MM: Sehr geehrter Herr Kruse, bevor wir zum Thema
Bundeswehr kommen, geben Sie uns bitte eine kurze Zusammenfassung zu Ihren
damaligen Motiven, den Islam anzunehmen.
Kruse: Schon immer suchte ich einen Weg zu
Gott. Ich habe mich damals mit mehreren Religionen beschäftigt; Judentum,
Christentum, Buddhismus und Islam. Im Islam fand ich die Antworten und meine
Fragen und im Islam fand ich das Licht Gottes. Da ich auf dem Papier Christ
war, und da das Christentum mir keine hinreichenden Antworten gegeben
konnte, und im Islam mein Glück fand, trat ich als 21-jähriger zum Islam
über. Damals gab es vorwiegend türkischstämmige Muslime in unserer Gegend,
die mich in ihre Gemeinde herzlich aufnahmen. Seither versuche ich den Islam
in mir weiter zu entwickeln.
MM: Kurz nachdem Sie den Islam angenommen
haben, sind Sie zur Bundeswehr gekommen. Gab es da keine Probleme?
Kruse: Meine Vorgesetzten und Kameraden
wussten zur damaligen Zeit (1984) nicht sehr viel über den Islam bzw.
konnten damit kaum etwas anfangen. Als ich in die Kaserne einzog, ging ich
sofort zum meinem Kompaniechef und gab an, dass ich deutscher Muslim bin und
bestimmte Regeln im Islam auch während meines Dienstzeit einhalten muss, wie
z.B. das rituelle Gebet und der Verzicht auf Fleisch. Der Hauptmann war
erstaunt, und so wurde ich, wie mir später berichtet wurde, der erste
deutsche Muslime im jenem Panzergrenadierbataillon. Die erste Woche war für
mich als Muslim schwer. Doch als meine Kameraden und Vorgesetzen sahen, dass
ich dem Islam treu ergeben bin, fanden sie sich damit ab und akzeptierten
mich vollständig. Kurze Zeit später meldete der Hauptmann mir, dass ich ein
Extra-Essen aus der Kantine erhalten werde. In der Grundausbildung fand ich
gute Kameraden und hatte keine Probleme.
MM: Wie war es z.B. mit den rituellen Gebet?
Kruse: Während einer Gefechtsübung im Feld
besuchte uns der Kommandeur des Bataillons. Bei diesem Besuch sah er, dass
ich gerade mein Gebet verrichtete, und nach dem Gebet sprach er mich an. Ich
meldete dem Kommandeur, dass ich deutscher Muslime bin und gerade mein Gebet
verrichtet habe. Daraufhin nahm er mich zur Seite und stellte mir viele
Fragen, da er nicht wusste, dass es deutsche Muslime gibt. Ich erklärte ihm
die Angelegenheit und er verstand es und bat mich, die Gebete in die
Freizeit zu verlegen. Daraufhin antwortete ich, dass es mir völlig unmöglich
ist, da ich nicht nur vor der Fahne geschworen habe, meinen Dienst zu
verrichten, sondern vor allem vor Gott. Nach einigem hin und her, erlaubte
er es mir, und gab den Befehl, dass ich auch während der Übungen zur
Gebetszeit zügig mein Gebet verrichten darf und dabei nicht gestört werden
soll.
MM: Wie war es denn nach der
Grundausbildung, und gab es z.B. nicht die typischen Probleme mit Alkohol
bei Soldaten?
Kruse: Nach meiner Grundausbildung kam zu
einem Raketenartilleriebataillon. In dieser Einheit waren wir ein Wachzug.
Und in diesem Wachzug war es strengstens verboten Alkohol zu sich zu nehmen,
so dass es mir als deutscher Muslim - Gott sei Dank - nur zugute kam. Die
Kameraden im Dienst waren zumeist die selben, wie diejenigen in der
Grundausbildung, so dass sie mich ohnehin kannten. Meinen neuen Vorgesetzten
meldete ich unverzüglich, dass ich deutscher Muslim bin. Und selbst in
dieser neuen Einheit, hatte ich als deutscher Muslime keine Probleme.
MM: Und wie war es z.B. mit dem gemeinsamen
Duschen?
Kruse: Da sich meine Kameraden immer mehr
über den Islam bei mir informiert hatten, wussten sie, dass ein Muslim nicht
in der Gruppe nackt duschen darf. Daraufhin habe ich immer zuallerletzt
geduscht, nachdem die anderen die Duschen verlassen hatten, und alle haben
das problemlos akzeptiert. Auch in der neuen Einheit bekam ich gesondertes
Essen. Kurz vor Ende meines Wehrdienstes konnte ich meinen Kameraden einiges
Positive erzählen, so dass sie auch Informationen über den Islam von mir
annahmen.
MM: Wie war ihre Beziehung zur Bundeswehr
nach ihrem Dienst?
Kruse: Nach meinem Wehrdienst war ich
weiterhin aktiv im Verband der Reservisten tätig. Ich nahm an mehreren
Lehrgängen und Übungen teil. Dabei führte ich zahlreiche Gespräche mit
meinen Kameraden unter den Reservisten über den Islam. Einige Leute haben
dann den Islam mit ganz anderen Augen sehen können.
MM: Zu ihrer Zeit wurde Deutschland an den
hiesigen Grenzen geschützt. Heute sprechen einige davon, Deutschland am
Hindukusch zu verteidigen, würden Sie auch in Afghanistan dienen?
Kruse: Das kann nicht so einfach beantwortet
werden. Einerseits würde ich mich schon sehr gerne dafür einsetzen, meinen
Glaubensbrüdern in Afghanistan beim Aufbau ihres Landes ohne Waffengewalt zu
unterstützen. Andererseits, militärisch gesehen sage ich klipp und klar:
"nein", weil wir als Deutsche mit Waffen dort nichts zu suchen haben.
MM: Ihre Erfahrungen gründen auf der
Tatsache, dass Sie selbst deutschstämmig sind. Glauben Sie, dass ein nicht
deutschstämmiger Staatsbürger ähnlich gute Erfahrungen in der heutigen
Bundeswehr machen könnte?
Kruse: Auch das kann ich nicht eindeutig
beantworten. Es dürfte sehr stark von der Einheit, den Kommandeuren und den
Kameraden abhängen. In jedem Fall empfehle ich jungen Muslimen, die zur
Bundeswehr gehen, sich von Anfang an als Muslim zu erkennen zu geben, damit
gar keine Missverständnisse aufkommen.
MM: Abschließende Frage: Sie selbst haben
zwei Söhne. Möchten Sie, dass die beiden zur Bundeswehr gehen?
Kruse: Sollte es die Bundeswehr bis dahin
noch geben - mein Ältester Sohn ist 13 Jahre alt - so würde ich das
unterstützen.
MM: Herr Kruse, wir danken für das
Interview. |