MM: Sehr geehrter Dr. Mechtersheimer, gibt
man Ihren Namen in eine Suchmaschine im Internet ein, so findet man
ultra-links bis ultra-rechts ziemlich jede Schublade dazwischen, in der man
sie einerseits steckt und andererseits wieder rausholt. Wo stehen Sie
politisch wirklich?
Mechtersheimer: Auf der Schublade, in die
ich vielleicht passen könnte, müsste stehen "Radikale der Mitte". Ich
trete ein für nationale Identität, Selbstbestimmung und
Basisdemokratie. Das sind weder rechte noch linke Positionen, genau so
wie mein Eintreten für Frieden weltweit und im Innern. Weil ich wenig
Berührungsängste habe und mit jedem rede, bekommt man schnell ein
falsches Etikett aufgeklebt. Aber diese halten nicht und fallen
herunter. Früher beim Kampf gegen die US-Atomraketen wurde ich im
Fernsehen als Agent Moskaus beschrieben. In den letzten Jahren war ich
angeblich ein Rechtsradikaler. Beides ist falsch. Mein Verschulden ist
es, der jeweiligen Politik vorauszueilen. Pioniere leben nun mal
gefährlich.
MM: Es kommt nicht oft vor, dass ein
Abgeordneter, der 4 Jahre lang im Bundestag - noch dazu für die Grünen -
saß, dann regelmäßig in einem Landesverfassungschutzbericht als einer der
"wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen" erwähnt wird
und gleichzeitig als patriotisch-pazifistisch gilt. Verträgt dieses Land
keine Querdenker?
Mechtersheimer: Eine Berliner
Antifa-Gruppe hat mich als "Friedensnazi" bezeichnet. Das zeigt die
ganze Absurdität dieser Klassifizierungen. Deutschland leidet unter
einem Defizit an Demokratie und an Toleranz. Dementsprechend ist der
Feindbildbedarf groß. Im Grunde zeigt dies die Schwäche derjenigen,
die die Macht haben. Es ist die Angst vor dem Machtverlust, die zu
meiner Aufnahme in Verfassungsschutzberichte führte. Wir hatten
geprüft, ob aus der Deutschland-Bewegung eine Partei entstehen könnte.
Nachdem wir das zurückgestellt haben, erscheine ich auch nicht mehr in
diesen sehr problematischen Veröffentlichungen. Bayern ist ein
spezieller Fall, weil man sich in der CSU nicht damit abgefunden hat,
dass ich nach dem Parteiausschluss nicht von der Bildfläche
verschwunden bin. Diese Partei, das hat sich gerade wieder gezeigt,
reagiert zumindest bisher auf Querdenker aggressiv.
MM: Wenn Sie als ehemaliger Oberstleutnant
die heutige Politik der großen Koalition betrachten. Was sind ihre Gedanken,
wenn Deutschland im Hindukusch verteidigt werden soll, neuerdings auch mit
Panzern und Tornados?
Mechtersheimer: Als aktiver
Oberstleutnant hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass deutsche
Soldaten einmal am Hindukusch eingesetzt werden. Deutschland ist nun
mal - auch nach der Wiedervereinigung - ein besetztes Land. Deshalb
kann sich die Bundesregierung massiven amerikanischen Wünschen nicht
verweigern. Im nationalen deutschen Interesse liegen diese weltweiten
Bundeswehreinsätze nicht, - sie schaden dem deutschen Ansehen, auch in
der islamischen Welt.
MM: In der neusten Ausgabe Ihres jährlich
neuen Handbuchs Deutsche Wirtschaft gehen Sie dieses Mal darauf ein, dass
Internationale Konzerne Deutschlands Unternehmen aufkaufen und Politik und
Verbraucher machtlos sind. Welche Gefahren sind daran geknüpft und hat das
demokratische System keine Abwehrmechanismen gegen jene Gefahren?
Mechtersheimer: Auch in der
Wirtschaftspolitik ist der US-Einfluss auf die Berliner Regierung
massiv. Bundeskanzlerin Merkel wurde mehrfach bei ihren Besuchen in
Washington bedrängt, den als "Heuschrecken" bekannt gewordenen
angelsächsischen Finanzinvestoren keine Steine in den Weg zu legen.
Nachdem Deutschland seine Währung und Wehrhoheit aufgegeben und einen
Großteil seiner Souveränität auf dem Altar der EU geopfert hat, sollen
nun auch die deutschen Unternehmen aufgekauft werden. Diese
Entnationalisierung droht auch vielen anderen Staaten, auch in der
Dritten Welt. Wenn die deutschen Konzerne immer stärker unter
Kontrolle des US-Finanz- und Politik-Komplexes geraten, droht
langfristig die machtpolitische Marginalisierung Deutschlands und
Europas. Schon heute verliert Deutschland durch die Aufkäufe durch
US-Konzerne und die "Heuschrecken" viel Kapital.
MM: Was sagt der Initiator des
deutsch-arabischen Friedenswerks dazu, dass der Schutz Israels zur deutschen
Staatsraison gehören soll und gerade die historisch gewachsenen Beziehungen
Deutschlands zur gesamten muslimischen Welt in den letzten Jahren durch eine
extrem einseitige Politik sehr gelitten haben?
Mechtersheimer: Ich wundere mich, dass
Deutschland trotz seiner pro-israelischen Politik, insbesondere den
Waffenlieferungen, immer noch in den arabischen und islamischen
Ländern ein gutes Ansehen haben. Aber lange wir das nicht mehr so
sein. Der frühere Außenminister Fischer hat eine falsche Politik
betrieben, weil er Israel noch mehr Unterstützung gewährte, als von
dort gefordert wurde. Es gibt keine deutsche historische Schuld mehr,
die gegen jede politische Vernunft im Nahost-Konflikt zur
Einseitigkeit verpflichtet.
MM: In wie weit trägt Ihre Freundschaft zu
Muslimen im Ausland auch im Inland?
Mechtersheimer: Bei meinen Freundschaften
mit arabischen Friedenskämpfern, besonders im Kampf gegen die
US-Raketen, fühlten sich beide Seiten der interkulturellen
Zusammenarbeit verpflichtet. Eine Gemeinsamkeit war auch die nationale
Identität, die weder der Vorherrschaft einer Supermacht noch einer
anderen Macht geopfert werden darf. Ich empfand Vertreter der jeweils
anderen Kultur und Religion als große Bereicherung und beteiligte mich
intensiv am interkulturellen Dialog. Probleme habe ich aber mit den
multikulturellen Tendenzen in ganz Europa. Das ist für mich weniger
ein Problem der Religion. Aber grundsätzlich sollte gelten: Jeder
Nation ihr eigener Staat. Vielvölkerstaaten tendieren zur
Diskriminierung oder zum Bürgerkrieg. Der Zerfall der Sowjetunion und
insbesondere die blutige Auflösung Jugoslawiens belegen dies. Das
Ideal der arabischen Einheit ist für mich vor allem ein
Friedenskonzept.
MM: Was würden Sie von dem Ideal einer
gleichberechtigten Einheit aller Menschen ohne Ansehen der Herkunft
oder Ethnie denken und ohne Grenzen auf der Landkarte oder im Herzen
als gleichwertige Nachkommen Adams und Evas?
Mechtersheimer: Das ist ein
humanistisches Ideal, das Basis ist für meine konkreten
Ordnungsvorstellung. Es ist unabdingbar, die gewachsenen
Differenzierungen zu respektieren und staatlich so zu organisieren,
dass eine Friedensordnung entstehen kann. Grenzen sind ein
universelles Lebensprinzip. Sowohl die Zellen bei Lebenswesen als auch
gesellschaftliche und politische Einheiten sind Bausteine.
Entscheidend ist, dass sie als Nachbarn gleichberechtigt
zusammenarbeiten und dem Ganzen verantwortlich fühlen.
MM: Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre
Enkel eine Lehrerin mit Kopftuch hätten?
Mechtersheimer: In meiner Schulzeit
trugen viele Frauen ein Kopftuch, vor allem in der Kirche. Deshalb halte ich
die Kopftuch-Diskussion für dramatisiert. Wenn meine Enkel indoktriniert
werden, würde meine selbstbewusste Tochter, selbst Lehrerin, bestimmt mit
der Lehrerin reden, - ob die nun ein Kopftuch trägt oder nicht.
MM: Herr Mechtersheimer, wir danken für das
Interview.
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