MM: Sehr geehrter Inge Witt. Sie haben den
zweiten Weltkrieg am eigenen Leib miterlebt. Schildern Sie doch bitte
unseren Lesern ihre damaligen Eindrücke:
Inge Witt: Es war eine schlimme Zeit. Wir
wohnten damals im Ortsteil von Hamburg, der sich Barmbek nannte. Da mein
Vater nicht in den Krieg wollte, ging er auf die Werft arbeiten, um
Kriegsschiffe zu bauen. Somit wurde er unabkömmlich und brauchte nicht an
die Front. Demzufolge zogen wir um nach Finkenwerder, wo sich die Deutsche
Werft befand. Wir waren sechs Kinder. Anfang des Krieges haben wir nicht
sehr viel mitbekommen. Mein Vater schickte mich nach Bayreuth zu
Pflegeeltern mit einer meiner Schwestern. Wir waren die beiden Ältesten.
Dort lebten wir zwei Jahre. Ich bekam schreckliches Heimweh und wurde wieder
mit meiner Schwester nach Hamburg beordert, blieb aber nicht lange dort und
mein Vater schickte mich nach Ungarn. Dort lebte ich wiederum zwei Jahre.
Dort kam ich das erste mal mit den Christen zusammen. Es waren streng
gläubige Katholiken. Wieder in Hamburg gelandet ging meine gesamte Familie
nach Ostpreußen auf einem Bauerhof. Mein Vater schickte uns immer dort hin,
wo die Gefahr der Bomben nicht bestand, holte uns aber zurück als die Russen
kamen. Als nun der Grossangriff auf Hamburg begann, waren wir leider in
Hamburg. Wir lebten nur noch im Keller oder Hochbunker. Einmal schafften wir
es nicht zum Bunker zu kommen und unser Haus wurde getroffen. Wir waren im
Keller und kamen nicht raus. Wir wurden aber befreit und konnten in unsere
Wohnung ohne Fenster. Die KZ gefangenen mussten uns - Ich glaube das war
Plastik - Fenster einbauen. Die hatten aber Hunger. Meine Mutter gab ihnen
zu Essen und kam beinahe selbst ins KZ. Mein Vater konnte das noch
verhindern. Ich habe dann gesehen, wie ein Gefangener auf eine Karre gesetzt
wurde mit einem Brett drüber, an das man seine Hände fest genagelt hatte. Es
war ein scheußlicher Anblick und der Mann tat mir unendlich Leid. Übrigens
kam ich in Bayreuth mit streng gläubige Evangelisten zusammen und wurde
dahingehend auch erzogen. Später flüchteten wir in den Hochbunker der
Deutschen Werft, wurden auch dort von einer Bombe getroffen und mussten
warten, bis man uns befreite. Alle Angriffe kann ich nicht nennen, das würde
ein Roman werden und ich denke, dass es zu viel werden würde. Ich weis aber
noch, dass es viele Tote gab und alle gesammelt wurden, an die Kaimauer in
Hamburg aufgebahrt wurden und letztlich verbrannt. Es stank fürchterlich in
ganz Hamburg . Ich hasse heute alle Kriege die es gibt oder eventuell noch
geben wird. Möge Allah uns davor beschützen.
MM: Nun haben sie sich vor wenigen Monaten
entschlossen, den Islam anzunehmen. Bitte schildern Sie uns und unseren Lesern
ausführlich diese Entwicklung, da es nicht alle Tage vorkommt, dass eine
deutsche Frau mit 76 Jahren zum Islam findet.
Inge Witt: Nachdem ich geheiratet hatte,
suchte ich meinen Weg zu Gott. Ich kam zu den Jehovas Zeugen, den Menoniten,
den Mormonen und den Buddhisten. Alles hat mir nichts gegeben. Meine Familie
wanderte aus nach Australien und ein Bruder nach Afrika. Eine Schwester und
Ich blieben in Deutschland. Meine Mutter verstarb und mein Vater nahm eine
andere Frau die dann mit meinen Geschwistern nach Australien ging. Dann kam
mein Bruder zu Besuch von Afrika und ich kam in Verbindung, zu den
Sieben-Tage-Adventisten. Ich glaubte nun den richtigen Weg gefunden zu
haben. Leider war auch das ein Fehler. Ich kann heute nicht mehr sagen, wann
und wie ich vom Islam erfuhr. Meine Enkeltochter heiratete einen Moslem und
ich erbat mir von Ihm den Koran. Nun merkte ich nur zu genau, das etwas in
der Bibel nicht stimmen kann. Es vergingen aber noch zwei Jahre, bis ich
davon überzeugt war. Ich wollte nicht schon wieder einen Fehler machen. Mein
Nachbar ist auch ein Moslem und er hilft mir sehr, alles zu lernen, was ich
wissen möchte, natürlich auch meine Enkeltochter. Leider wohnen wir sehr
weit auseinander. Aber es gibt ja ein Telefon und das hilft mir auch weiter.
Dann ist da noch eine weitere Frau in meiner Nähe. Sie ist auch in diesem
Jahr konvertiert. Und ich Glaube jetzt fest, endlich das richtige getan zu
haben. Leider, meiner Meinung nach, viel zu spät. Es gibt so viel, was ich
lernen muss, was mir in meinem Alter sehr schwer fällt. Ich hoffe aber, das
Allah mir die Kraft gibt, alles richtig zu machen.
Ich danke Allah Subhanahu we ta Ala das er mir den
Weg gezeigt hat. Alhamdulilah.
MM: Machen Sie sich keine Sorgen, Gott ist
der Barmherzigste aller Barmherzigkeit und verlangt von niemandem etwas
unmögliches. Wie haben denn ihre Bekannten und Verwandten darauf reagiert,
dass Sie sich zum Islam zugewandt haben?
Inge Witt: Meine Familie hat gar nicht gut
reagiert und das macht mich sehr traurig. Aber es ist mein Leben und ich
mache, was ich machen muss. Ich schreibe auch niemanden vor, was er lassen
oder tun soll.
MM: Nun ist derzeit in diesem Land in den
meisten Medien ausgerechnet der Islam nicht gerade mit dem besten Ansehen
behaftet. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
Inge Witt: Die Medien haben mich keineswegs
abgeschreckt, da ich nicht alles glaube, was da geschrieben oder gesprochen
wird. Außerdem bin ich der Überzeugung, das all das, was geschrieben steht,
niemals ein Moslem getan haben kann.
MM: Wie auf dem Foto zu sehen, haben Sie
sich entschlossen die islamische Körperbedeckung anzulegen. Ist Ihnen das
nicht schwer gefallen?
Inge Witt: Mit der Bekleidung ist es mir
keineswegs schwer gefallen. Ich bin stolz darauf, diese Kleidung tragen zu
dürfen. Nur muss ich mir noch vieles zulegen, weil ich nicht viel besitze.
Aber ich werde auch das in den Griff bekommen.
MM: Können Sie uns positive und negative
Beispiele aus ihrem noch sehr jungen muslimischen Alltag in Deutschland
geben?
Inge Witt: Da kann ich leider nicht sehr
viel berichten. Tatsache ist aber, das alle Muslim-Menschen ganz liebe
Menschen sind. Sehr Hilfsbereit und stets für mich da. Ich brauche nur um
Hilfe rufen, dann wird mir auch geholfen. Zum Beispiel bekomme ich in meiner
Gegend nicht das Fleisch, was ich benötige, um Essen zu bereiten. Mein
Nachbar kommt zu mir und holt es mir, weil er ja dieses Fleisch auch
benötigt. Er schenkte mir auch den Koran.
Ja und Negativ ist leider, das mein Umfeld sich über mich lustig macht und
mich einfach nicht verstehen will. Dabei tue ich niemanden etwas, will auch
keinen bekehren. Ich lasse mich auch auf keine Diskussionen ein, weil es nur
zum Streit führen würde. Das macht mich sehr traurig.
MM: Was wünschen Sie sich für Deutschland
und Ihr persönliches Umfeld.
Inge Witt: Für Deutschland und die ganze
Welt wünsche ich mir, das jeder jeden in Frieden Leben lässt und niemals ein
Krieg kommt, weil der eine dies und der andere jenes glaubt. Jeder sollte
nach seiner Facon selig werden. Das wäre mein Größter und einzigster Wunsch.
MM: Sehr geehrte Inge Witt, wir danken Ihnen
für das Interview. |