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Neulich nach der Nikolaus-Integration

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Von Yavuz Özoguz am 10. Dezember 2009 09:54:12:

Neulich nach der Nikolaus-Integration

Am Montag nach Nikolaus (der. 6. Dezember fiel dieses Jahr auf einen Sonntag) kam ich ins Büro und fand im Flur einige dieser Schokoladenmännchen in rot-weißem Glitzerpaper eingepackt, die zu Ostern auch als Hasen verteilt werden. Als ich mittags in die Mensa ging, um mein vegetarisches Essen zu holen, gab es noch einen Glitzerschokomann als Geschenk. Alle Schenkenden waren wirklich guten Herzens und wollten die Tradition aufrecht erhalten, aber kaum jemand wusste, worum es bei jener Tradition eigentlich ging.

Muslime sollen – wie bekannt – in die Gesellschaft “integriert“ werden. Gerade einen Tag nach Nikolaus habe ich mich das mehr denn je gefragt, was damit gemeint ist. Ja, wir hatten tags zuvor einige Süßigkeiten, falls ein Kind an der Tür geklingelt hätte. Aber es werden immer weniger Kinder, die das tun. Und ein Gedicht können die auch nicht mehr aufsagen. Bestenfalls sagen sie: „Süßes oder saures!“ Aber das hat bekanntlich wenig mit dem Nikolaus zu tun. Es ist viel mehr die Integration eines kapitalistischen Feiertages in die angeblich christlich geprägte Gesellschaft. Wie viele ältere Bürger haben wohl an jenem Sonntag sehnsüchtig darauf gewartet, dass doch irgend ein kleiner Bub oder Mädel an der Tür klingelt und ein Weihnachtsgedicht aufsagt, um sie dann zu beschenken? Stattdessen gab es Schokolade in Bürogebäuden und in der Mensa von den jeweiligen Verwaltungen an die Erwachsenen. Aber kaum ein Mensch weiß, was es eigentlich mit jenem Nikolaus auf sich hat. Wie sollen Muslime in eine Gesellschaft integriert werden, wenn es christliche Feier- und Gedenktage gibt, deren Bedeutung kaum jemand den Muslimen erklären kann?

Eine historische Person namens Nikolaus, auf den der 6. Dezember zurück zu führen sei, hat es schließlich einstmals gegeben, den Heiligen Nikolaus von Myra. Zwar sind die meisten Geschichten über ihn Legende, aber er hat im 3. Jahrhundert nach Christi tatsächlich gelebt. Er war bereits mit 19 Jahren Priester und hat am eigenen Leib als Opfer der Christenverfolgung einiges Leid miterlebt. Als Sohn reicher Eltern soll er sein ererbtes Vermögen unter den Armen verteilt haben, was der Hauptgrund für seine Ehrung ist. Wäre das nicht ein integrativer Ansatz für Muslime? Die Reichen sollen ihr Vermögen den Armen zur Verfügung stellen, damit mehr soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft herrscht. Ist es da nicht fast schon Blasphemie oder zumindest Heiligenverachtung, wenn auch in den Banken Nikolausschokolade verteilt wird? Aber wen sollte das stören, wenn niemand weiß, wessen gedacht wird?

Ein bedeutsames Ereignis im Leben des Nikolaus dürfte seine Teilnahme am Konzil von Nizäa gewesen sein. Aber wer weiß heute schon noch in der christlich-jüdisch geprägten Gesellschaft, was das Konzil von Nizäa war? Die Bild-Zeitung berichtet nicht darüber. Und bei dem Konzil hat jener Nikolaus – äußerst unchristlich – einen anderen Geistlichen namens Arius geohrfeigt!

Arius vertrat eine Lehre, die ein Muslim sehr gut verstehen könnte. Er behauptete, dass der Sohn und der Vater nicht wesensgleich seien, sondern der Sohn ein Geschöpf des Vaters sei, so dass es eine Zeit gegeben habe, als der Sohn nicht existierte. Arius vertrat die Lehre, dass es nur einen wahren Gott gebe und dass Jesus, der Sohn der Heiligen Maria, ein besonders ausgezeichnetes Geschöpf sei. Wäre das nicht ein wunderbarer Ansatz, um Muslime in die christlich-jüdische Gesellschaft zu integrieren? Welcher Muslim könnte Arius Aussage widersprechen, eine immerhin im zweiten Jahrhundert der Christenheit durchaus verbreitete Ansicht unter Christen, aber es gab auch die Gegenansicht. Jener Streit unter den Christen führte nahezu zur Spaltung der Christenheit und daher berief Kaiser Konstantin das erste Konzil von Nicäa 325 ein, wo die Lehre des Arius von der Mehrheit der Bischöfe als häretisch verurteilt wurde. Vielmehr stellten sie fest, dass Vater und Sohn gleichen Wesens seien. Arius selbst wurde verbannt und später vergiftet.

Nun hatte ausgerechnet der Heilige Nikolaus jenen Arius beim Konzil von Nizäa geohrfeigt! Wer jetzt aber denkt, dass der Disput zwischen Nikolaus und Arius aufgrund der Wesensgleichheitstheorie gewesen wäre, der irrt sich. Neben Arius hat auch Nikolaus das Schlussdokument des Konzils von Nizäa nicht unterschrieben! Heutige Chronisten “retten“ das Ansehen von Nikolaus damit, dass sie behaupten, die Unterschriftenliste sei nicht vollständig überliefert. Es liegt aber nahe, dass Nikolaus jene Erklärung tatsächlich nicht unterschrieben hat (einmal abgesehen davon, dass überzeugte Christen sich nicht von einem weltlichen Gewaltherrscher zusammentrommeln lassen). Denn Nikolaus vertrat die Thesen von Marcellus von Ancyra, der ebenfalls bei jenem Konzil anwesend war. Marcellus von Ancyra wurde 336 wegen seiner Thesen als Ketzer verdammt. Zweifelsohne stand auch er der Dreifaltigkeitstheorie kritisch gegenüber!

Am 6. Dezember gedenken wir in Deutschland also einer Person, die beim Konzil von Nizäa, in der erstmalig die Dreieinigkeitsdoktrin unter Schirmherrschaft der weltlichen Gewaltherrscher festgelegt wurde, eine Gegenposition vertreten hat und zudem dafür bekannt ist, dass er seinen Reichtum an Arme verschenkt hat. Wäre das nicht ein sensationeller Ansatz zur “Integration“ von Muslimen in die Gesellschaft? Müsste man nicht den Nikolaustag zum Tag der Verbrüderung von Christen und Muslimen erklären?

Jedoch hätte das zur Voraussetzung, dass Christen wissen, um was es am Nikolaustag geht. Ist das aber überhaupt erwünscht? Wollen die kapitalistischen Machthaber, die im Wachstumswahn sämtliche christlichen Werte mit Füßen treten, überhaupt, dass die christlich-jüdische geprägte Gesellschaft weiß, was für Feiertage sie begeht? Ist es erwünscht, dass Christen zu Weihnachten daran denken, wer da geboren ist, und wie er geboren ist, und wo er geboren ist? Jemand könnte auf die “dumme“ Idee kommen nachzufragen, wie es seinem Geburtsort heute geht? Und sollen Christen z.B. wirklich am Aschermittwoch darüber nachdenken, dass nicht die Ehebruchsaison beendet, sondern die Fastenzeit der Christen eingeläutet wird? Überhaupt, wer weiß denn noch, dass die Fastenzeit kein Monopol der Muslime ist. Laden Christen ihre muslimischen Mitbürger in der Fastenzeit zum gemeinsamen Fastenabendbrot ein? Wäre das nicht ein schöner Ansatz zur Integration? Stellt sich nur die Frage, wer da wen in was integriert? Ist es nicht eher so, dass Muslime in Deutschland eine Chance für Christen sind, sich in ihre eigene Religion zu integrieren.

Auch zu Pfingsten könnte man gemeinsam über den Heiligen Geist sprechen, kommt doch der Begriff explizit im Heiligen Qur´an vor. Wäre das nicht ein wunderbarer Ansatz zur Integration? Dazu müssten Christen aber zunächst wissen, was Pfingsten ist.

Zurück zu Weihnachten. Es mag in Deutschland, Österreich und der Schweiz merkwürdig anmuten, aber Jesus und Maria waren tatsächlich keine Deutschen; nicht einmal Europäer! Gemäß biblischer Geschichte waren sie zudem “Migranten“. Ein in allen Kirchen verehrter Migrant, wäre das nicht ein Ansatz zur “Integration“. Dazu müssten Christen aber die Geschichte zu Weihnachten kennen, auch mit aktuellem Bezug. Doch die meisten kennen nur den Konsumrausch, ohne zu wissen, was Jesus einstmals mit den Händlern im Tempel gemacht hat. Sie müssten wissen, was es mit dem Weihnachtsbaum, diesem modernen Götzen der Geschenkausspuckmentalität auf sich hat, denn dort, wo Jesus gelebt hat, gab es keine solchen Bäume. Sie müssten wissen, warum (und wann) ein Weihnachtsmann erfunden wurde und wie jene merkwürdige Gestalt im Bekanntheitsgrad sogar Jesus und Maria verdrängen konnte. Warum fragt man Kinder eigentlich „Glaubst Du an den Weihnachtsmann“ und bringt ihm nicht den wahren Glauben bei? Wäre hier nicht ein wunderbarer Ansatz dafür gegeben, Muslime zu integrieren? Schließlich kennen praktizierende Muslime die Geschichte Marias und Jesu, selbst wenn sie sich in einigen Details unterscheidet vom Christentum. Sie ist aber immer noch “christlicher“ als das, was man z.Z. aus dem Advent gemacht hat.

Was viele Zwangsassimilierer vergessen haben (oder nie wussten), ist die Tatsache, das gerade der Advent eine der besten Voraussetzungen für “Integration“ birgt. Advent – vom Latainischen “adventus“, was “Ankunft“ heißt – bezeichnet die Jahreszeit, in der sich die Christenheit sich auf die “Ankunft“ des Erlösers vorbereitet. Warten wir nicht alle gemeinsam auf einen Erlöser? Zudem warten Muslime neben ihrem Erlöser Mahdi, auch auf die Rückkehr Jesu. Wäre die Adventszeit nicht eine wunderbare Gelegenheit zur Verbrüderung in der konstruktiven Erwartung? Aber Advent in Deutschland ist nur noch eine andere Bezeichnung für verkaufsoffene Wochenenden mit Glühwein in der Innenstatt. Sehr “besinnlich“ wirkt die Atmosphäre mit den Lichterketten und dem Kerzenduft, aber was ist eigentlich der Inhalt der “Besinnung“ außer dem Kaufrausch?

Muslime können sich hervorragend in eine christliche Gesellschaft integrieren! Und überzeugte Christen werden praktizierende Muslime niemals als Bedrohung empfinden, sind doch die Gemeinsamkeiten viel größer, als das zweifelsohne bestehende Trennende. Aber eine Gesellschaft, die im missbrauchtem Namen des Christentums den Bullen und Bären frönt, sich vor Freiheitsstatuen verneigt und vor der Macht der Mächtigen niederwirft, eine Gesellschaft, in der die “Selbst“verwirklichung über dem Gemeinwohl steht, solch eine Gesellschaft wird Muslime stets als Bedrohung empfinden, da jene Muslime an ihr christlich-jüdisches Erbe erinnern und den Götzendienst ablehnen.

So esse ich nach meiner Mittagspause jenen Schokoladen-Nikolaus, der auch ein Osterhase sein könnte, denke über diese heilige Zeit der Christenheit nach, und bin traurig über das, was man mit den Christen macht. Meine Gedanken kreisen um die Integration. Und ich komme zu dem Schluss, dass es die praktizierenden Muslime im Land sind, die den verbliebenen Christen die Chance geben, sich zu integrieren. Aber wer würde mir das glauben?

Ich wünsche allen Christen eine gesegnete Adventszeit und eine echte Annäherung an Jesus und Maria. Möglicherweise kann das Kopftuch auf der Straße sie ja an die Heilige Maria erinnern. Und dann bitte ich in aller Höflichkeit: Bitte denken Sie einmal darüber nach, wer und warum jenes Kopftuch herunterreißen will; nicht nur von der Muslima, sondern auch von Maria.



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