MM: Sehr geehrte Frau Madi.
Auch wenn Sie diese Frage schon oft gehört haben, dennoch hier noch einmal
kurz: Was war der wichtigste Aspekt für Sie den Islam anzunehmen, waren Sie
sich sicher, dass der Islam ihre Religion ist, der sie folgen möchten?
Madi: Nachdem ich den Koran
gelesen hatte und darin meine Einstellung bestätigt fand, dass Gott so
groß ist, dass er keinen Sohn braucht, der für uns gestorben ist, war ich
von der Wahrheit des Islam angetan. Ich konnte immer nur Jesus als
Propheten akzeptieren und als vorbildlichen Menschen, nicht aber als Sohn
Gottes. Nach weiterem Studium hat mich der Islam überzeugt.
MM: Welche Erfahrungen haben
Sie als selbständige muslimische Unternehmerin?
Madi: Schon als
"christliche Unternehmerin" war es nicht immer einfach, meine hohen
Ansprüche an mich selbst zu erfüllen. Als muslimische Frau und
Unternehmerin ist es in diesem Land erst recht nicht einfach, den von mir
gewählten Weg konsequent zu gehen. Ich muss Zugeständnisse machen, werde
aber von meinen Kunden weitgehend toleriert und kann auch gute Gespräche
führen mit Menschen, die sich sonst nicht so sehr mit Religion
beschäftigen. Ich habe mein Geschäft umgestellt, arbeite alleine
mittlerweile in kleinerem Rahmen, da es mir am wichtigsten ist, auf
Vertrauensbasis für meine Kunden zu arbeiten und nicht um jeden Preis. Das
kann man aber nur für sich selbst verantworten.
MM: Ist es kein
geschäftliches Hindernis eine muslimische Immobilienmaklerin zu sein?
Madi: Es ist manchmal
schwierig für mich, meinen Beruf auszuüben und trotzdem meiner Religion zu
folgen, da es auch weniger tolerante Menschen gibt. Ich gehe immer davon
aus, dass solange ich mich an Recht und Gesetz halte, ich meine Religion
so leben kann, wie ich möchte, was aber eben keineswegs der Fall ist.
Außerdem erfahre ich natürlich täglich Rassismus, Fremdenhass und
Intoleranz, wenn Vermieter z.B. nur an deutsche Mieter vermieten wollen
oder in einem Fall sogar ein Notar einen Kaufvertrag zu verhindern wusste,
weil der Kaufinteressent Afghane war, der Notar in der gleichen Strasse
sein eigenes Haus hatte und meinte, das würde dadurch an Wert verlieren.
Ich stehe da manchmal vor dem Dilemma, dass ich, wie jeder andere auch,
darauf angewiesen bin, Geld zu verdienen. Auf der anderen Seite nicht mit
jedem fremdenfeindlichen Kunden arbeiten möchte. Auch bin ich nicht
bereit, amerikanischen Soldaten Häuser zu vermieten, wie früher. Das hängt
aber auch damit zusammen, dass manche diese in erbärmlichen Zustand
hinterlassen! Aber ich erlebe auch Menschen, die offen sind, von denen man
es gar nicht erwartet hätte. Das entschädigt dann wieder.
MM: Welche Wünsche haben Sie
als Mitverantwortliche des Tages der offenen Tür der ersten Stunde für die
Weiterentwicklung des Tages?
Madi: Für den Tag der
offenen Moschee hatte ich Pläne, die Hilfestellungen für die Moscheen zu
erweitern, Wanderausstellungen vorzubereiten, aktuelle Themen
aufzuarbeiten und Material zur Verfügung zu stellen, oder in diesem Jahr
gezielt Verfassungs- und Staatsschützer zu Gesprächen einzuladen. Leider
hat man darauf nicht reagiert. Ich würde mir wirklich wünschen, dass dies
nicht als Selbstläufer weitergeführt wird, sondern immer neue Impulse
gesetzt würden.
MM: Der Name Ihres
Ehemannes, Fadi Madi, fand den Weg in die Medien vor einigen Monaten
im Zusammenhang mit dem Verbot des ersten Arabisch-Islamischen-Kongresses
in Deutschland ausgehend von einer Initiative des Simon-Wiesenthal-Centers
im Hebst 2004 und der späteren Zwangsausweisung ihres Ehemannes in dem
Zusammenhang. Wann wurden die Behörden eigentlich über den Kongress
informiert?
Madi: Die deutschen Behörden wurden von mir
selbst schon im Mai 2004 über den geplanten Kongress informiert. Dies nicht
wegen meines Mannes, sondern weil ich interessante Erkenntnisse gewonnen
hatte, dass hier in Deutschland Leuten sehr stark daran gelegen war und ist,
Unruhe und Destabilisierung im Irak zu schüren. Diese hatten auch anfangs
meinen Mann versucht für Ihre Zwecke zu benutzen, indem sie seine Ideen über
einen Kongress zur Zusammenführung mehrerer Gruppen, Institutionen und
Bewegungen zu nutzen suchten. Ihnen hat aber dann seine gewünschte
Transparenz nicht gepasst und es kam zum Streit bis hin zu Drohungen. Nach
dem Vorfall wurde auch mir vom Staatsschutz mitgeteilt, dass ich durch meine
offenen Stellungnahmen in Gefahr sei. Da es sich aber bei diesen Leuten
nicht um Muslime handelte, wurde hier wohl nichts weiter unternommen. Aber
daraus ergibt sich auch, dass der Kongress ursprünglich ganz und gar nicht
von Muslimen geplant war und mein Mann eher zufällig als Muslim in
politische Machenschaften geriet.
Nach den ganzen Vorgängen fragte mich der Beamte
auch, was man denn hätte machen sollen, nachdem man von dem allen wusste und
ich antwortete: "Mit meinem Mann sprechen." Auf die Idee war man gar nicht
gekommen, wie er mir bestätigte.
Genau aus diesem Grunde wäre es so wichtig, dass
Moscheen vor Ort mehr Kontakt pflegen und offen mit ihren zuständigen
Beamten umgehen, damit diese sich nicht irgendetwas aus den Fingern saugen
müssen, sondern ihre fälligen Berichte mit tatsächlichen Fakten abgeben können.
Es ist ja nicht erst seit dem jetzt gemeldeten Fall
klar, dass der Verfassungsschutz seit vielen Jahren Spitzel einschleust, um
Informationen zu bekommen. So werden auch Kleinkriminelle, die es ja leider
überall gibt, angeworben, um Informationen gegen Straffreiheit zu tauschen.
Wenn dann der Druck besteht, "etwas liefern zu müssen", kann man sich ja
leicht vorstellen, was dabei herauskommt. Auch hier würde direkter, offener
Kontakt sicher mehr bringen.
Man muss den Staatsbediensteten auch klarmachen, dass wir sehr wohl
bereit sind, zusammenzuarbeiten, aber eben nicht, wie sie es wollen als
Spitzel, sondern als mündige Bürger mit Verantwortungsbewusstsein.
MM: Nach Ihren Angaben wussten die Behörden
also schon mehrere Monate vor dem Simon-Wiesenthal-Center von der geplanten
Veranstaltung. Wie kam es dann dazu, dass im Internet zunächst ein
arabischer und später deutscher Text mit teilweise merkwürdigen
Aufforderungen veröffentlicht wurde?
Madi: Der in der Internetseite verwandte
Aufruf - Einladung zum Kongress - wurde von meinem Mann in arabisch mit der
typisch arabischen Rhetorik formuliert. Die entspricht sicher nicht den hier
gewohnten Gepflogenheiten. Der kulturelle Hintergrund der
Menschen, die täglich mit Terror und Gewalt in ihren Heimatländern und in
den entsprechenden Medien konfrontiert sind, wie hier Libanon, führt auch zu
einer drastischeren Sprache, als wir Westeuropäer dies gewohnt sind, insbesondere
durch die Vorzensur von Bildern und Berichten von Kriegsschauplätzen, damit
uns unser Abendessen bei den Nachrichten noch schmeckt.
Der deutsche bzw. englische Text wurde von einem
Libanesen übersetzt, der zwar gut deutsch spricht, aber hier versucht hat,
wörtlich zu übersetzen, was generell nicht wirklich geht. Anstatt dies besser zu formulieren, hat dieser den
Text so belassen und sich später dann davon distanziert, obwohl er, wie er
mir auch sagte, voll dahinter stand nach anfänglichen Bedenken. Mein Mann
konnte mangels Deutschkenntnissen diesen Text nicht korrigieren und es
fehlte ihm aufgrund seiner mangelnden Kenntnisse unserer Situation hier
auch das Bewusstsein, dass er dadurch Schwierigkeiten bekommen könne. Die
von ihm gewählte Wortwahl ist nunmal in arabischen Ländern gang und gäbe
sowie auch weltweit.
MM: Unter der Ankündigung stand auch eine
Listen von über 100 Personen, die zur Teilnahme angefragt wurden. Fakt war
aber, dass fast niemand zugesagt hatte und letztendlich alle, die etwas in
die Details involviert waren, inklusive dem Berliner Innensenator Körting,
von der Harmlosigkeit der Ankündigung wussten und davon auszugehen war, dass
der Kongress eigentlich gar nicht statt finden konnte. Wir erklären Sie sich
dann das enorme Medienecho?
Madi: Was die angefragten Personen angeht,
so weiß ich nicht genau, wer zugesagt hatte und wer noch nicht oder gar
nicht. Ich weiß aber, dass es eben mit einer Anzahl von Personen Probleme
gab, da sie wie die ursprünglich mitverantwortlichen Organisatoren der
nationalsozialistischen Partei Syriens (die große Eigeninteressen im und am
Irak haben), nicht daran interessiert waren, einen offenen Kongress zu haben
mit Medienpräsenz. Andere Personen des öffentlichen Lebens,
insbesondere Politiker haben sich dann distanziert, als es brenzlig wurde.
Hier hat mein Mann gemerkt, wer wirklich hinter ihm steht und wer ihn nur
benutzt hat um sich zu profilieren oder aus welchen Gründen auch immer. Die
Gründe sind leider sehr vielschichtig. Das politische Wirrwarr um Macht und
Eigeninteressen ist wie ein Wespenhaufen in den man sticht.
Es kam Anfang September bereits zu Schwierigkeiten,
den Zeitplan und somit den Kongress tatsächlich termingerecht durchführen zu
können, da einige der Mitverantwortlichen ihre Hausaufgaben und
Vorbereitungen für den Kongress nicht erfüllt hatten und es letztlich an
einigen wenigen hängen blieb, die sich darüber hinaus auch nicht mal einig
waren. So ist es halt leider unter manchen Arabern und oft leider auch unter
Muslimen. Jeder will das Sagen haben, aber nicht die Kleinarbeit machen.
MM: Das kann man wohl sicher nicht
verallgemeinern. Warum haben die Organisatoren nie
ernsthaften Kontakt zu den etablierten einheimischen arabischen und/oder
islamischen Gruppen gesucht?
Madi: Was meinen Mann angeht, so hat er
generell nicht viel Kontakt zu anderen Arabern und/oder Muslimen gehabt. Zum
einen lebt er seinen Islam nicht nach außen, des weiteren war er in den
letzten Jahren sehr viel international tätig und viel unterwegs. Daher
spricht er auch noch wenig Deutsch. Es war schlichtweg keine Zeit für ihn,
mehr Kontakte zu knüpfen. Dafür war aber eigentlich wohl eine andere Person
zuständig, der ja meines Wissens arabisch-islamische Gruppen in Berlin
koordiniert. Aber auch er hat dies wohl unterlassen.
MM: Warum sind die ursprünglichen
Organisatoren abgesprungen, so dass am Ende nur noch die Namen von drei sehr
bunt zusammen gemischten Einzelpersonen für den Kongress gerade zu stehen
hatten?
Madi: Wie oben schon erwähnt, hatten sich
diejenigen zurückgezogen, die eigentlich ganz andere, eigennützige
Interessen hatten und so blieben nur drei übrig, davon zwei, die letztlich
dann auch nicht mehr dafür gerade stehen wollten. Mein Mann selbst erfuhr
von den ganzen Problemen erst auf dem Flughafen bei seiner Rückkehr von
einer Pressekonferenz in Beirut von allem und wurde davon absolut
überrascht. Die anderen hatten es noch nicht einmal für nötig empfunden, ihn
darüber zu informieren, bzw. dies vielleicht aus anderen Gründen nicht
getan. Er kam im übrigen zwei Tage später als erwartet, da er mit
Herzproblemen in Beirut ins Krankenhaus musste.
MM: Was wissen Sie von der Ausweisung Ihres
Mannes?
Madi: Die Ausweisung entbehrt laut
Rechtsanwalt jeder Grundlage. Hier gibt es eine Presseerklärung und man hat
meinem Mann einen Rechtsanwalt, der bereitstand auf dem Flughafen,
verweigert. Er wurde sehr schlecht behandelt, was aber in
solchen Fällen ja leider normal ist. Erniedrigende, entwürdigende Handlungen
sind ja leider an der Tagesordnung. Er war sehr aufgeregt und brauchte
mehrfach einen Arzt. Den hat man ihm zugestanden. Dass die Rückführung auch
gesundheitlich für ihn extrem gefährlich war, wurde ebenfalls nicht
berücksichtigt. Es gibt sehr üble weitere Details. Es ist aber auf Grund des
laufenden Verfahrens schlecht, darüber zu reden, auch weil er dafür ja keine
Zeugen hat.
MM: Inzwischen sind alle Ermittlungen gegen
Ihren Mann eingestellt. Wann kommt ihr Mann wieder zurück nach Deutschland?
Madi: Die Klage gegen die Abschiebung und
Antrag auf Wiedereinreise läuft. Es wurde auch ein Eilverfahren beantragt,
da man ihn ja seiner beruflichen Existenz beraubt hat, seine ganzen Sachen
irgendwo in Deutschland herumliegen, er seine Unterlagen nicht hat für seine
berufliche Tätigkeit und weil auch wir wieder versuchen wollen, gemeinsam zu
leben. Das setzt aber ein Gespräch zumindest voraus. Derzeit verweigert man
ihm noch die Einreise und ist am Prüfen. Das Verfahren selbst kann
üblicherweise Jahre dauern.
MM: Bei allem Unrecht, das ihm angetan
wurde, was meinen Sie, hat er selbst von der ganzen Aktion gelernt, dass
auch er letztendlich Opfer von Gegnern wurde, die seine Fehler ausgenutzt
haben, wobei er es ihnen nicht schwer gemacht hat?
Madi: Ja ich denke, er hat gelernt, dass er
nicht jedem vertrauen kann und dass viele aus Eigennützigkeit oder
schlimmeren Gründen hier aktiv sind. Er selbst will den Menschen helfen und
vergisst sich dabei oft selbst. Er hat nicht genug berücksichtigt, dass er
sich mit seinem Umfeld auseinandersetzen muss und sich nicht auf andere
verlassen darf. Er hat insbesondere sehr blauäugig geglaubt, dass wir hier
in einer Demokratie mit freier Meinungsäußerung und einem Rechtsstaat leben
und das auch immer sehr honoriert. Das war für ihn auch Motivation, den
Kongress in Berlin durchzuführen. Er hat ja geglaubt, er würde etwas im
Sinne von Dialog und Miteinander organisieren und die deutschen Politiker
würden dies honorieren.
Nicht nur er denkt ja, dass dieses Land und Europa
etwas Wunderbares zu bieten hat, was viele Fremden aus ihren
Herkunftsländern nicht kennen. Für mich ist deshalb die ganze Diskussion um
Anerkennung des Grundgesetzes und der Verfassung schwer zu verstehen.
Sicher gibt es überall schwarze Schafe, die einen
Rechtsstaat ausnutzen. Das sind die Mängel der Demokratie, mit denen man
aber leben muss, wenn man die Demokratie nicht verkaufen möchte. Unser
Rechtsstaat ist etwas Wichtiges und das wissen auch die Menschen gerade die, die
unter anderen Regimen leiden mussten. Sie nehmen dies sogar bewusster wahr
als wir, die wir darin so selbstverständlich aufgewachsen sind. Vielleicht
sollten wir Einheimische eher einen Eid auf die Verfassung ablegen, die uns
oft gar nicht bekannt und bewusst ist.
MM: Welche Auswirkungen hatte der ganze
Stress auf Sie und Ihr Leben?
Madi: Eigentlich müsste ich Herrn Schily
wegen seinem Hang nach Selbstdarstellung dankbar sein. Wir hatten persönlich
große Probleme, mein Mann und ich, da er, wie viele andere auch, hier in
Deutschland mit seiner Situation und den dauernden Schwierigkeiten und
Anfeindungen nur schwer zurecht kam. Insbesondere auch beruflich als
international tätiger Finanzmakler und Vermittler, aus USA kommend, waren
seine beruflichen Möglichkeiten nach dem 11.September komplett auf Eis
gelegt. Das verkraftet man nur schwer und dies führte zu den Problemen.
Jetzt, wo ich gemerkt habe, dass mir unsere Ehe und auch er doch sehr
wichtig sind und wir wieder zusammenkommen wollen, ist die derzeitige
Situation und die Versuche uns dies zu erschweren sehr schlimm. Auch haben
natürlich viele Leute die ganze Sache durch die Medien mitbekommen, was mir
beruflich schon sehr geschadet hat und man auch wieder versucht mich unter
Druck zu setzen, weil man meinen Schritt nicht versteht.
Als Selbständige ist es ohnehin schwer sich derzeit
über Wasser zu halten. Mit einem ausländischen Namen macht mir dies schon
seit meiner Eheschließung zu schaffen in jeder Beziehung bei Banken, Kunden
und leider auch bei früheren Freunden. Jetzt nach diesen Vorkommnissen haben
sich einige Muslime von mir zurückgezogen, da sie keinen Kontakt mit mir
mehr haben wollen, wenn ich mich nicht von meinem Mann distanziere, der
nichts anders tut als sich für Muslime in Palästina und Irak einzusetzen.
Aber ich denke, auf die kann man auch ganz gut verzichten. Es ist nur
enttäuschend und erschreckend, wie weit wir in Deutschland schon gekommen
sind. Aber, jedes Leid, jeder Stress hat eben auch sein Gutes. Inschaallah
wird unser weiteres gemeinsames Leben gelingen, wenn wir es dann endlich
weiterführen dürfen und mein Glaube ist dadurch nur stärker geworden.
MM: Frau Madi, wir danken für das Interview
und wünschen Ihnen eine gesegnete Wiedervereinigung. |