Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Daniel Neun
 

Muslim-Markt interviewt
Daniel Neun, Betreiber von "Radio Utopie"

14.12.2009

Daniel Neun (Jahrgang 1968) war nach einer durchwachsenen Jugend ehemals Musiker und über Jahrzehnte irgendwo auf Bühnen, in besetzen Häusern und Kommunen unterwegs. Er produzierte Kurzfilme und Musikvideos, machte Theater und Kunst, ein paar CDs und lebte am "Rande der Gesellschaft". 2004 trat er der neu gegründeten Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) in Berlin bei, die sich kurz nach ihrer Gründung dann auf Bundesebene gleich der PDS anschloss, welche wiederum dadurch 2005 als "Linke" in den Bundestag einziehen konnte. 2006 war Daniel Neun Direktkandidat für das Abgeordnetenhaus beim umkämpften eigenständigen Wahlantritt der WASG Berlin gegen die Linke in der Stadtregierung Klaus Wowereits. Im Zuge der politischen Auseinandersetzungen fing er an, als Journalist zu arbeiten und schrieb für diverse Online-Zeitungen. 2007 gründete er dann mit Nichts und einem Laptop die unabhängige Medienstation "Radio Utopie". Er ist Mitorganisator der unabhängigen Medienkonferenz "Blogger Conference Germany" im November 2009 in Berlin.

Daniel Neun ist ledig und lebt in Berlin. (Foto Daniel Neun (rechts) und Dr. Y. Özoguz)

MM: Sehr geehrter Herr Neun, Ihre zunehmend in der Blooger-Szene bekannte Homepage "Radio Utopie" ist weder ein Radio noch Utopie, sondern ein sehr reale Web-Präsenz. Was hat es mit dem Namen auf sich?

Neun: Nun, ein Radio ist es schon, jedenfalls ab 18 Uhr. In der Tat war Radio Utopie zuerst ein Internetradio, was ich im Sommer 2006 gründete, zusammen mit ein paar anderen WASG-lern. Nur wurde das Radio einfach nicht gehört, wie leider immer noch fast jedes andere Internetradio auch. Also musste ich mir was ausdenken. Ende 2006, als ich praktisch nichts mehr hatte, keine Band, keine Partei, keine Perspektive, und überall als Autor aufgehört oder Ärger bekommen hatte, kam mir der Gedanke, Zeitung und Radio zusammenzuwerfen und eine Medienstation aufzumachen. Dass diese ausgerechnet Radio Utopie heißen musste, das hat seine Gründe. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Nämlich dann, wenn ich als Journalist erst die Medienmafia, dann die Parteien-Mafia, dann die Musikindustrie und dann die Schurken aus der Filmindustrie platt gemacht habe und wieder Drehbücher schreiben kann, mit der durchaus berechtigten Einschätzung, dass sie auch ein Sapiens liest und mir hilft diese zu einem Film zu machen.

MM: Als Journalist sind Sie zunächst in einige Fettnäpfchen getreten und haben vor einigen Jahren u.a. einen Strafbefehl wegen Beleidigung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, hinnehmen müssen. Sind Sie heute besonnener?

Neun: Nein. Besonnen zu sein, kann ich mir nicht leisten. Ich bin Zinnsoldat, ein Ritter der Kunst, in einer Schlacht und ich will diese gewinnen. Alles andere ist irrelevant.

MM: Ab Sommer 2008 waren Sie intensiv auch bei Net News Global engagiert, die von einem Anderem aufgebaut wurde, wie kam es dazu, und warum stehen Sie nicht mehr im Impressum?

Neun: Weil ich sie nicht mehr betreibe und endlich vom Hals habe. Irgendwann langte es mir einfach. Ich habe ein Jahr meines Lebens auch in diese Medienplattform investiert, habe sie zu einer unabhängigen Nachrichtenagentur geformt und weiter entwickelt, dann habe ich sie jemandem in die Hand gedrückt, damit er sie jetzt gegen die Wand fahren kann.

In die Hand bekommen habe ich sie von einem der grundehrlichen Menschen, einem der vielen Helden, über die niemand spricht, namens Udo Schreiber. Udo lernte ich kennen, als ich gerade Radio Utopie eröffnet hatte. Net News Global war mir schon bekannt und eine große Hilfe, als ich noch für andere Internetportale schrieb. Als ich Radio Utopie zu einer Medienstation machte, tat ich dies in dem Bewusstsein, Net News Global als die entscheidende Stütze dafür zu haben. In der Tat hätte ich Radio Utopie nie ohne Net News Global in der Art und Weise aufbauen können, wie mir das ohne "Sponsoren" oder sonstige Unterstützung gelungen ist. Als ich Net News Global übergab, hatte es doppelt so viele Besucher wie zu dem Zeitpunkt, als ich die Seite übernahm. Ich habe selbst einer ganzen Reihe von Zeitungen bei dem alles entscheidenden Einstieg in die Informationswelt helfen können. Das war mein Dank, das war meine Rückzahlung, soll sich jetzt der neue Betreiber überlegen, was der seine war und ist.

MM: Nun mal im Ernst: Erst wollen Sie einen Krieg gegen die gesamte Führungselite Deutschlands eröffnen und sie alle "platt machen", dann wollen Sie als Soldat - wenn auch nur aus Zinn - und als Ritter in eine "Schlacht" und über ihren Nachfolger bei Net News Global sind Sie auch nicht besonders erbaut; gibt es eigentlich auch etwas FÜR das Sie sich einsetzen und nicht nur dagegen?

Neun: Nun ja, lassen Sie mich mal überlegen. Genau - das Grundgesetz. Und dann der Völkerfrieden. Ach ja, das wird Ihnen jetzt gefallen.. : die Religionsfreiheit. Hmmm. Wenn ich's mir recht überlege, fällt mir noch folgender, alter Spruch ein: "Das Schönste auf der Welt, ist immer noch die Welt selbst".

MM: Nun betreiben Sie Net News Express (NNE). Und will nicht so ganz einleuchten, warum Sie Net News Global abgegeben haben, um dann Net News Express aufzubauen?

Neun: Mir eigentlich auch nicht. Aber sehen Sie, manchmal handele ich einfach aus dem heraus, mit dem wir alle mal gemacht worden sind: Gefühl. Und bereut hab ich das nie, eher, wenn ich versucht habe, ganz besonders VERNÜNFTIG zu sein. Das war vielleicht immer ein Elend, also ich kann Ihnen sagen. Übrigens: Net News Express macht ein guter Freund von mir, ich arbeite da nur. Naja, eine gute Idee, hi und da ...

MM: Was ist eigentlich mit dem Net News Global Gründer Udo Schreiber geschehen?

Neun: Die meisten Leute glauben, wegen inkompetenten Gerüchtetheoretikern, er sei mittlerweile am Krebs gestorben. Ist er nicht, es geht ihm den Umständen entsprechend gut, ich habe eben gerade mit ihm telefoniert. Er ist immer noch am Nachrichtenlesen und Kopfschütteln, ganz der Alte.

MM: Möge er Gesundheit und Frieden finden. Über Sie wird behauptet, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen nicht unkompliziert ist. Sie erwecken bei Ihren Antworten den Eindruck, als wenn Sie mit kaum jemanden kooperieren. Und alles wirkt so "unruhig". Woran liegt das?

Neun: Lieber Muslim Markt, hochgeschätzte Kollegen, das liegt daran, dass, entgegen Ihrer wohlmeinenden Mutmaßung, den ganzen Tag an mir herumgezupft wird, als sei ich eine Mandoline. Andauernd kommen Leute auf mich zu und wollen dies und das. Und wer mir nicht alles schreibt. Und was sie nicht alles meinen. Da schreiben mir sunnitische Araber lauter üble Sache über kemalistische Türken und sind der Meinung, ja die Schiiten, die seien Schuld, eigentlich an allem, aber vor allem im Libanon. Da schreiben mir Kurden, also eigentlich würden Sie mich sofort zum Bundeskanzler wählen, wenn ich nur nicht so ein Gegner des "bewaffneten Kampfes" wäre. Da sagt mir ein Türke, nun ja, eigentlich hätten sie in der Türkei ja keine Probleme, wenn da nur nicht die Türken kurdischer Abstammung wären, überall - er hat das natürlich etwas weniger freundlich ausgedrückt, Sie verstehen das. Dann kommt hier andauernd in diesem Land einer an und will mit mir über die Schoa diskutieren. Und wenn ich nicht mit ihm über die Schoa diskutieren will, will er mit mir darüber diskutieren, warum ich mit ihm nicht über die Schoa diskutieren will.
Dann habe ich hier bis vor kurzem eine Regierung in Berlin Mitte gehabt, die offenbar nichts wollte, außer endlich das Grundgesetz loszuwerden, weil das für den "zivil-militärischen Ansatz" moderner Zeiten einfach viel zu lasch sei. Das deutsche Militär müsse beim Einsatz im Inneren endlich wettbewerbsfähig mit dem chinesischen sein. Und dann kommt da einer an und sagt, ich sei dies und das und überhaupt, nur weil ich nach Attentaten gerne wissen will, was da passiert ist. Und so weiter, den ganzen Tag lang, jeden Monat, seit Jahren. Und sie fragen, warum bei mir alles so "unruhig" wirkt. Das kann ich Ihnen sagen: Weil ich gern neue Saiten aufziehen würde, und zwar sechs, und dann immer römtömtömtöm, römtömtömtöm, mit dem Kopf vor und zurück, vor und zurück, Rabaukenmusik, wir sprachen darüber am Telefon.
Stattdessen sitze ich hier und muss alle möglichen Leute stürzen. Himmel, wer fragt denn mal wie es MIR geht?

MM: Wie geht es Ihnen?

Neun: Danke der Nachfrage, eigentlich ganz gut, jedenfalls heute. Man sieht das immer gern in Deutschland, wenn sich Regierung, Militär und Geheimdienste ausnahmsweise mal für irgendetwas rechtfertigen müssen. Aber ich persönlich habe immer noch viel vor, wenn dieser Krieg unserer Zeit endlich vorbei ist. Bis dahin habe ich damit zu tun ihn zu beenden und das nimmt mich ganz schön in Anspruch.

MM: Sie engagieren sich auffällig deutlich gegen den Imperialismus, Kapitalismus und verteidigen oft die Islamische Republik Iran in Ihren Schriften. Was bewegt Sie dazu?

Neun: Das kann ich Ihnen sagen. Weil ich, wie 6.8 Milliarden potentielle Gehirnnutzer auch, zu jeder Sekunde meines Lebens nur 20 Kilometer entfernt vom Weltraum bin und mir einbilde, von dort aus betrachtet - also quasi von Potsdam, aber in vertikaler Richtung - ist das alles eine Riesendummheit, was wir Erdlinge hier aufführen. Das könnte doch irgendwie besser laufen. Was ich bis heute zum Beispiel nicht verstehe, ist, wie all diese Milliarden Menschenskinder ihr Leben lang irgendetwas machen, was sie gar nicht wollen, dafür kleine Scheinchen in die Hand bekommen, die andere durch ihr Geldmonopol unbegrenzt erfinden können, und sich dann einbilden, ja, so müsse das halt laufen. So sei nun mal die Welt. Ist mir einfach unbegreiflich.
Und dann kommen wir schon zum nächsten Punkt: Um diesen ganzen Unsinn abzusichern, wird in regelmäßigen Abständen (und ebenso regelmäßig in voller Absicht) mal ein Feldzug veranstaltet, hi und da. Und dann gibt's erstmal ein Riesenmassaker. Vielleicht hetzt man die Einen auch gegen die Anderen auf, die sich für die Einzigen halten. Egal, Hauptsache Massaker. Und natürlich Zerstörung. Und dann raubt man den Menschen wieder ihre Lebenszeit, weil die nur noch froh sind überhaupt noch welche zu haben, drückt ihnen wieder diese Scheinchen in die Hand, damit sie ihr Leben lang machen was sie nicht wollen - aber was ihnen gesagt wird - , alle bauen das auf was sie vorher kaputt gemacht haben - und nun andere für sie besitzen - und der ganze Wahnsinn geht von vorne los, nur schlimmer. Und alle sind froh über diese Scheinchen, mit der auch die siegreiche Armee bezahlt wird. Und die Soldaten dieser und alle anderen Armeen, die machen das für diese paar Scheinchen sogar irgendwann gerne, weil auch Soldaten sich irgendwann an das gewöhnen müssen was sie tun, weil sie's sonst überhaupt nicht mehr aushalten. Und dann der Iran. Also, der ist halt irgendwie anders. Und der soll da mal weg. Jedenfalls sehe ich diese Absicht in den Plänen der Machthaber, Militärs und Eliten der sogenannten "westlichen Welt", also dem Einflussbereich des US-amerikanischen Imperiums.
Ich weiß nicht, wie lange jemand wie ich im Iran arbeiten und leben könnte, ohne auch dort Ärger mit den örtlichen Autoritäten zu bekommen. Die hiesigen haben mit dem Grundgesetz jedenfalls eine hervorragende Fußfessel am Knöchel. Ich kenne den iranischen Gesellschaftsvertrag, die iranische Verfassung, zu wenig, um mir da wirklich sicher zu sein. Auch habe ich hier die Möglichkeit, mich mit der deutschen Sprache zu verteidigen. Was aber eben überhaupt nicht geht, das ist ein Land anzugreifen. Das geht gar nicht. Und es ist völlig egal, was das nun für ein Land ist. Da hat man sich einfach herauszuhalten. So lautet das Völkerrecht und das ist nicht aus 20 Kilometern oder mehr gefallen, sondern nach langen, furchtbaren und tragischen Jahrhunderten durch die Menschheit selbst erfunden worden. Gut, vielleicht fiel die Idee dafür vom Himmel. Das kann gut sein. Aber machen, ja das muss der Mensch es schon selbst. Und er kann es auch wieder vernichten, in Sekunden, was vorher durch andere Generationen in Jahrhunderten mühsam, edelmütig und zäh bis zum Äußersten aus dem Stein gehauen wurde.
Aber ich habe da einen praktischen Vorschlag: Sollte der Iran tatsächlich vor einer Bombardierung stehen, so werde ich in dieses uralte Land reisen. Und dann werde ich mich, nachdem man mir dort beim Allmächtigen geschworen hat, dass an diesem Platz zur Ziviles gebaut wird, irgendwo hinsetzen und mir einen Kaffee brauen, mit Milch und Honig. Das fließt auch dort, da bin ich mir sicher. Und dann werde ich einfach warten und Kaffee trinken. Einen Anschluss an das Weltinformationsnetz wird es auch dort geben und wenn der gekappt wird, werde ich telefonieren und wenn das auch nicht geht, tja, dann sollen sich die Leute eben noch mal durchlesen was ich alles geschrieben habe und sich denken, was ich noch zu sagen habe. Ich würde das Gleiche übrigens in Israel tun, wenn die Gefahr bestünde, dass es mit atomarer oder sonstiger Vernichtung bedroht wird, was es nicht wird. Vielleicht streitet sich Israel mal mit seinen guten Freunden in Neu Delhi, das wäre da noch die eheste Option. Aber der Iran ist für Israel keine Gefahr. Da können diese Spinner im Jerusalemer Regierungspalast kreischen und zetern wie sie wollen.
Für alle Nichtwisser, die uns lesen: der Oberste Rechtsgelehrte des Iran, der gewählter Stellvertreter des 13.Imam, Ajatollah Chamenei, hat bereits vor Jahren eine Fatwa erlassen, welche die Produktion, die Lagerung und den Transport von Atomwaffen in der Islamischen Republik Iran verbietet. Der Iran hat den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben. Sämtliche US-Geheimdienste haben zugeben müssen, dass kein Atomwaffenprogramm im Iran existiert. Sogar die Israelis mussten das. Es geht bei dieser Sonderbehandlung des Iran durch die Atommächte ausschließlich um einen möglichen BEGINN eines Atomwaffenprogramms. Und da könnte man auch Hamburg bombardieren, mal wieder, und sagen, hey, ihr könntet potentiell ein Atomwaffenprogramm entwickeln. Und das geht nicht. Das geht gar nicht.

MM: Auf was muss Ihr Leser in Zukunft gefasst sein bezüglich Daniel Neun?

Neun: Auf alles und nur Gutes.

MM: Herr Neun, wir danken für das Interview.

Links zum Thema

Senden Sie e-Mails mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an: info@muslim-markt.de 
Copyright © seit 1999 Muslim-Markt