umgang der unterschiedlichen Systeme, deren Akzeptanz und Toleranz sowie der Einsicht, den Anderen weder ändern noch besiegen zu können.

MM: Dazu wäre zwar noch Einiges zu entgegnen, aber kommen wir zu Ihrem Buch. Was können Sie uns über den Inhalt des Bucher verraten, ohne die Spannung des Lesers zu mindern?

Nickel: Ein gehasster Mensch wird am Ende geliebt. Ein Terrorist opfert sein Leben, um ein Mädchen jüdischer Abstammung zu retten. Er stirbt in ihrem Schoß und ihn umspült dabei Glück. Die Botschaft dieses Buches sollte sein: Liebe ist stärker als Hass und gewinnt am Ende immer!

MM: Haben Sie selbst denn keine Angst vor einem "Islamistischen Terroristen" in Ihrer Gegend?

Nickel: In der Region, in der ich mit meiner Familie lebe, ist eigentlich weniger vom Terror betroffen. Ich habe eher etwas Sorge, dass ich für meine offenen und ehrlichen Worte, die einzig von Liebe und Frieden zeugen, von verblendeten Fanatikern attackiert werden könnte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich durch meinen Kontakt und den Dialog mit der muslimischen Kultur den Bundesverfassungsschutz auf mich aufmerksam gemacht habe. Ich will ja nichts unterstellen, aber Jener, der sich in diesem Bereich "tummelt", der könnte in dem Bereich "Generalverdacht" eingeordnet werden. Vielleicht geschieht es ja schon, dass ich im Übereifer unter dem "demokratischen Aspekt" abgehört und überwacht werde.
Eher Sorge bereitet mir die Verwahrlosung der Menschheit. Wenn man die Evolutionstheorie nach Charles Darwin zugrunde legt, wo sich alles in der Natur durchsetzt und vermehrt, was zweckmäßig ist und dem Überleben dient, und ich dann gleichzeitig an die Verkommenheit von Gierbankern, Politikern, die nur an Eigennutz denken, ermisst, dann wird mir Angst und Bange. Wenn sich diese Spezies des Bösen in der Entwicklung durchsetzt, dann gute Nacht! Doch mein Glaube daran, dass das Gute letztendlich siegt, beruhigt mich ungemein.

MM: Vor diesem Buch haben Sie sich mehr auf das Thema "Behinderung" konzentriert. Wie geht Ihrer Meinung nach die Gesellschaft mit Behinderten um?

Nickel: In allen Bereichen des Lebens gibt es starke und schwache sowie gesunde und kranke Individuen. Im Gegensatz zum Tier- und Pflanzenreich hat uns Menschen der Schöpfer mit Fähigkeiten ausgestattet, die uns von den Anderen abheben. Warum Er das getan hat, darüber lässt sich spekulieren. Doch dass Er es getan hat, muss seinen Sinn haben. Auch die Möglichkeit, geistige Werte zuzuordnen und damit umzugehen muss seine Bedeutung haben. Ob in der Naturwissenschaft oder in der Physik oder sonst wo gibt es nichts, was nicht irgendwo her kommt und einen Ursprung hat. Insofern hat der Mensch auch die Fähigkeit, sich um Schwache und Kranke zu kümmern.
Ich bin mir sicher, jeder Schwache und Kranke ist nicht gern schwach und krank. Und anstatt dankbar für die Gnade des normalen Daseins zu sein, weicht die Gesellschaft oftmals behinderten und psychisch kranken Menschen aus, nur weil sie etwas anders aussehen oder sich anders verhalten, als der "Normale". Ich habe unter geistig Behinderten viele nette Menschen kennengelernt. Dies war jedoch nur deshalb möglich, weil ich mich für sie öffnete. Meine Vision ist es, das schwach, psychisch krank oder Behindertsein von der Gesellschaft als Normalität akzeptiert wird. Dass uns der Schöpfer diese Möglichkeit gegeben hat ist etwas, was die Menschen dazu nutzen sollten, sich weiter zu entfalten.

MM: Kann es sein, dass eine gewisse Dosis Unwissenheit verantwortlich für Ängste der Gesellschaft in so unterschiedlichen Bereichen wie Behinderung oder Terrorismus ist, obwohl beide Themen nichts miteinander zu tun haben?

Nickel: Unwissenheit führt immer dazu, dass der Mensch scheu ist und ausweicht. Fremdes ist immer mit Angst verbunden. Angst, Ungewohntes könnte einem Nachteile bringen, einen ratlos machen oder einem Mehrarbeit aufladen. Dabei ist es doch so einfach, diese Unwissenheit in Wissen und Information umzugestalten. Man braucht sich nur zu öffnen.
Es gibt eine Vielfalt von religiösen Richtungen, die alle ihre eigenen Methoden und Rituale entwickelt haben, Gott zu würdigen. Anstatt sich zu bekriegen und die eigenen Lehren als die einzig Wahren zu halten, sollte man sich besser achten und voneinander profitieren. Man stelle sich einmal vor: Der Eskimo möchte dem Eingeborenen im Dschungel plötzlich seine Kultur, Denkweise und Methoden aufzwingen. Wäre doch echt witzig oder…? Also lasst den Eskimo Eskimo sein und den Eingeborenen das, was er ist und denkt. Die Methoden und Rituale hat nun mal jede Kultur für sich selbst passend gemacht. Was natürlich nicht heißen soll, dass man sich nicht über den Anderen informieren sollte. Macht aus Unwissenheit Wissen über das Andere und akzeptiert es!

MM: Ihre Vorstellung stößt aber dort auf Grenzen, wo Kulturen aufeinander treffen. Und das ist in einer globalisierten Welt fast überall der Fall. Wie sollen denn Kopftuch tragende Muslimas und Nichtmuslims in Deutschland, die Angst vor der Kopftuch tragenden Frau haben, miteinander umgehen?

Nickel: Aus witterungsbedingten Umständen hatte schon meine Mutter ein Kopftuch getragen. Erst das künstlich Hochspielen und gewisse Verbote jenes Tuches haben das Ganze doch erst unnötig ins Gespräch gebracht. Aus Normalität ist plötzlich ein Kleidungsstück geworden, das zur Abgrenzung und zum Aufbau von Vorurteilen und Ängsten geworden ist. Von meiner Tochter weiß ich, dass in der Schule junge Muslimas, die sich einst nabelfrei und mit Bauchpiercings zeigten, nun Kopftücher tragen. Einzig, weil es nun mit Verboten umgeben ist. Und das alles von übereifrigen Politikern, die sich gern ins Gespräch bringen, ausgelöst. Meiner Ansicht nach kann sich jeder Mensch kleiden, wie es ihm gefällt, so lange er dadurch Andere nicht belästigt oder verletzt. Und wenn dadurch Jemand seine Anschauung zeigt, so ist das völlig in Ordnung. Wenn ein Mensch so einem Kopftuch etwas Derartiges andichten möchte, dass es verboten werden sollte, so sollte er seine Denkweise auf den Prüfstand stellen.

MM: Was sind ihre nächsten Projekte?

Nickel: Ich habe bereits zwei weitere Romane vollendet. Ich denke mal, dass sie in absehbarer Zeit erscheinen werden. Eine Vision von mir ist, dass sich einmal ein türkischer Verlag findet, der das Buch "Terror" übersetzt und veröffentlicht, da ich eine freundschaftliche Beziehung zur Türkei empfinde. Meine Frau und ich waren schon oft da und hatten uns nie wohler gefühlt als dort.

MM: Herr Nickel, wir danken für das Interview.

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