MM: Sehr geehrter Herr Pfarrer Breitenbach.
Ihr neustes Buch trägt den Titel "Jesus wäre heute ein Palästinenser". Was
macht sie da so sicher?
Pfarrer Breitenbach: Jesus stellte sich
immer auf die Seite der Kleinen und Entrechteten. Im Heiligen Land sind
das für mich derzeit die Palästinenser. Zudem liegt der Geburtsort Jesu
Bethlehem heute im Palästinenserland. Die Erfahrung der Sperrmauer hat mich
zutiefst bedrückt: Mauern haben noch nie Probleme lösen können, weil sie
Menschen trennen, statt sie zusammenzuführen. Wir Deutschen haben da
schließlich unsere Erfahrungen.
MM: Wie geht es den Christen in Bethlehem?
Pfarrer Breitenbach: Muslime wissen, was es
heißt Minderheit zu sein. Christen sind inzwischen in Bethlehem eine
Minderheit. Wenn die Pilger im Zweistunden-Takt durch die Heiligtümer und
das möglichst schnell geschleust werden, bleibt keine Zeit, um etwas
einzukaufen oder in einem Restaurant zu essen. Bei meinem letzten Aufenthalt
bin ich mit unserer Gruppe bewusst fünf Nächte hinter der Mauer geblieben,
um auch Geld in der Stadt zu lassen.
Sind Sie Christin oder Muslima habe ich eine Frau
in Bethlehem gefragt. Ihr Antwort: "Ich bin Palästinenserin!". Auch den
Muslimen geht es in Bethlehem nicht viel besser; allerdings ist mein
Eindruck, dass sie mehr Unterstützung bekommen.
In meinem Buch "Jesus wäre heute ein Palästinenser"
habe ich geschrieben: "Wo sind die Zukunftsaussichten für Menschen, die
keinen Staat, keine eigene Währung, keine Krankenversicherung,
Altersversorgung oder Arbeit haben?"
MM: Neben Ihrem Engagement als Pfarrer und
Autor sind sie in vielen sozialen Initiativen tätig. Wird ein 71-jähriger
dabei nie müde?
Pfarrer Breitenbach: Im Gegenteil. Ich wache
am frühen Morgen mit 99 Ideen auf und bedauere, dass es so schwierig ist,
sie umzusetzen. Aber ich habe gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der
Gemeinde.
MM: Christen glauben an die Rückkehr Jesu.
Muslime auch. Wäre es nicht an der Zeit die Gemeinsamkeiten zwischen
gottesehrfürchtigen Menschen unterschiedlicher Religionen zu betonen
anstelle der Unterschiede?
Pfarrer Breitenbach: Tun, was uns eint. Das
ist einer meiner wichtigen Lebenssätze. Dafür gibt es bei gutem Willen auf
beiden Seiten viele Möglichkeiten. In unserem Kindergarten gibt es
muslimische Kinder; in unseren sozialen Projekten muslimische Mitarbeiter.
Ich habe Muslime verheiratet, sogar beerdigt, wenn es keine andere
Möglichkeit gab.
MM: Einer der heiligsten Wallfahrtorte der
Katholiken trägt ausgerechnet den Namen der heiligsten Frau im Islam. Wäre
es nicht eine Idee eine Maria-Fatima Initiative ins Leben zu rufen, um das
Miteinander von Christen und Muslimen in Deutschland zu stärken? Nebenbei
gefragt, waren Sie schon einmal in Fatima?
Pfarrer Breitenbach: Fatima habe ich zweimal
besucht. Ob es auf dem Weg über Mario-Fatima zu einer Annäherung der beiden
Religionen kommen kann, bin ich nicht sicher.
MM: Erzählen sie uns doch von jenem Ort.
Welche Stimmung herrscht dort?
Pfarrer Breitenbach: Der Ort hat eine
spirituelle Dichte. Vielleicht liegt es daran, dass vor allem einfache Leute
nach Fatima kommen und für den Weg dorthin große Strapazen auf sich nehmen.
Die letzte Stunde bis zum Marienheiligtum geht es oft auf den Kniebn.
MM: Nun gab es in letzter Zeit einige
Irritationen zwischen Muslimen und Christen. Während die Missverständnisse
einer Vorlesung des Papstes von ihm selbst ausgeräumt wurden, verstehen
Muslime derzeit nicht, warum Christen mit ihnen zusammen nicht einmal ein
einfaches Tischgebet sprechen dürfen, wenn doch der Schöpfergott angerufen
wird. Können Sie das erläutern?
Pfarrer Breitenbach: Mit gemeinsamen Gebeten
habe ich keine Probleme. Ich selber spreche gerne die 1. Sure des Koran. Sie
trifft auch meine christliche Überzeugung.
MM: Bekommen Sie da keinen Ärger mit der
Kirche?
Pfarrer Breitenbach: Eine Kirche wäre
schlecht beraten, wenn sie deswegen Ärger machen würde. Natürlich gibt es
Tendenzen in dieser Richtung. Dagegen gilt es Widerstand um der Menschen
willen zu leisten, die alle von dem einen Gott geliebt sind.
MM: Auch sonst scheinen Ihre Methoden nicht
unbedingt konventioneller Art zu sein. Was ist denn unter einer
Motorradmesse zu verstehen, und können die Leute nicht zumindest für die
Messe absteigen?
Pfarrer Breitenbach: Die müssen sogar
absteigen, denn für 6000 Teilnehmenden wie im letzten Frühjahr hätten wir
sonst keinen Platz. Vor gut 25 Jahren, als wir mit den
Motorradgottesdiensten angefangen haben, waren die Biker eine ausgegrenzte
Gruppe. Wir haben sie in die Kirche zurück geholt. Inzwischen gibt es
etliche solcher Angebote.
MM: Was sind Ihre Erfahrungen im Dialog mit
Muslimen?
Pfarrer Breitenbach: Das private Gespräch
ist immer gut. Kritisch wird es, wenn es offiziell wird. In einer
öffentlichen Dialogrunde zwischen Muslimen und Christen in unserer Stadt
wurde ich sogar als (fast) Muslimen-Hasser bezeichnet, nur weil ich eine
kritische Anfrage wegen der Gewalt und des Terrors angeblich "im Namen
Gottes" gestellt hatte. Hier gibt es einen Nachholbedarf: Die klare Absage
an alles, was mit Gewalt zu tun hat. Gewalt ist nicht im Geiste des Islam.
MM: Herr Pfarrer Breitenbach, wir danken für
das Interview.
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