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Von Yavuz Özoguz am 12. Juli 2011 09:34:45:

Wie soll ich es einem Bayern-Fan erklären?

Die Bundesliga macht zurzeit Pause, aber ist nicht die ganze Welt wie die Bundesliga?

Für einen Bayern-Fan ist die Bundesliga-Mannschaft Bayern München die beste Mannschaft Deutschlands, wenn nicht gar der ganzen Welt. Er verbindet die Mannschaft mit legendären Namen wie Gerd Müller und Franz Beckenbauer. Die heutigen Bayern-Spieler spielen für ihn den besten Fußball, sind super organisiert, kümmern sich um den Nachwuchs und vor allem auch um die Fans. Sie stellen die meisten Spiele für die Nationalmannschaft. Sogar den schwächelnden Nachbarn 1860 München greifen sie unter die Arme. Für mich als Werderaner hingegen ist Bayern München der Inbegriff von Ausbeutung und Unterdrückung. Die glauben mit ihrem Geld jeden anderen Verein zerstören zu können, indem sie deren beste Spieler wegkaufen, selbst wenn sie bei Bayern nur auf der Bank sitzen. Sie beeinflussen Schiedsrichter durch ihre Macht, zahlen Gehälter die wahnwitzig sind, werden von den TV-Stationen bevorzugt behandelt und kennen weder Moral noch Anstand, wenn es um die eigene Macht geht. Wie soll ich dem Bayern-Fan erklären, dass wir von zwei völlig unterschiedlichen Mannschaften sprechen? Aber ist nicht die Ganze Welt wie die Bundesliga?

Ein eingefleischter Türke, der von der Muttermilch an Türkentum eingeflößt bekommen hat und nie die Gelegenheit erhalten hat, über den Tellerrand hinauszuschauen, denkt dass die Osmanen eine Art Heiligtum auf Erden waren. Er besucht deren Gräber und glaubt das Fatih (der Eroberer) Sultan Mehmet eine Art Heiligkeit im Islam war, da er Konstantinopel niedergerungen hat. Er ehrt ihn auch Jahrhunderte später, indem er Moscheen nach ihm benennt. Für einen anderen ist jener Mehmet II. ein Gewaltherrscher übelster Gestalt. Er war derjenige, der im Osmanischen Reich ein Gesetz erlassen hat, dass der Herrscher bei Amtsantritt alle seine Brüder (und selbst wenn sie noch Säuglinge waren) ermorden lassen durfte. Er hat sogar die islamischen Geistlichen dazu “gebracht“, jenes verbrecherische und unmenschliche Gesetz religiös zu rechtfertigen. Er hat in Palästen gelebt und Eroberungsfeldzüge geführt, zu denen er keine Legitimation hatte. Er hat mehrer Kirchen in Moscheen gewandelt, wozu er nicht berechtigt war. Wie soll derjenige, der den zweiten Sultan kennt, mit demjenigen, der den ersten Sultan kennt, überhaupt ins Gespräch kommen? Wie soll er ihm erklären, warum er ihn nicht mag? Sind es nicht zwei völlig unterschiedliche Personen, über die sie sprechen?

Ein Muslim, der von klein auf gelernt hat, dass die ersten vier Kalifen des Islam rechtgeleitet waren, kennt den zweiten Kalifen Omar als jemanden, der den Propheten Muhammad mit seinem Gut und Blut unterstützt hat. Er kennt ihn als jemand, der so bescheiden gelebt hat, dass er nur ein einziges Hemd besaß, das an seinem eigenen Körper trocknen musste, wenn es gewaschen worden war. Er kennt ihn als denjenigen, der ein besonderes Maß an Gerechtigkeit walten ließ, als er regierte. Ein anderer aber kennt Omar als machtbesessenen Menschen, der den Propheten bei der verheerenden Verteidigungsschlacht von Uhud im Stich gelassen hat. Er kennt ihn als jemanden, der maßgeblich für die Fehlgeburt der Heiligen Fatima verantwortlich ist, die letztendlich zu ihrem frühen Tod geführt hat. Er identifiziert ihn als denjenigen, der im Heiligen Qur’an als derjenigen beschrieben wird, der sich von einem Blinden abgewandt hat, was die spätere Hofinterpreten auf den Propheten uminterpretiert haben. Wie sollen der Zweite und der Erstere einander verstehen? Sie sprechen von zwei völlig unterschiedlichen Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können! Und wäre es nicht so, dass der Erstere sich dem Zweiten anschließen würde, wenn er an das glauben würde, was jener glaubt und umgekehrt?

Und es gibt so viele so unterschiedliche Personen in der islamischen Geschichte. Zwei unterschiedliche Aischas, zwei unterschiedliche Abu Talibs, zwei unterschiedliche Abu Hurairas, zwei unterschiedliche Muawiyas usw. usf.. Und ist es nicht in der Geschichte anderer Religionen ähnlich?

Aber diese unterschiedlichen Personen, obwohl sie doch die gleiche historische Person sind, liegen weit über ein Jahrtausend zurück. Die geschichtliche Aufarbeitung ist zweifelsohne mit einigen Mühen verbunden für den Einzelnen. Doch wie ist es heute?

Da ist z.B. eine Bundeskanzlerin. Sie lebt im heute und jetzt. Alle Informationen über sie sind heute überprüfbar und zugänglich, und dennoch gibt es zwei völlig unterschiedliche Personen. Ihre Anhänger sehen in ihr die Flaggenträgerin für Freiheit und Demokratie aus der Uckermark. Mit all ihrem Leben und Einsatz versucht sie das Wohl des deutschen Volkes zu schützen und der Bevölkerung dienlich zu sein. Sie hat die Banken in die Schranken verwiesen, deutsche Arbeitsplätze geschützt, Deutschland mit starker Hand durch die größte Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg gelenkt und das Ansehen Deutschlands weltweit vergrößert. Sie hat die Energiewende gegen das Interesse der Energiekonzerne durchgesetzt und immer wider den Euro gerettet. Für ihre Gegner ist sie jemand, der über Leichen geht. Sie hat keine Skrupel mörderische Waffen an Könige und Prinzen zu verkaufen, die damit auf unschuldige Zivilisten schießen und Befreiungsbewegungen niederbombardieren. Damit ist sie direkt mitverantwortlich am Mord an so vielen unschuldigen Menschen. Ihr Unterdrückungspotential beinhaltet auch, dass sie jedes Völkerrechtsverbrechen Israels mitträgt und die Diskriminierung von Nichtjuden in Israel zur deutschen Staatsräson erklärt und die Bevorzugung von Juden gegenüber Nichtjuden in der eigenen Heimat in einem Koalitionsvertrag festhält, was selbst das eigene Grundgesetz verletzt. Sie klammert Deutschland an das untergehende Imperium USA, ohne zu merken, das Deutschland dann mit in den Strudel des Untergans gerissen wird, und hat das Geld der Bevölkerung an die Banken verschenkt. Sind das nicht zwei völlig unterschiedliche Personen? Sprechen hier Befürworter und Gegner nicht von zwei Menschen, die zwar den gleichen Namen tragen und gleich aussehen, aber sonst kaum etwas miteinander gemein haben? Würden die Zweiten nicht auch die Lieblingsperson der Ersten achten? Und würden die Ersten nicht auch die verachtete Person der Zweiten verachten?

Doch bezieht sich dieser widersprüchliche Blickwinkel nur auf Personen? Wie ist es mit dem Kapitalismus? Für die einen ist er die beste Möglichkeit Wirtschaft zu betreiben und für die anderen ist er der Inbegriff von Ausbeutung. Und wie ist es mit dem Islam? Für die einen ist er die Inkarnation eines satanischen Glaubens (selbst wenn sie gar nicht glauben, dass es einen Satan gibt) und für die anderen ist er die höchste Stufe der Liebesideologie auf Erden.

Und diese Betrachtungsweise beschränkt sich weder auf Personen noch auf Ideologien. Sie gilt auch für die Welt. Für die einen ist diese Welt die einzige bestehende Realität und alles was sie haben. Der Verlust der Welt wäre der größtmögliche Verlust, den sie sich vorstellen können, darum klammern sie sich daran mit allen nur erdenklichen und teils unvorstellbaren Mitteln. Für die anderen ist diese Welt ein Trug, wenn man seine inneren Augen nicht öffnet. Sie ist ein Spiegelbild der Trennung von der eigentlichen Heimat, zu der alle Menschen im tiefsten Inneren streben. Doch viele suchen an der falschen Stelle, weil sie ihr tiefstes Inneres nicht kennen.

Nur eines ist allen, und wirklich allen, gemeinsam. Eines Tages werden wir diese Welt aufgeben müssen. Wäre es da nicht an der Zeit darüber nachzudenken, was der Mensch ist, woher er kommt, wohin er geht und was der wahre Sinn des Lebens ist? Und sind nicht letztendlich die Sehnsüchte und Wünsche aller Mensche einander so ähnlich? Streben nicht alle nur nach Liebe, selbst wenn viele an so falschen Stellen suchen?

Die Spaltung der Menschheit in die Einen und die Anderen ist nur ein Spiegelbild eines jeden Herzen! In jedem Herzen – völlig unabhängig davon, als was oder wer er geboren wird – scheint das Licht Gottes. Und in jedem Herzen gibt es das “Ich“. Das Licht Gottes sucht Einheit, das “Ich“ sucht die Spaltung. Das Licht Gottes sagt: „Gott ist am Größten“. Das Ich sagt: „Ich bin besser“. Und dieser innere Zwiespalt spiegelt sich in der ganzen Welt wieder.

Doch wie kann dieser Zwiespalt überwunden werden? Es gibt ein Allheilmittel und das heißt “Dankbarkeit“. Dankbarkeit richtet sich an den, dem einzig und allein Dankbarkeit gebührt. Und Dankbarkeit gegenüber der Quelle aller Dankbarkeit drückt sich durch Liebe aus. Bei den jeweils oben genannten zwei Gruppen von Menschen in den verschiedenen Feldern des Lebens, wird derjenige sich der Wahrheit besser annähern können, der wahre Liebe spürt und versucht weiterzugeben! Wer aber seine Fähigkeit Liebe zu spüren und weiterzugeben verkümmern lässt, der hat so oder so verloren, unabhängig davon, auf welcher Seite der Betrachtung er steht. Denn Hass um der “Selbst“ Willen ist selbstzerstörerisch.

Wie aber sollte man mit Liebe Politik machen, wird jetzt die berechtigte Frage lauten: Die Antwort könnte eine Gegenfrage sein: Wie kann man denn ohne Liebe Verantwortung für die Menschen übernehmen? Wir sehen in der Welt das Ergebnis einer Politik, die den wahren Wert Liebe negiert bzw. völlig vergessen hat. Und das widerspricht nicht nur dem Islam, sondern auch dem Christentum. Wir müssen eine Politik anstreben, in dem wir an der Seite derjenigen stehen, die die Ärmsten sind, die am meisten der Hilfe bedürfen. Alles andere wäre keine wahre Liebe!

So reiche ich also erster Werderaner in Deutschland dem Bayern-Fan meine Hand und sage: Lass uns gemeinsam ein schönes Spiel genießen und Hauptsache Werder Bremen gewinnt.



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