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Wenn das Vorbild zur Liebe geht

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Von Yavuz Özoguz am 20. August 2011 14:51:35:

Wenn das Vorbild zur Liebe geht

Ein Liebender aus einer fernen Zeit erzählt:

Wie ist es, wenn man sein Vorbild verliert? Schmerzt es nicht im Herzen, tränen nicht die Augen voller Liebe. Der so vertraute Mensch wird schon bald nicht mehr da sein! Und ich bin noch hier, hier allein ohne mein Vorbild, der mich verlassen wird. Wohin wird er gehen? Warum will der Schöpfer ihn von mir nehmen? Mein Herz könnte platzen vor Trauer, es schlägt schneller, wenn ich nur daran denke. Wohin gehst du, oh mein geliebtes Vorbild? Warum willst Du mich verlassen?

Mein Vorbild antwortet, er will es mir erklären, aber meine Ohren sind taub, ich höre nicht die wunderbaren Worte, die er mir erklärt. Die Ohren der Begrenztheit und Leiblichkeit sind nicht fähig, diese Worte aufzunehmen, zu groß ist der Inhalt jener Worte und zu klein die Aufnahmefähigkeit jener Ohrmuschel. Nur das unvorstellbare Ausmaß der Gnade und Liebe der Pracht aller Macht und Schönheit aller Schönheit, gewährt mir einen Einblick in die Worte meines Vorbildes. Ich höre Worte aber nicht mit den Ohren, nur das Herz kann sie hören, obwohl es so verkrustet ist mit meinen Sünden:

„Lieber Freund, ich liebe Dich, aber es gibt Menschen, die ich mehr lieben durfte als Dich! Und auch Du liebst diese Menschen mehr als mich. Erinnerst Du Dich an das Licht unter uns, der die Flamme der Liebe in alle Herzen getragen hat? Erinnerst Du Dich daran, wie er unter uns wandelte? Sein Erscheinen war Duft, seine Augen waren Balsam für jeden, den er mit seiner Güte angesehen hat, seine Hand war Verkörperung aller Guten Taten, seine Beine haben stets den richtigen Weg gewählt, jedes seiner Barthaare war Heilung für jeden, der sie berühren dürfte, sein Atem war der Atem allen Seins! Ohne ihn hätte der Rest der Schöpfung keinen Sinn gehabt. Er ist die Gnade für alle Welten.

Und erinnerst Du Dich an seine schmerzhaften Tage in der Wüste, in der er mit so vielen Getreuen hungern musste. Im Monat Ramadan verlor er zunächst seinen geliebten Onkel, meinen Vater, und dann seine Geliebte Ehefrau, den Spiegel seiner Schönheit! Erinnerst Du Dich an den Schmerz in seinen Augen? Wäre er nicht so gerne mit ihnen gegangen? Aber er ist geblieben, denn es gab Einen, den er mehr liebte als alles andere und Ihm zu dienen war ihm lieber als all der Schmerz, den er durch diesen Verlust spürte. War nicht der Schmerz in seinem Herzen ein Spiegelbild der unaufhörlichen Liebe, die er verspürte? Erinnerst Du Dich, wie er so viele schwere Tage sein Leben lang ertragen musste? Hat er nicht das Leid Adams, Noahs, Moses, Abrahams, Josefs, Davids, Jesu und aller Propheten ertragen und noch viel mehr? Und er hat ihnen allen Frieden gewünscht. Erinnerst Du dich an diesen Menschen? Jeder Grashalm, jeder Sandkorn, der die Gnade seines Fußdruckes spüren durfte oder auch nur in die entfernteste Nähe seines Hauchs spüren durfte, grüßte ihn. Ich habe von der Quelle aller Liebe die Gnade erhalten, das erste Gebet der Schönheit mit ihm und seiner geliebten Frau zusammen beten zu dürfen. Ich hatte die Gnade, in seinem Bett liegen zu dürfen, um mich für ihn aufzuopfern! Wie gerne wäre ich in jenem Bett Märtyrer geworden, aber die Zeit war noch nicht reif. Als so viele seiner Gefährten ihn im Stich gelassen haben, durfte ich ihn schützen, welch eine Gnade, die mir gewährt wurde – gepriesen ist Gott der Erhabene und Großartige.

Mein so geliebtes Vorbild hat mich sein Leben lang so reichlich beschenkt! In Gottes Namen hat er mir die wertvollste Frau aller Zeiten anvertraut. Mein Haus wurde bereichert, wie kein anderes Haus der Erde jemals bereichert werden kann. Die überlaufende Liebesquelle floss aus seinem Haus in mein Haus, unsere Häuser wurden verbunden, meine Seele durfte seine Seele spüren. In der Verbrüderung mit ihm teilte er alles, was ihm anvertraut war mit mir!

Und doch, eines Tages musste mein lieber Freund und Vorbild gehen. Er wusste, dass seine Zeit zur Vervollkommnung gekommen ist und er hat den Engel gerufen, der ihn in die Gemächer der Pracht und Schönheit getragen hat. Er ist gegangen, und ich bin zurück geblieben. Wie gerne hätte ich geweint. So viele Tränen füllten mein Herz, dass ich ihn damit hätte waschen können, aber wie könnte man jemanden waschen, der ohnehin rein ist? Der Schmerz dieses großen Verlustes hatte mein Herz noch gar nicht verlassen, da ist auch meine geliebt Frau gegangen. Sie ging zu ihrem geliebten Vater. Ja, sie liebte mich! Ihr war ihre große Liebe, aber das Licht der Lichter, das in ihrem Vater schien, liebte sie mehr, und sobald sie die Erlaubnis dazu erhielt, ging sie zu ihm und ließ mich zurück. Ich durfte noch nicht mitgehen, denn ich hatte noch Aufgaben zu erfüllen, die mir auferlegt waren von der Quelle des Wassers, das meinen Freund und meine geliebte Frau zu sich genommen hat. Ich habe mich bemüht, möge Gott mir vergeben! Und doch habe ich diesen Moment herbeigesehnt wie keinen anderen Moment in meinem Leben. Wie gerne wollte ich eines Tages zu meinem Freund, zu meiner geliebten Frau, zu der Quelle eines jeden Atemzugs, den ich atmen durfte, zu der Kraft und Macht, ohne die es keine Liebe gibt.

Und als die Zeit gereift ist, hat mir der Schöpfer aller Schönheit die Gnade gegeben, meine Stirn auf die Erde zu legen, auf die Erde, aus der mein Körper erschaffen wurde und zu der mein Körper zurückkehren darf. Welch eine Gnade, dass ich in der Nacht meinen Abschied einleiten durfte, die so heilig ist für jeden von uns. Noch zwei Tage Schmerzen, noch zwei Tage Übergabe der Verantwortung, die mir anvertraut wurde, noch zwei Tage Sehnsucht, dann endlich darf ich zu meinem Freund, dann endlich ist meine Aufgabe vollbracht. Und Deine Trauer, oh lieber Freund, der Du Mich als Vorbild angesehen hast, ist ein Beweis für die Liebe in Deinem Herzen, eine Liebe, die uns eines Tages wieder zusammenführen wird, sei Dir dessen gewiss. Morgen mein lieber Freund, morgen werde auch ich gehen, aber sei nicht traurig, ich hinterlasse Dir so viel von mir, wie Du tragen kannst und Deine Kinder werden auch davon erhalten bis die Zeit reif ist, dass die Menschen erkennen, wie mein Blut für die Liebe geflossen ist und durch den Träger dieses Blutes befreit werden.“

Ist heute schon morgen? Warum ist mein Vorbild jetzt weg? Die Stimme entschwand, aber ich hatte so viel gehört, dass ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Sie flossen die Wangen herunter und reinigten ein durch und durch verkommenes Herz, das in seiner Ichbezogenheit nie etwas hören konnte. Nur durch die Gnade aus dem Haus der Gnade erhielt ich einige Tränen mit denen einige winzige Löcher in die Verkrustung eines versteinerten Herzens hineingebrannt werden konnten. Und diese kleine Löcher hörten plötzlich Stimmen, die ich zuvor nie wahrgenommen habe. Die Zeiten verschwimmen.

Da sprach ein doppelschneidiges Schwert: „Ich lag daneben, ich der die Gnade erhalten hatte jeden Feind der Wahrheit zurückzuschlagen zu dürfen gehalten von einer mächtigen Hand. Aber in jener Nacht durfte ich nicht eingreifen. Es war mir verboten. So viele Engel hätten mich so gerne zur Verteidigung meines Herrn gehalten, aber sie durften es nicht. Ich musste dort liegen und hilflos zusehen.“ Und ich hörte die Stimme eines Stücks Erde: „Ja auf mir lag jene Stirn, die meine Reinheit mit seinem noch viel reinerem Blut schmückte. Er hat mich auch mit seinem Namen geehrt, wurde er doch von seinem Freund und Vorbild als mein Vater bezeichnet.“ Wie können ein Schwert und ein Stück Erde mehr empfinden als ich? Lasse mehr und mehr Tränen auf Dein Herz tropfen, damit es die Verkrustung durchbricht!

In der Nacht der Macht steigen die Engel herab mit jedem Befehl um den Befehlshaber der Gläubigen bei der Morgenröte in den Frieden einkehren zu lassen. Lasst uns diese Nacht mit unseren Tränen begleiten; Tränen der Liebe.



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