Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Pascal Schöni
 

Muslim-Markt interviewt 
Hussain Pascal Schöni, Mitglied des Vereinvorstandes des Islamischen Kulturvereins Ahl al Bayt Bern (IKAB) und Kassier
21.9.2005

Hussain Pascal Schöni (Jahrgang 1976) ist Schweizer, seit 1999 Muslim und seit zwei Jahren verheiratet mit einer Libanesin und Vater einer Tochter. Als gelernter Audio-Video Elektroniker mit einer Weiterbildung zum Techniker in Telematik arbeitet er als Technischer Mitarbeiter in einem Kernkraftwerk. Hussain Pascal Schöni ist Mitglied des Vereinvorstandes des Islamischen Kulturvereins Ahl al Bayt Bern (IKAB) und Kassier, was dem deutschen Kassenwart entsprich.

 

MM: Sehr geehrter Hussain Pascal Schöni. Wir beginnen mit der Frage nach Ihrem Werdegang zum Islam.

Schöni: Ich bin in einer typischen schweizer Arbeiterfamilie als Einzelkind aufgewachsen. Meine Mutter war schon von ihrem Zuhause aus religiös geprägt. Sie hat mich immer mit zu den Versammlungen der Namenlosen (eine Art Freikirche) mitgenommen. Als ich etwa 12-13 Jahre alt war, hat sie sich aber von dieser Gruppe (oder Sekte) getrennt, da diese versucht haben sie unter Druck zu setzten und ihr vorgeschrieben haben, wie sie leben muss und wie sie mich erziehen muss. Diese Zeit bei den Namenlosen hat mich aber sehr geprägt und das religiöse Interesse in mit wachgerüttelt. In den Jugendjahren war aber mein Leben allerdings nicht durch die Religion geprägt. Ich trank Alkohol, besuchte Partys, rauchte Haschisch und interessierte mich für Mädchen. Das alles führte zu einer Zerrüttung mit meiner Familie, was auch dadurch bedingt war, dass mein Vater viel Alkohol trank, was die Probleme in meiner Familie nicht verringerte. So ca. mit 22 Jahren fing ich an mein Leben und die Gesellschaft zu hinterfragen. Insbesondere weil ich durch das Haschischrauchen langsam aber sicher an Depressionen litt. Ich erinnerte mich wieder an die Zeit bei den Namenlosen und fing an mich mit dem Christentum und anderen Religionen und mit dem berühmten Sinn des Lebens zu beschäftigen. Zur gleichen Zeit arbeitete ich in einer Firma, welche in ihrer Produktion viele Ausländer, darunter auch Libanesen und Türken, beschäftigte. Ich merkte dass ein Teil dieser sich in den Nachmittagspausen zu Gebet zurückzogen oder dass sie im Ramadan fasteten. Durch mein religiöses Interesse fing ich an sie auszufragen, warum und wieso sie dies machten. Nach anfänglicher Skepsis erzählten sie mir immer mehr von ihrer Religion. Ich verglich dies Zuhause mit den anderen Religionen und wissenschaftlichen Schriften, insbesondere der Physik und Psychologie. Von der Frau eines Libanesen erhielt ich den Koran auf deutsch und las diesen fast in einem Zug. Er ließ mich nicht mehr los, vor allem weil er mich sehr stark an die Geschichten des alten Testamentes erinnerte. Ich merkte, dass der Islam die wahre Religion ist, aber aus Angst aus meinem bequemen Leben, in dem ich für nichts verantwortlich war, geworfen zu werden, verwarf ich diesen Gedanken wieder. Allerdings kam ich nicht zur Ruhe und fing an mit Muslimen mehr über ihre Religion zu diskutieren. Ich merkte schnell, dass es nicht einfach nur den "einen" Islam gibt, sondern u.a. Sunniten und Schiiten und den Unterschied von Religion und Kultur. Nach langem hin und her blieb mir unter der Beweislast, die mir erbracht wurde, nichts anderes übrig als zum Islam zu konvertieren. Im Ramadan 1999 fing ich an zu fasten und zu beten. Mit der Zeit fand ich auch die Liebe zur reinen Familie, der Ahl al Bayt, dem Licht Gottes. Seit dieser Zeit versuche ich den Islam zu verinnerlichen. Der Höhepunkt im meinem Muslim-sein war 2003 die Pilgerfahrt nach Mekka und ich hoffe, dass ich schon bald mit meiner Frau dorthin zurückkehren kann, Inschaallah (so Gott will).

MM: Klingt wie eine Erfolgsgeschichte beginnend mit einer schweren Ausgangssituation!?

Schöni: Klar, es gibt ab und zu immer wieder Rückschläge in dem es mir nicht immer gelingt ein guter Muslim zu sein, aber ich versuche mich nicht vom Weg des Islams abringen zu lassen. Mein neues Leben als Muslim hat mir geholfen mit meiner Familie, meiner Umwelt und mit mir selber ins Reine zu kommen.

MM: Wie haben es denn ihre Eltern verkraftet, dass Sie Muslim geworden sind?

Schöni: Mein Vater kann bis heute nicht recht verstehen warum ich Muslim bin, aber er freut sich darüber, dass ich ein seriöses Leben führe und ich geheiratet habe. Er hat in der Zwischenzeit auch mit dem Alkoholtrinken aufgehört, wobei ich behaupte, dass er durch meine vom Islam bedingten Abstinenz auch beeinflusst wird. Meine Mutter sagt immer, dass es das Wichtigste ist an den einen Gott zu glauben, egal ob man Christ oder Muslim ist. Sie besucht uns sogar ab und zu im Ramadan in der Moschee.

MM: Wie kam es zu Ihrem Engagement in einer islamischen Gemeinde?

Schöni: Mit der Zeit habe ich bemerkt, dass wenn man Muslim ist, sich für die Gesellschaft in der man lebt, engagieren muss. Bei uns in Bern gibt es ein Zentrum mit dem Namen "Islamisches Kulturzentrum Ahl al Bayt Bern". Diesem bin ich ca. 2002 beigetreten und arbeite seit dem dort als Kassier. Da ich als einziger "original" Schweizer bin, ist es für mich nicht immer sehr einfach. Der Grund liegt vor allem darin, dass nicht alle Muslime, die auch als Muslim geboren sind, den Unterschied zwischen Religion und Kultur kennen. Um mir ein wenig Ruhe zu verschaffen, werde ich das nächste Jahr nicht mehr im Vorstand mitarbeiten.

MM: Gibt es denn auch Gemeindeübergreifende Aktivitäten?

Schöni: Dieses Jahr wurde in Bern der "Islamische Kantonalverband Bern UMMA" gegründet. Das Ziel dieses Verbandes ist es, die verschiedenen islamischen Zentren im Kanton Bern zusammen zu führen und für den Kanton, die Schulen und die Bevölkerungen einen einzigen Ansprechpartner zu stellen. Ich hoffe, dass ich in diesem Verband eine gute Arbeit leisten kann. Es ist wichtig, dass sich die schweizerstämmige Bevölkerung und die Muslime sich besser kennen lernen um so Vorurteile abzubauen. Insbesondere müssen sich die Muslime mehr in der hiesigen Gesellschaft engagieren, ihre Sprache lernen und sich so auch richtig integrieren, ohne ihre Religion zu verleugnen oder gar zu vergessen. Da mein Verein dort leider noch nicht Mitglied ist, arbeite ich als eine Art "freies Mitglied" mit.

MM: Gibt es denn außer Ihnen keine schweizer Muslime in Bern?

Schöni: Doch, es gibt schon auch andere schweizer Muslime in Bern, vor allem Frauen, welche mit einem gebürtigen Muslim verheiratet sind. Es gibt sogar einen islamischen Frauen Verein "Dar-an-Nur", welcher hauptsächlich aus Konvertitinnen besteht. Die konvertierten Männer, die ich kenne, kann ich aber an einer Hand abzählen. Leider ist der Kontakt untereinander auch nicht sehr groß. Ich hoffe allerdings, das sich dies, unter anderem mit der Hilfe des Kantonalverbandes, in naher Zukunft auch ändern wird.

MM: Wie würden Sie allgemein die Lage der Muslime in der Schweiz für Ihre Glaubensgeschwister in Deutschland und Österreich beschreiben?

Schöni: Im allgemeinen ist die Lage hier in der Schweiz gut. Ich und meine Familie können unseren Glauben frei leben und niemand schreibt uns vor, was wir zu glauben haben. Aber natürlich gibt es auch hier Personen, die das Gefühl haben, das alles was fremd und neu ist auch gefährlich ist. Im Speziellen in den Medien und bei einigen Politiker/innen dringt das immer wieder durch. In meinem Umfeld ist der Islam, trotz mancher Vorurteile, aber kein Problem und die Menschen akzeptieren meine Einstellung, solange ich mich nicht bei ihnen aufdränge. Ich denke, dass es wichtig ist, dass man den Menschen zeigt, dass man selber ein ganz normaler Mensch ist, mit den gleichen alltäglichen Freuden und Schwierigkeiten wie sie selbst auch. Da der Islam in der Schweiz nicht eine offiziell anerkannte Religion ist, denke ich, muss man manchmal auch akzeptieren, dass man nicht immer die gleichen Vorzüge wie das Christentum oder das Judentum genießt. In Zukunft hoffe ich allerdings, dass der Islam von den Kantonen und dem Staat anerkannt wird und der Islam dem Kellerdasein entwachsen kann. In der Schweiz gibt es immerhin ca. 350.000 Muslime, was sie zur zweitgrößten Religionsgemeinschaft macht. Wichtig zu sagen ist auch, dass sich unheimlich viele Schweizer für den Dialog der Religionen interessieren und auch engagieren. Sie unterstützen uns immer wieder z.B. mit Infrastruktur oder anderen Dingen.

MM: Wir waren die Auswirkungen des 11. September und der Folgezeit für Muslime in der Schweiz?

Schöni: Ich glaube, dass vor allem die Vorurteile gegen den Islam zugenommen haben und die Muslime von der Bevölkerung mehr wahrgenommen werden, positiv wie auch negativ. Auch in meinem Umfeld werde ich immer wieder damit konfrontiert. Meine Erfahrung aber ist, das wenn man mit den Leuten spricht und ihnen die Sachlage anhand von einfachen Beispielen erklärt, sie dann in den meisten Fällen ihre Vorurteile auch abbauen. Was mich am meisten erschrickt ist, wie manche Medien alle Informationen einfach übernehmen und nicht kritisch hinterfragen. Da diese Medien für den größten Teil des Volkes als Informationsquelle dienen, erstaunen mich die Vorurteile gar nicht mehr. Wenn ich mich nicht speziell mit dem Islam beschäftigen würde, erginge es mit wahrscheinlich nicht anders. Eine Art Islamphobie, wie ich sie manchmal in Deutschland zu erkennen glaube, habe ich hier nicht festgestellt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Schweiz nicht im gleichen Masse auf die "Terrorbekämpfungsschiene" aufgesprungen ist und der Islam in den Medien und in der Politik nicht so präsent ist wie z.B. in Deutschland. Auf den ersten Blick war der 11. September für den Islam schlecht, aber auf den zweiten Blick ist er eine große Chance für die Muslime, vor allem in der westlichen Welt, allen Menschen zu zeigen, dass der Islam die Religion des einen wahren Gottes und damit die Religion des Friedens und der Liebe ist.

MM: Sehr geehrter Hussain Pascal Schöni, wir danken für das Interview.

 

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