MM: Sehr geehrter Fürst Hans-Adam. Muslime
in Europa sind auf Sie aufmerksam geworden durch Ihren jüngst
veröffentlichten Einsatz für die Integration von Muslimen in Liechtenstein.
Nun ist das Fürstentum nicht unbedingt für Probleme mit Muslimen bekannt.
Gibt es auch bei Ihnen nennenswerte kulturelle Missverständnisse mit
Muslimen?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Glücklicherweise haben wir im Fürstentum Liechtenstein ein
harmonisches Verhältnis zwischen den verschiedenen Religionsgruppen,
also auch zwischen den Muslimen und den Christen. Allerdings haben bei
uns die Weltereignisse und die Massenmedien einen recht starken
Einfluss auf die Meinungsbildung in der Bevölkerung. Die Herrschaft
der Taliban in Afghanistan, die Terroraktionen von Al Kaida und
anderen radikalen Gruppen haben dazu geführt, dass in Teilen der
Bevölkerung, nicht nur in Liechtenstein, sondern in Europa und
außerhalb Europas, Ängste und Missverständnisse entstanden sind.
MM: Sie setzen sich auch für Friedhöfe für
Muslime in Liechtenstein ein. Heißt das, dass Sie eine längere Präsenz von
Muslimen in Liechtenstein begrüßen?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Den Muslimen ist es genauso möglich, sich in Liechtenstein zu
integrieren und die Staatsbürgerschaft zu erlangen, wie den
Angehörigen anderer Religionsgruppen. Vor dem Gesetz sind alle gleich,
welcher Religion sie auch immer angehören. Wenn es Friedhöfe für
Christen gibt, so muss es auch Friedhöfe für Muslime in Liechtenstein
geben können.
MM: Verzeihen Sie höflichst die
Detailnachfrage: Würden Sie auch einer sarglosen Bestattung des Leichnams
direkt in die Erde, aus der wir stammen und wie es bei Muslimen üblich ist,
zustimmen?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Grundsätzlich ja. Es gibt aber zum Schutze des Grundwassers gewisse
Einschränkungen bei Friedhöfen. Es müsste wohl im Einzelnen abgeklärt
werden, inwieweit eine sarglose Bestattung diesbezüglich ein Problem
darstellt.
MM: Selbst die Errichtung von
Moschee-Minaretten in Liechtenstein haben Sie befürwortet, während es in
ihren Nachbarländern heftige Debatten darüber gibt. Wie erklären Sie sich
diese besondere Toleranz?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Es wird auf Dauer nur dann friedliche Beziehungen zwischen den
verschiedenen Religionsgruppen geben, wenn sie auf den Grundlagen des
gegenseitigen Respekts, der Toleranz und der Gleichberechtigung
aufgebaut sind. Wenn wir auf der einen Seite den christlichen
Religionsgruppen in Liechtenstein Kirchtürme erlauben, müssen wir auf
der anderen Seite den Muslimen in Liechtenstein Moschee-Minarette
erlauben.
MM: Wir wissen nicht, ob es bereits solche
Fälle in Lichtenstein gegeben hat, aber wie wäre Ihre Einstellung zu
Schülerinnen und Lehrerinnen mit Kopftuch?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
In meiner Kindheit haben noch viele Frauen Kopftuch getragen und
niemand hat sich darüber aufgeregt. Mir persönlich gefallen Frauen mit
Kopftuch sehr viel besser als solche mit Nasenringen und violetten
Haaren.
MM: Liechtenstein ist in ein Europa
integriert, in dem es immer mehr jugendliche Muslime gibt. Wie beurteilen
Sie generell das Verhältnis von Christen und Muslimen in Europa?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Im Laufe der Jahrhunderte kam es leider immer wieder zu kriegerischen
Auseinandersetzungen, selbst in der jüngsten Vergangenheit, wenn wir
an Ex-Jugoslawien denken. Es gibt aber glücklicherweise viele
Beispiele, wo ein friedliches Zusammenleben über Jahrhunderte möglich
- und wo das Verhältnis von Toleranz und gegenseitigem Respekt geprägt
war. Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass nicht wieder
religiöse Fanatiker das Verhältnis von Christen und Muslimen in Europa
und außerhalb Europas bestimmen und uns gegenseitig in kriegerische
Auseinandersetzungen hetzen.
MM: In Ihren Nachbarländern werden
einheimische Konvertiten zum Islam sehr skeptisch beäugt von der
Mehrheitsgesellschaft. Wie würden Sie reagieren, wenn eine/r Ihrer
Enkel/innen einen anderen Glauben an Gott annimmt?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Natürlich würde ich es bedauern, wenn eine/r meiner Enkel oder
Enkelinnen aus der katholischen Kirche austritt und einen anderen
Glauben annehmen würde. Allerdings wäre mir das immer noch lieber, als
wenn er/sie den Glauben an Gott ganz verliert und Atheist wird. Wir
müssen die Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen Menschen
respektieren und ihm die Freiheit geben, seinen eigenen Weg zu Gott zu
finden. Es gibt viele Wege dorthin, wichtiger als der Weg ist das
Ziel. In diesem Zusammenhang möchte ich doch darauf hinweisen, dass in
einer Reihe von islamischen Staaten ein Religionswechsel vom Islam zu
einer anderen Religion mit dem Tode bedroht wird.
MM: Sie setzten sich aus einer spezifischen
Situation in Liechtenstein heraus für die Trennung von Kirche und Staat ein.
Wenn man aber die Frage nicht auf Staat und Kirche sondern auf Staat und
Gott erweitert, wie wäre dann Ihre Einstellung?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Ein Staat, der sich für die Gleichberechtigung, die Toleranz und den
Respekt gegenüber den verschiedenen Religionsgruppen einsetzt, wird
dies auf Dauer nur dann glaubwürdig verwirklichen können, wenn Staat
und Kirche getrennt sind. Es liegt aber im Interesse des Staates, dass
die Menschen an einen Gott und an eine göttliche Gerechtigkeit
glauben. Verliert der Mensch diesen Glauben, dann steht bei ihm sehr
schnell eine rücksichtslose Selbstverwirklichung im kurzen Leben hier
auf der Erde im Vordergrund. Menschen und Gesellschaft verlieren ihren
moralischen Halt und früher oder später bricht auch der Staat
zusammen. Die sozialistischen Staaten, welche die Religionen aktiv
bekämpft haben, sind in sich zusammengebrochen. Wir müssen aufpassen,
dass wir in unserer westlichen Gesellschaft nicht ein ähnliches
Schicksal erleiden. Die Religion wird zwar nicht, wie in den
sozialistischen Staaten bekämpft, aber die Geisteshaltung ist in
weiten Kreisen ähnlich materialistisch eingestellt, ohne Glauben an
einen Gott und an eine göttliche Gerechtigkeit.
MM: Erlauben Sie eine abschließende Frage.
Welche Rolle spielt Gott in Ihrer Familie?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein:
Er hat in unserer Familie immer eine sehr wichtige Rolle gespielt und
wir haben im Schloss auch eine Kapelle, wo regelmäßig ein Gottesdienst
stattfindet.
MM: Sehr geehrter Fürst Hans-Adam. Wir danken
Ihnen für das Interview. |