MM:
Sehr geehrter Herr von
Bergner unsere Leser sind brennend daran interessiert zu erfahren, wie Ihr
Weg zum Islam war.
Von Bergner:
Insbesondere über türkische Freunde hatte ich schon seit Jahren Kontakt zum
Islam. Besondere Anlässe wie beispielsweise die Fastenzeit haben mein
Interesse geweckt. Anlässlich eines Moscheebesuchs im Oktober 2004 nahm ich
die Biographie "Muhammad" von Martin Lings über das Leben des Propheten (s.)
mit nach Hause. Die Lebensgeschichte Mohammeds (s.) hat mich nachhaltig
beeindruckt. Ich begann daraufhin den Koran zu lesen und beschäftigte mich
über mehrere Monate intensiv mit dem Islam, insbesondere in Vergleich und
Abgrenzung zum Christentum. Letztlich kam ich zu der Überzeugung, mir diese
Religion zu Eigen machen zu wollen. Der Entschluss zu konvertieren ist somit
über einen längeren Zeitraum in mir herangereift.
MM:
Und wie kam es zu dem
Namen "Ahmed Isa"?
Von Bergner:
Ursprünglich wollte ich nur den Namen Isa wählen, um dadurch meine Liebe und
Verbundenheit zu unserem Propheten Jesus (a.) zum Ausdruck zu bringen. Da
zur Zeit meiner Namenswahl aber gerade die Mohammed-Karikaturen in der
Öffentlichkeit diskutiert wurden, entschied ich mich, mit Ahmed auch ein
Synonym für unseren geliebten Propheten Mohammed (s.) hinzuzunehmen.
MM:
Hat das nicht zu
enormen Verwirrungen in Ihrer Familie geführt? Wie haben das Eltern und
Ehepartner aufgenommen?
Von Bergner:
Ich habe meinen Entschluss vorher mit meiner Familie besprochen. Meine Frau
respektiert und toleriert meine Entscheidung. Meine Eltern haben meinen
Entschluss zu konvertieren, wie viele andere Menschen auch, zunächst nicht
nachvollziehen können. Nichtsdestoweniger respektieren auch sie meinen
Schritt. Ursache für die Skepsis ist sicherlich, dass auch das Islambild
meiner Eltern von den üblichen Ressentiments geprägt war. Ich befinde mich
nach wie vor im ständigen Dialog mit Ihnen über dieses Thema und bin froh,
dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Menschen die Bereitschaft zeigen,
über Religion und den Islam im Besonderen zu diskutieren.
MM:
Gerade als Anwalt ist
Ihnen sicherlich mehr als vielen anderen Bürgern bewusst, unter welcher
"Anklage" Muslime derzeit stehen. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
Von Bergner:
Natürlich war ich mir dessen bewusst. Dieser Umstand hat für meine
Entscheidung jedoch keinerlei Rolle gespielt. Als gläubiger Mensch bin ich
der festen Überzeugung, dass Gott mich zum Islam geführt hat. Allein daran
habe ich meine Entscheidung ausgerichtet. Im Übrigen bin ich in einer
demokratischen Gesellschaft aufgewachsen, in der die Religionsfreiheit
verfassungsrechtlich verbrieft ist. Ich muss meine ganz persönliche
Entscheidung daher vor niemandem rechtfertigen. Dass Einzelnen das nicht
gefallen mag gehört auch zur Demokratie und ficht mich nicht an.
MM:
Konnten sie denn
zumindest in Ihrem Familienumfeld und bei Bekannten verdeutlichen, dass
Zwangsehe oder Unterdrückung der Frau nichts mit dem Islam zu tun haben?
Von Bergner:
Natürlich habe ich mit meinen Verwandten und Freunden auch diese Themen
besprochen, die fälschlicherweise immer wieder mit dem Islam in Verbindung
gebracht werden. Ich habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es
diese Probleme natürlich auch in islamisch geprägten Ländern gibt, dass
diese Phänomene aber in der Regel sozial bzw. kulturell bedingt sind. Da die
Personen in meinem engsten Umfeld in Bezug auf diese Themen jedoch alle
aufgeschlossen sind, musste ich keine große Überzeugungsarbeit leisten.
Dagegen musste gerade meine Frau, die für sich in Anspruch nimmt, kein
gläubiger Mensch zu sein, den Islam gegenüber Freunden und Kollegen viel
häufiger gegen derartige Vorurteile verteidigen.
MM:
Nun gibt es in einigen
zentralen Themen wie z.B. dem Glauben an den Schöpfergott und der Hoffnung
auf das ewige Leben zahlreiche Parallelen zum Christentum. Könnte Ihr Weg
nicht auch hilfreich für Christen in Ihrer Familie sein, sich intensiver mit
Gott zu beschäftigen?
Von Bergner:
Ich kann das nicht ausschließen. Ich komme zwar aus einer Familie, in der
Religiosität keine große Rolle spielt. Dennoch habe ich gerade bei meinen
Eltern den Eindruck, dass sie sich in den vergangenen Monaten auch
persönlich mit ganz grundlegenden Fragen von Glauben und Religion
beschäftigt haben.
MM:
Wie sind ihre nunmehr
einjährigen Erfahrungen mit den Riten im Islam wie z.B. Beten und Fasten in
Bezug auf die Arbeitswelt. Können Sie das miteinander vereinbaren?
Von Bergner:
Grundsätzlich ja. In aller Regel gelingt es mir die Gebetszeiten
einzuhalten. Schwierigkeiten gibt es hin und wieder mit dem
Nachmittagsgebet, da der Zeitrahmen doch recht eng ist, und es insoweit
gelegentlich zu Terminskollisionen kommt. Auch kann ich leider nicht immer
am Freitagsgebet teilnehmen, da es hin und wieder zu Überschneidungen mit
Gerichtsterminen kommt. An das Fasten gewöhne ich mich nach einer kurzen
Übergangsphase und habe nicht den Eindruck, dadurch wesentlich in meiner
Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein.
MM:
Im Zusammenhang mit
ihrer nunmehr öffentlich gewordenen Annahme des Islam haben Sie auch die
Erfahrung einiger "ungewöhnlicher" Medienberichterstattungen gemacht.
Verstehen Sie jetzt die Abneigung Ihrer Glaubensgeschwister gegenüber
derartigen Medien besser?
Von Bergner:
Mir war bewusst, dass mein öffentliches Bekenntnis zum Islam nicht nur
positives Feedback nach sich ziehen würde. Und so habe ich neben
"sachlicher" Kritik auch eine Reihe von intoleranten und beleidigenden
Reaktionen erfahren müssen. Derartige Äußerungen sind in der Regel jedoch
nur Ausdruck der Wut und Ratlosigkeit dieser Personen, die in ihrer
ideologischen Beschränktheit keinen Zugang zu so einer Entscheidung finden
können. Antrieb für meinen Schritt in die Öffentlichkeit war die Hoffnung,
bei der durchweg negativen Berichterstattung über den Islam auch einmal
positive oder zumindest erklärende Ansätze präsentieren zu können. Diese
Hoffnung hat sich im Großen und Ganzen erfüllt. Natürlich betrachte auch ich
mit Sorge, in welcher Weise von Seiten einiger Politiker und Medienvertreter
zunehmend eine Stimmung der Verängstigung aufgebaut wird. Derartige Prozesse
sind, das hat die deutsche Geschichte hinlänglich bewiesen, überaus
gefährlich, wenn sie erst einmal in Gang gesetzt sind. Die Hirngespinste
einiger weniger gefährden die Demokratie nicht. Fatal ist jedoch, wenn
solche Meinungen durch Medien und Politik salonfähig gemacht werden. Vor
diesem Hintergrund sind leider auch die jüngsten Äußerungen des
Innenministers Schäuble zu sehen, der das Phänomen der zunehmenden
Konvertierungen zum Islam als etwas "Bedrohliches" bezeichnet und in diesem
Zusammenhang von der Gefahr des "home-grown-terrorism" spricht. Mit welchem
Recht rückt Herr Schäuble tausende von deutschen Staatsbürgern in die Nähe
von fanatischen Gewalttätern? Derartige Mechanismen halte ich für in
höchstem Maße befremdlich und zudem für Demokratie gefährdend.
MM:
Was würden Sie, ausgehend von Ihren Erfahrungen anderer Deutschen, die den
Islam annehmen möchten, raten zu beachten, um den Übergang möglichst
reibungslos zu gestalten?
Von Bergner:
Jeder der sich mit dieser Absicht trägt, sollte sich vorher in ausreichendem
Maße informieren und sichergehen, dass er für sich Antworten auf alle ihm
wichtigen Fragen findet. Hier kann gegebenenfalls auch der Dialog mit einem
islamischen Theologen hilfreich sein.
MM:
Herr von Bergner, wir danken für das Interview. |