MM: Sehr geehrter Herr Wagner, was bewegt
einen mehrfach ausgezeichneten Filmemacher dazu, sich mit solch einem in
jeder Hinsicht gefährlichen Thema wie Uranmunition so intensiv zu
beschäftigen?
Wagner: Grundsätzlich ist das Thema
Uranmunition kein gefährliches Thema. Es ist nur seit dem Frühjahr 2001 zu
einem Tabuthema erklärt worden und das europaweit. Auch die Sendung meines,
mit Valentin Thurn realisierten Fernsehfilms "Der Arzt und die verstrahlten
Kinder von Basra", war so gesehen 2004 eher ein "Unfall", denn der Film
wurde nie mehr wiederholt, "verschwand" sozusagen im WDR-Archiv.
Bis zum Januar 2001 berichteten die Medien
intensiv über das so genannte "Golfkriegs-Syndrom" und später über das
"Balkan-Syndrom", als bei den im Kosovo stationierten KFOR-Soldaten z.B.
erste Tote durch hoch aggressive Krebsfälle und Leukämien zu beklagen
waren, wie vorher schon bei Veteranen aus dem ersten Golfkrieg. Da hat
dann das Pentagon und Lord Robertsen der damalige Generalsekretär der
NATO das Thema "Uranmunition" zum Tabuthema erklärt. Es musste raus aus
den Medien, weil der Einsatz von Uranmunition und seine entsetzlichen
Folgen eine der wohl unbequemsten Wahrheiten ist.
MM: Was sind die Kernaussagen des Films "Deadly
Dust -Todesstaub"?
Wagner: Die Kernaussage des Films ist
eine einzige, aber eine furchtbare: Nämlich, dass der Einsatz von
Uranmunition und Uranbomben ein Kriegsverbrechen ist. Uranwaffen
hinterlassen bei ihrem Einsatz ein radioaktiv verseuchtes Gelände und
außerdem ist diese Waffe hoch toxisch. Eine Waffe, die radioaktiv und
hoch giftig ist und noch lange Zeit nach ihrem Einsatz die Umwelt
verseucht und für die dort lebenden Menschen höchst gefährlich, ja
tödlich sein kann, ist nach Haager und Genfer Konvention verboten und
ein Kriegsverbrechen - das brauchen wir nicht zu diskutieren! Und der
Hauptprotagonist meines Films, der Arzt und Wissenschaftler Professor
Dr. Siegwart-Horst Günther hat diese Schweinerei der Alliierten schon
1991 entdeckt und angeklagt, auch das erzählt der Film.
MM: Prof. Günther begleitete ihren Film wissenschaftlich
und musste dafür sogar ins Gefängnis. Was war geschehen?
Wagner: Ja, das ist richtig Prof. Günther
musste einmal sogar ins Gefängnis, aber nicht deshalb, weil er die Ächtung
dieser Waffe gefordert hat, sondern weil er, um zu beweisen, dass diese
Geschosse abgereichertes Uran enthalten, ein solches 300 Gramm Geschoss in
die Bundesrepublik eingeführt hat. Er hat es an drei Berliner Universitäten
untersuchen lassen und als sich dann herausgestellt hat, dass es tatsächlich
abgereichertes Uran ist und dieses eben radioaktiv und hochgiftig ist, hat
ihn ein Berliner Gericht 1992 wegen "Freisetzung ionisierender Strahlung" zu
3000 DM Geldstrafe verurteilt. Weil ja die Alliierten im Irak 1991 etwa 320
Tonnen davon eingesetzt hatten und dafür nicht bestraft wurden, wollte er
auch nicht zahlen. Darum kam er dann fünf Wochen ins Gefängnis. Ist das
nicht absurd? Ein Arzt und Wissenschaftler wundert sich 1991, dass im Irak
Kinder an hoch aggressiven Leukämien sterben, nachdem sie mit solchen
Geschossen gespielt haben. Er bringt ein solches Geschoß in die BRD, ein
Geschoss, das nach Haager und Genfer Konvention gar nicht radioaktiv und
hochgiftig sein darf. Er lässt es untersuchen, ein deutsches Gericht lässt
es auch untersuchen und verurteilt den Wissenschaftler letztlich zu fünf
Wochen Gefängnis. Aber die Alliierten behaupteten drei Jahre weiter, bis
1995, dass diese Geschosse gar kein Uran enthalten!
MM: Haben auch Sie Ärger bekommen?
Wagner: Nun, bis heute musste ich in kein
Gefängnis. Verblüffend war für mich allerdings die Tatsache, dass nachdem im
WDR die Dokumentation "Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra"
gesendet wurde und der Film im Herbst 2004 den Europäischen Fernsehpreis
bekommen hat, ich trotzdem nie mehr in einer öffentlich-rechtlichen
Fernsehanstalt einen Film oder einen Bericht unterbringen konnte. Kann ich
das beweisen - Nein. Ist es so passiert - Ja. Allerdings habe ich dann
irgendwann danach einen Redakteur im WDR gefragt, der mir immer sehr gewogen
war, ob da ein Zusammenhang bestehen könnte und er hat nach langem Schweigen
geantwortet: Also Frieder, einer muss Dir das ja mal sagen, Du hast im Haus
inzwischen den Ruf schwierig zu sein und auch Deine Themen gelten als
schwierig! Ein Spiegel-Redakteur hat mir dazu gesagt: Wie das in
Fernsehanstalten ist, weiß ich nicht, aber wenn Sie ein solches Thema heute
an irgend eine große Tageszeitung schicken, dann werden Sie das trotz ihrer
großen Fachkenntnisse nicht los bekommen, denn "Uranmunition und die Folgen"
ist heute ein Tabuthema, eine zu unbequeme Wahrheit.
MM: Wie gestalteten sich die
Dreharbeiten Vorort, z.B. im Irak, wie wurden Sie von der Bevölkerung
aufgenommen?
Wagner: Die Bevölkerung im Irak hat uns
überall sehr freundlich aufgenommen. Obwohl die Leute oft sehr arm sind,
haben sie uns überall einen Tee angeboten und sind immer sehr interessiert
auf unsere Fragen eingegangen. Überhaupt muss ich sagen, dass die Menschen
im Irak grundsätzlich sehr aufgeklärt waren und wohl auch noch immer sind,
was die Gefahren der Uranmunition betrifft, im Vergleich zu unseren Bürgern
hier. Angst hatten wir eher immer bei Kontrollen an amerikanischen
Check-Points. Die Soldaten da waren sehr jung und unerfahren, man sah auch,
dass sie sehr nervös waren und dass sie die Kontrollen immer mit
entsicherten Waffen durchführten. Das hat uns wiederum sehr nervös gemacht.
MM: Radioaktivität ist eine Gefahr, für
die der Mensch ja keine Sinnesorgane hat. Haben Sie nie selbst Angst um
Ihre Gesundheit gehabt, wenn der Geigerzähler einmal mehr anfing
schneller zu ticken?
Wagner: Wir hatten das Problem, dass die
Alliierten nicht erfahren durften, was wir wirklich im Irak machten. Also
konnten wir nie Schutzanzüge oder Schutzmasken tragen. Andererseits wussten
wir, was uns erwartet: Ein Land in dem die Alliierten hemmungslos Uranbomben
eingesetzt haben. Wir wussten auch, dass uns keine Versicherung der Welt
versichern würde, da wir in ein Kriegs- und Krisengebiet eingereist waren.
Heute kann ich sagen, wir waren in jedem Fall zu blauäugig, obwohl wir nicht
erwarten konnten, dass so viele Regionen im Irak quasi nicht mehr bewohnbar
sind. Das ist heute eine Tatsache und die irakischen Wissenschaftler wissen
das, dürfen solche Fakten aber nicht laut sagen. Wir haben auf einem
Schlachtfeld bei Abu Kassib in der Nähe von Basra an abgeschossenen
irakischen Panzern an den Einschusslöchern radioaktive Werte gemessen, die
lagen bei dem 30.000-fachen der normalen radioaktiven Umweltstrahlung. Darum
ist zu befürchten dass renommierte Wissenschaftler wie Rosalie Bertell, Asaf
Durakovic, Lennard Dietz und Siegwart-Horst Günther recht haben, wenn sie
sagen, dass in den nächsten 15-20 Jahren allein im Irak 5-7 Millionen
Menschen an aggressiven Krebserkrankungen und Leukämien sterben werden. Das
wäre ein neuer Holocaust.
MM: Als Filmemacher müssen Sie möglicht
unvoreingenommen und "neutral" an eine Thematik herangehen. Was
empfinden Sie aber heute angesichts der Ergebnisse Ihrer Recherchen für
die "Befreiung", welche die USA den Irakern angeblich bescheren wollen?
Wagner: Ich schäme mich für unsere
alliierten Freunde. Denn seit George W. Bush Anfang Mai 2003 den Sieg über
den Irak verkündet hat, indem er dem Irak angeblich Freiheit und Demokratie
gebracht hat, sind in diesem Irak bis heute 1 Million unschuldige Menschen
getötet worden, besonders auch Frauen und Kinder, die meisten durch
amerikanische Soldaten. 1,2 Millionen Iraker sind verwundet und 5 Millionen
auf der Flucht. Sieht so Freiheit und Demokratie aus? In den letzten 200
Jahren hat niemals ein muslimisches Land ein so genanntes westliches Land
angegriffen. Es waren immer europäisch westliche Länder oder die USA, die
muslimische Länder angegriffen und besetzt haben. Aber der Terror eines
Krieges führt immer zu einem Krieg des Terrors. Auf Unterdrückung, Krieg und
Bomben, verstümmelten, missgebildeten und getöteten Kindern lässt sich kein
Frieden und keine Demokratie aufbauen - nicht im Irak, nicht in Afghanistan
und auch nicht in Gaza - nirgendwo. Denn gerade im Zeitalter der
Massenvernichtungswaffen von Atom- und Uranbomben und vor dem Hintergrund
des internationalen Terrorismus und den ständig neu provozierten Krisen,
bekommt John F. Kennedys warnender Satz: "Die Menschheit muss dem Krieg ein
Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende", geradezu
prophetische Bedeutung. Und noch eins: In der Urteilsbegründung des
Nürnberger Kriegsverbrechertribunal heißt es: "Die Entfesselung eines
Angriffskrieges ist das größte internationale Kriegsverbrechen, das sich von
anderen Kriegsverbrechen dadurch unterscheidet, dass es in sich alle
Schrecken dieser Verbrechen vereint." Der Angriffskrieg gegen den Irak war
ein solches Kriegsverbrechen und die Anwendung von Uranwaffen war und ist
ein Kriegsverbrechen. Dafür gehören der ehemalige Präsident George W. Bush
und der britische Premierminister Tony Blair eigentlich vor ein
Kriegsverbrecher Tribunal.
MM: Es ist davon auszugehen, dass auch
einige deutsche Politiker Ihren Film gesehen haben dürften. Wie erklären Sie
sich, dass die führenden Köpfe in der Westlichen Welt entgegen der von Ihnen
dokumentierten unbestreitbaren Erkenntnisse, dennoch so "duldsam" mit dem
Thema umgehen?
Wagner: Ich glaube das ist eine Art
Vasallentreue unserer Politiker gegenüber dem großen Bruder USA. Und es
ist für mich beschämend zu sehen wie kritiklos wir unserem Freund, den
USA heute gegenüberstehen. Denn gerade einem Freund sollten wir sagen
können, wenn er Fehler macht. Und der völkerrechtswidrige Krieg gegen
den Irak, der zudem auch noch aufgrund von Lügen begonnen wurde, war ein
schwerer Fehler. Wer darum 2003 für einen Krieg gegen den Irak gestimmt
hat, der stimmte nicht nur für einen völkerrechtswidrigen Krieg, er war
damit auch wissentlich und willentlich für das Kriegsverbrechen der
Uranmunition. Hochrangige Persönlichkeiten und Politiker, wie z. B.
unsere heutige Kanzlerin Angela Merkel und unser Verteidigungsminister
Josef Jung, die heute in der Regierungsverantwortung stehen, haben sich
in Deutschland 2003 für diesen Golfkrieg ausgesprochen. Sie können sich
nun nicht darauf zurückziehen, von der zwangsläufigen Verwendung von
Uranmunition und den Folgen in einer heutigen kriegerischen
Auseinandersetzung nichts gewusst zu haben. Sie werden sich alle für die
Folgen eines Tages verantworten müssen. So wie es der amerikanische
Wissenschaftler John W. Gofman, der an der Entwicklung der
Hiroshimabombe mitgearbeitet hat und der auch Arzt war, schon 1979 –
nachdem er die verheerende Problematik der niedrigen Alpha-Strahlung
erkannt hatte, in einem Offenen Brief gefordert hat. Er schrieb: "Ich
denke, dass mindestens 100 Wissenschaftler, die sich mit den
biomedizinischen Aspekten der Niedrigstrahlung beschäftigt haben - mich,
Gofman, eingeschlossen - Kandidaten für ein Nürnberg ähnliches Gericht
sind, da sie mit ihrer großen Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit
Verbrechen gegen die Menschheit begangen haben. Denn jetzt, wo die
Gefahren niedriger Alpha-Strahlung bekannt sind, ist dies nicht mehr nur
ein Experiment, das wir gemacht haben, sondern Mord."
MM: So sehr wir Ihre Offenheit
respektieren und Ihre Zivilcourage würdigen, ist es angesichts solcher
Aussagen nicht verständlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender
nicht mehr jemanden zu Wort kommen lassen wollen, der die höchste
Politikerriege vor ein Kriegsverbrechertribunal schicken will? Was
bedeutete das für Ihre berufliche Zukunft? Wagner:
Ich kann ja gar nicht jemanden vor ein Kriegsverbrechertribunal
schicken. Aber ich stehe mit meiner Meinung auch nicht allein. Viele
Menschen, auch Prominente wie Jürgen Todenhöfer (CDU und 18 Jahre
Bundestagsabgeordneter für diese Partei) fordern ganz offen in
Talkshows, dass Bush und Blair vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt
werden sollten. Und der CSU Abgeordnete Willy Wimmer, um noch einen
Abgeordneten zu nennen, denkt ganz ähnlich - von der Partei Die LINKE
ganz zu schweigen. Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender, und die
Privaten natürlich auch, so etwas nicht fordern, dann ist das deren
Problem. Aber die Bestimmungen der Vereinten Nationen, Genfer- und
Haager Konvention und die Nürnberger Dekrete definieren ja ganz klar was
Kriegsverbrechen sind - und Angriffskriege sind völkerrechtswidrige
Verbrechen und die Anwendung von Uranwaffen auch. Die
öffentlich-rechtlichen Sender haben außerdem einen rechtlich
einwandfreien Auftrag zu erfüllen: nämlich über solche Verbrechen zu
informieren. Wenn sie das nicht tun, womöglich aus Angst in eine
antiamerikanische Ecke gedrängt zu werden, dann ist das deren Problem.
Ich kann nur sagen: Antiamerikanisch oder unamerikanisch hat sich gerade
George W. Bush seit dem 11. September 2001 öfters verhalten, weil er
seitdem wiederholt die ausgezeichnete demokratische amerikanische
Verfassung mit Füssen getreten hat. Über meine berufliche Zukunft mache
ich mir letztlich keine Gedanken. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang
einzig, dass ich morgens beim Rasieren ohne schlechtes Gewissen weiter
in den Spiegel schauen kann.
MM: Viele gutherzige Menschen in jedem
Volk der Erde, wären entsetzt, wüssten Sie auch nur einen Bruchteil
dessen, was wir letztendlich alle mit zu verantworten haben. Welche
Möglichkeiten sehen Sie außerhalb der die Verbreitung verhindernden
Medien dennoch derartige Informationen in Wort und vor allem auch Bild
zu verbreiten? Wagner: Nun wir
haben ja inzwischen das Internet und es wird gerade bei jungen Menschen
immer mehr an Bedeutung gewinnen. Ich finde es hat sich weltweit zu
einem Medium entwickelt, dass mehr und mehr das Fernsehen in den
Hintergrund drängen wird. Und da findet man inzwischen die News, die man
zum Beispiel bei den öffentlich rechtlichen Sendern und bei den Privaten
leider nicht mehr findet. Ich war gerade in Leipzig, da hat ein junger
Filmemacher zu einem "Geopolitik-Treffen" eingeladen. Und ich muss
sagen, es hat mich überhaupt nicht überrascht, dass da bei
hochsommerlichen Temperaturen zu einer Veranstaltung, die um 11 Uhr 30
begann und bis 21 Uhr gedauert hat fast 600 Menschen gekommen sind -
junge Menschen vor allen Dingen. Die haben sich den neuen Film
"Kriegsversprechen" von Frank Höfer angesehen und sich dann auch noch
die Referate von sechs Publizisten und Journalisten angehört und das
Ganze wurde aufgezeichnet und wird dann demnächst bei "NUOVISO" auf
deren Internetseite zu sehen sein - das ist die Zukunft und eine
hervorragende Sache die etablierten Medien zu umgehen.
MM: Abschließende Frage: Mit welchen
investigativen Projekten können wir in Zukunft von Ihnen rechnen? Wagner:
Haben Sie bitte Verständnis, dass ich darüber nicht sprechen möchte. Es
wird darunter aber ein Buch sein zu meinen Recherchen über die
Uranwaffen und ich habe ihm den Arbeitstitel "Todesstaub - made in USA"
gegeben. MM:
Herr Wagner, wir danken für das Interview |