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Muslime und Christen können gemeinsam Berge versetzen

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Von Yavuz Özoguz am 31. Oktober 2009 13:04:15:

Muslime und Christen können gemeinsam Berge versetzen

Während in der Politik und bei deren Hofjournalisten sehr viele Anstrengungen zu verzeichnen sind, um Muslime und Christen gegeneinander auszuspielen, ist vielen gar nicht bewusst, dass praktizierende Muslime und Christen auch zusammen eine Minderheit in Deutschland bilden. Sie könnten aber Alternativen aufzeigen, von denen die Politik nichts wissen will.

Es sind nicht nur die allgemeinen Grundsätze der Nächstenliebe und Demut, welche die Religionen in die Wertedebatten der Gesellschaft beisteuern können. Eine jüngste Anti-Zins-Initiative unter Christen verdeutlicht, wie sich praktizierende Christen und Muslime ergänzen könnten, wenn sie nur mehr voneinander wüssten und sich nicht ständig gegeneinander ausspielen ließen. Denn auch theologisch wäre eine Annäherung möglich; was sowohl Christen als auch Muslimen angesichts des nie differenziert betrachteten Sohnschafts-Dogmas im Christentum unmöglich erscheint. Aber eine genaue Betrachtung könnte den Unterschied so gering erscheinen lassen, dass jeder Gläubige, sei er Christ oder Muslim, erkennt, dass die Unterschiede zu einer gottlosen Politik erheblich größer sind.

Es gibt parallele Geschichten im Heiligen Qur´an und in den Evangelien, deren Parallelität von vielen übersehen wurde. Die Geschichten handeln von einem Berg. Im Heiligen Qur´an (7:143) heißt es dazu:

„Als Mose zu unserem Termin kam und sein Herr zu ihm sprach, sagte er: »Mein Herr, zeige (Dich) mir, dass ich zu Dir schaue.« Er sprach: »Du wirst Mich nicht sehen. Aber schau zu dem Berg. Wenn er an seiner Stelle festbleibt, wirst du Mich sehen.« Als sein Herr sich vor dem Berg enthüllte, machte Er ihn zu Staub, und Mose fiel zu Boden wie vom Blitz getroffen. Als er aufwachte, sagte er: »Preis sei Dir! Ich wende mich Dir zu, und ich bin der erste der Gläubigen.«“

Imam Chomeini hat zu jener Darstellung eine sehr tiefgreifende Interpretation gegeben: Der Berg ist das “Ich“ des Menschen. Wenn jenes ich Gott “sieht“, löst es sich auf. Wenn der Mensch sich so weit entwickelt hat, sich so weit geläutert hat, dass er Gott “schauen“ kann, obwohl Augen ihn nicht zu sehen vermögen, dann verschmilzt sein “Ich“ in Gott. Der große Prophet Moses hatte jene hohe Stufe des Daseins erreicht. Gott “zeigte“ sich seinem “Ich“ und es hat sich in Gott aufgelöst. Daher findet sich Moses in der erhabensten Körperstellung wieder, der Niederwerfung. „Wir sind Allas, und zu ihm ist die Heimkehr“ (Heiliger Qur´an 2:156).

Imam Chomeini geht an anderer Stelle einen Schritt weiter und sagt: „Es gibt keinen Unterschied zwischen den Ahl-ul-Bait und Gott, außer dass Letztere Sklaven (Diener Geschöpfe) sind“. Die Ahl-ul-Bait sind auserwählte Personen im Islam, deren bekannte Vertreter Prophet Muhammad und seine Tochter Fatima sind. „Es gibt keinen Unterschied“ ist der Grund dafür, dass jeder Atemzug des Propheten als Vorbildhaft betrachtet wird. In einem weitergehenden Sinn betrifft jene Aussage auch alle vorhergehenden Propheten. Sie alle waren Menschen, die Gottes Geist in sich “gelebt“ haben.

Manche – bewusst oder unbewusst – wahhabitisch orientierte Muslime weigern sich über solche Gleichnisse nachzudenken. Sie behaupten, dass vor Moses irgendein Berg zusammengebrochen sei; Schluss, Aus, Ende. Jegliche weitere Interpretation und jegliches weitere Nachdenken über solche Verse stünde dem Menschen nicht zu. Derartige Fanatiker, die es in allen Religionen gibt, sind so verblendet, dass sie nicht einmal die eigenen unmissverständliche Aufforderung des Heiligen Qur´an zum Nachdenken übersehen: “Hätten Wir diesen Koran auf einen Berg hinabgesandt, du hättest gesehen, wie er aus Furcht vor Gott demütig innehält und sich spaltet. Diese Gleichnisse führen Wir den Menschen an, auf dass sie nachdenken. (Heiliger Qur´an 59:21)“

Manche Muslime und Christen haben zudem die Vorstellung, dass “Menschsein“ ein Synonym sei für “fehlbehaftet sein“. Aber Menschsein ist ein Synonym für “auserwählter Gottes, um Gottes Vertreter auf Erden sein zu können“. Der Mensch ist mit allen Merkmalen und Fähigkeiten ausgestattet, diese erhabene und große Aufgabe zu erfüllen. Dazu zählt auch die Freiheit, die ihm erst ermöglicht, die höchste Stufe der Gottesliebe empfangen zu können.

Im Heiligen Qur´an (2:62-63) ist das u.a. religionsübergreifend an folgender Stelle ausgedrückt: „Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Christen und die Säbier, all die, die an Allah und den Jüngsten Tag glauben und Gutes tun, erhalten ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein. Und als Wir eure Verpflichtung entgegennahmen und über euch den Berg emporhoben: »Nehmt, was Wir euch zukommen ließen, mit aller Kraft und gedenket dessen, was darin steht, auf dass ihr gottesfürchtig seid.«“

Es war die Verpflichtung, Gott zu dienen – obwohl Er keines Dieners bedarf – und der Berg des “Ich“ wurde uns gegeben wurde, um es zu überwinden und im “Wir“ aufzugehen. Das “Wir“ hat dabei unterschiedliche Stufen. Es beginnt mit dem “Wir“ der Ehe zwischen Mann und Frau und geht über das “Wir“ der Familie, der Nachbarschaft, der Kommune, des Landes, der Menschheit, der gesamten Schöpfung und letztendlich zum “Wir“ mit Gott. Gott ist aber absolut, so dass jenes “Wir“ nur möglich ist, wenn wir unser “Ich“ aufgeben.

Ein Sohn Noahs glaubte in seinem “selbst“ einen Schutz vor den Sintflut finden zu können (Heiliger Qur´an 11:43): „Er sagte: »Ich werde Unterkunft finden auf einem Berg, der mich vor dem Wasser schützt.« Er sagte: »Es gibt heute niemanden, der vor dem Befehl Allahs schützen könnte, außer für den, dessen Er sich erbarmt.« Die Woge trennte sie beide, und so war er einer von denen, die ertränkt wurden.“ Die Aussage “sie beide“ wird oft interpretiert als Noah und sein Sohn, die voneinander getrennt wurden. Es könnte aber auch der Geist Gottes im Herzen eines jeden Menschen und sein “Ich“ sein, die zwangläufig eines Tages voneinander getrennt werden, außer das Ich verschmilzt im Geist Gottes.

Dabei ist das Ende aller “Ichs“, die nicht in Gott aufgehen, sehr klar vorgezeichnet: „Und sie fragen dich nach den Bergen. Sprich: Mein Herr wird sie in den Wind streuen“ (Heiliger Qur´an 20:105).

Nicht minder eindeutig ist die Darstellung des Berges “Ich“ in den Evangelien: „Und der Teufel führte ihn (Jesus) auf einen hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der ganzen Welt in einem Augenblick“ (Lukas 4,5). Zweifelsohne wird der Teufel nicht Gott irgendein Reich von irgendeiner Anhöhe aus zeigen wollen. Er zeigte Jesus das “Ich“, dass jener von Gottes Geist durchdrungener Mensch aber nicht annahm!

Im allgemeinen Sprachgebrauch einer Sprache nisten sich im Laufe ihrer Entwicklung Sprichworte ein, die zwar jeder verwendet, deren Ursprung aber nicht jedem bekannt ist. Solch ein Sprichwort ist dasjenige des „Berge versetzen“. Es entstammt dem Evangelium Markus (11:23) und ist eine Aussage Jesu: „Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Hebe dich und wirf dich ins Meer! und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass es geschehen würde, was er sagt, so wird's ihm geschehen, was er sagt.“

Noch deutlicher wird es bei Matthäus 17,20: „Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Um eures Unglaubens willen. Denn wahrlich ich sage euch: So ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.“ Die Berge zu versetzen kommt auch im Heiligen Qur´an mehrfach vor (z.B. 13:31, 18:47, 81:3).

Das eigene “Ich“ zu ändern ist das Ziel des Daseins des Menschen. Er ist erschaffen als Liebesempfänger Gottes. Um die höchste Stufe der Liebe zu empfangen ist ihm einerseits die Freiheit und damit das “Ich“ gegeben, anderseits die Rechtleitung durch alle Gottesgesandten, die seine Gebrauchsanweisung zum besten Liebensempfang sind. Wenn er nun sein “Ich“ überwindet, dann wird er zum Vertreter Gottes auf Erden. Die großen Propheten haben es vorgelebt. Jesus und Muhammad waren nicht nur Sprachrohre Gottes, jeder ihrer Atemzüge erfolgte im Namen Gottes und als sie ihr Leben ausgehaucht haben, erfolgte es ebenfalls im Namen Gottes.

Dieser Kampf – der große Dschihad – gegen das eigene “Ich“ ist der größte und mächtigste Kampf auf Erden. Er wird von jedem Menschen in seinem eigene Herz geführt, um die Herzkammer “Ich“ mit der Herzkammer “Geist Gottes“ verschmelzen zu lassen. Verschiedene Kämpfer auf diesem Weg können sich gegenseitig unterstützen. Und entscheidender Aspekt bei dieser gegenseitigen Unterstützung ist die Liebe, die Liebe zu Gott, die sich in der Liebe zu seiner Schöpfung um Seiner Willen widerspiegelt. Jesus sagt: „Und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Und Muhammad spricht die Worte Gottes aus dem Heiligen Qur´an (19:96): „Denen, die glauben und die guten Werke tun, wird der Erbarmer Liebe bereiten“.

Die obendargestellte theologische Nähe zwischen Muslimen und Christen ist vielen Anhängern beider Religionen nicht bewusst bzw. bekannt. Der Heilige Qur´an geht aber noch einen Schritt weiter und behauptet, das diejenigen, die den muslimischen Gläubigen in Liebe am nächsten stehen jene seien, die Christen sind (vgl. 5:82). Diese Feststellung scheint den Erfahrungen vieler Muslime in Deutschland zu widersprechen. Die Ursache für den Widerspruch liegt aber weder im Heiligen Qur´an noch im Christentum begründet, sondern in der Fehlvorstellung vieler Muslime, was denn Christen seien. Tatsächlich darf man jene Christen, die im Heiligen Qur´an beschrieben sind, weder in irgendeiner europäischen noch anderen westlichen Regierung suchen. Man darf sie nicht einmal in vielen der Kirchen suchen. Was hat eine Kirche mit Jesus zu tun, die Homosexuelle kirchlich traut? Was eine Kirche mit Jesus zu tun, die Soldaten segnet, welche in Kampfeinsätzen in fernen Ländern Zivilsten ermorden. Was hat eine Kirche mit Jesus zu tun, die den Kapitalismus stützt, das Zinswesen hinnimmt und zu Guantanamo schweigt? Ähnliche Hofgeistliche gibt es in allen Religionen. Sie bilden eine Einheit mit Hofjournalisten.

Gläubige aller Religionen, die vor allem einen Kampf gegen das eigene “Ich“ führen, um die Liebe zur Wahrheit leben zu können, wissen, dass sie Sonne auch dann aufgehen wird, wenn der Hahn nicht mehr kräht. Sie wissen, dass die Gräber voll sind mit Menschen, die sich für unentbehrlich hielten. Und sie wissen, dass das Leben heilig ist! Etwas Heiliges tastet man nicht so leichfertig an, wie es heutige Politiker und ihre Hofjournalisten tun!

Der intensive Dialog zwischen Christen und Muslimen könnte eine wertvolle Bereicherung für die gottesehrfürchtigen Menschen auf beiden Seiten sein, daher ist es nachlässig, jenen Dialog irgendwelchen Funktionären zu überlassen. Er sollte von “unten“ stattfinden, auf Basis der Liebe. Und gemeinsam können wir dazu beitragen, dass Begriff wie z.B. “Demut“ und “Gottesehrfurcht“ wieder Einzug halten in eine Sprache, aus der sie verbannt wurden. Darin könnte die Lösung vieler Probleme unsere Zeit liegen.



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