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Von Yavuz Özoguz am 11. Mai 2011 13:18:36:

Integration in freie Meinungsäußerung?

Muslimen im Land und in der Welt wird vorgeworfen, sie hätten die Werte der westlichen Wertegemeinschaft, darunter die freie Meinungsäußerung, nicht verstanden und der Islam wäre diesbezüglich ein Integrationshindernis. Ist das wirklich so?

Was derzeit in der Westlichen Welt als “freie Meinungsäußerung“ von den führenden Persönlichkeiten vorgespielt wird, ist wirklich mit dem Islam nicht vereinbar. Da äußert eine Bundeskanzlerin ihre Freude über die Tötung eines Menschen, die Kanzlerin eines Landes, das die Todesstrafe ablehnt und jedem das Recht auf Leben zugestehen möchte! Getötet wurde ein Mensch (falls er wirklich getötet wurde), dessen Ankläger gleichzeitig sein Richter und Vollstrecker des Urteils ist, ohne dass es jemals zu einem Verfahren kam. Diese ganz besondere Form der westlichen Gewaltenteilung soll also kritiklos zu akzeptieren sein! Ist das wirklich das Modell, in das Muslime im Land “integriert“ werden sollen?

Der US-Präsident hat eine ganz besondere Form der Meinungsäußerung getätigt. Er sagte, dass jeder, der Zweifel daran hege, dass der Al-Qaida-Führer sein Schicksal verdient habe, „seinen Kopf (oder Hirn) untersuchen lassen muss“. Hier drückt der oberste Repräsentant der sogenannten freien Welt aus, dass jeder, der an der Vollstreckung der Todesstrafe gegenüber USAma Zweifel hat (welcher Art auch immer), geistesgestört sei. So etwas würde man unter sachlichen Gesichtspunkten und auch aus Sicht des Islam eher als Volksverhetzung oder zumindest Massenbeleidigung einstufen. Ist das wirklich die Form von freier Meinungsäußerung, in die Muslime integriert werden sollen?

Eine ganz besondere Form der Meinungsfreiheit hat ein französisches Gericht derzeit bestätigt. Ein 30-jähriger Mann hatte in dem Video zunächst mit einigen Seiten des Heiligen Qur’an ein Flugzeug gebastelt, das er gegen zwei Gläser schleuderte, die das New Yorker World Trade Center symbolisieren sollten. Anschließend zündete er die Seiten an und urinierte darauf. Alles zusammen stellte er ins Internet und berief sich auf seine freie Meinungsäußerung. Ihm wurde recht gegeben. Ist das wirklich die freie Meinungsäußerung, in die Muslime im Land integriert werden sollen? Sind das die Werte der westlichen Wertegemeinschaft und deren Vorbildfunktion? Oder liegt hier nicht eine zum Himmel schreiende Doppelmoral vor, die von jedem vernünftigen Menschen abzulehnen ist, unabhängig davon, welcher Religion er angehört.

Fangen wir also mit dem ersten Fall an. Nehmen wir einmal an, da wird irgendein Ausländer in der Westlichen Welt umgebracht, der in seinem Heimatland als Terrorist gilt. Es gibt davon sehr viele in der Westlichen Welt. Und manche darunter können zweifellos als Massenmörder bezeichnet werden, da sie teils Zehntausende unschuldiger Menschen ermordet und sich zudem dazu bekannt haben. Man nehme da nur die Anführerin der sogenannte Volksmudschaheddin. In den 80er Jahren hat die Organisation sich (unter anderem in der FAZ) damit gerühmt, zehntausende in Teheran umgebracht zu haben. In den 90er Jahren haben sie mit Unterstützung von Saddam (der inzwischen seine Westsympathien und sein Leben eingebüßt hat) Militärbasen im Irak aufgebaut und regelrecht Krieg gegen den Iran geführt; auch gegen Zivilisten. Die Anführerin der Organisation tingelt frei in Europa herum, hält Vorträge und darf Gelder einsammeln für den bewaffneten Kampf. Wir haben hier nicht die Fragestellung, ob es eine geheime Komplizenschaft zwischen den westlichen Regierungen und der Terrororganisation gibt, denn sie ist offen. Auch ist ihr “Versteck“ nicht geheim. Da lebt also eine Terroristin, unterstützt von den Anführern der Westlichen Welt weiterhin problemlos in westlichen Hauptstädten. Ein zweites Beispiel ist die Schah-Familie, die nicht nur völlig frei in den USA herumläuft, sondern die Milliarden, die sie mittels Ermordung des eigenen Volkes beiseite geschafft hat, problemlos ausgeben kann und darf, obwohl das Geld dem iranischen Volk gehört. Nehmen wir also einmal an, irgendeine iranische Stelle würde einen dieser aus iranischer Sicht übelsten Verbrecher und Massenmörder (bzw. Erben der Gelder aus einem Massenmord) “liquidieren“ wollen. Wäre das akzeptabel?

Allein die Frage dürfte auf absolutes Unverständnis stoßen! Wie kann man so etwas überhaupt fragen? Aber nehmen wir einmal an, es käme zu solch einer “Kommandoaktion“, nicht mit Tarnkappenhubschraubern, sondern mit einfacheren Mitteln, und die Attentäter (Elite-Soldaten) würden gefasst, wie würde die Gerichtsverhandlung aussehen? Würde bei der Gerichtsverhandlung überhaupt die Frage aufgeworfen werden, ob jene zu “liquidierende“ Person zu Recht “liquidiert“ wurde? Sicher nicht!

Das Gedankenspiel soll an dieser Stelle nicht weitergeführt werden, denn jedem Leser dürfte klar sein, welches Unrecht hier besteht. Es stellt sich aber an dieser Stelle die Frage, ob dieses Unrecht der deutschen Bundeskanzlerin wirklich nicht bewusst ist. Haben wir derzeit eine Regierungschefin, die Völkerrechtsverbrechen und das Außerkraftsetzen sämtlicher Maßstäbe des menschlichen Miteinander bewusst oder unbewusst billigt bzw. lobt? Die Hofberichterstattung hat erst dann einige “kritische“ Worte dagegen zugelassen bzw. erduldet, als sie gemerkt hat, dass außer einer völlig die Maßstäbe von Rechtsstaatlichkeit verlorenen Politik kaum jemand im Land solch ein Unrecht mitzutragen bereit war!

So kam es dazu, dass durchaus prominente Zweifler zu Wort kamen. Das Ergebnis war, dass der US-Präsident sämtliche Zweifler faktisch der Geistesgestörtheit beschuldigt hat. Das hat der Hofjournalismus absolut unkritisch weitergegeben! Sind das wirklich die Werte der Freiheit, in die Muslime “integriert“ werden sollen?

Der dritte Fall ist sehr leicht zu erläutern. Man muss sich einmal vorstellen, der Mann hätte nicht die Seiten des Heiligen Qur’an uriniert, sondern auf eine Thora-Rolle und hätte ein Modell einer Synagoge angezündet und dieses im Internet verbreitet. Die Reaktion der Öffentlichkeit wie auch der Medien wäre derart eindeutig, dass gar kein Richter auf die Idee kommen könnte, es handele sich lediglich um eine Meinungsäußerung. Im Fall des Islam und der Muslime aber wird die Nachricht wiedergegeben und nicht ein einziger Hofjournalist stellt eine kritische Frage dazu! Wird es wirklich als “Integration“ von Muslimen verstanden, wenn Muslime den Mund halten, falls jemand öffentlich und Medienwirksam auf die Bibel uriniert? Ist es wirklich das, was von den einheimischen Muslimen erwartet wird?

Aus muslimischer Sicht ist darauf eine Antwort zu geben, die sicherlich islamübergreifend ist. Die Antwort würde von “moderaten“ Muslimen genau so mitgetragen wie von “praktizierenden“, von allen Rechtsschulen, von alle Migrationshintegründen usw.: Wenn das, was uns derzeit als Meinungsfreiheit vorgeführt wird, als Westlicher Wert verstanden wird, dann darf kein Muslim sich integrieren! Er ist verpflichtet, Widerstand zu leisten! Denn diese Art der Meinungsfreiheit ist ein Verbrechen bzw. die Unterstützung von Verbrechen. Und ein Muslim darf niemals auf der Seite von Verbrechern stehen!

Die “Westliche Wertegemeinschaft“ muss aufhören mit leeren Phrasen Feindbilder zu schüren, sondern sollte einmal klipp und klar definieren, welche Werte jene Wertegemeinschaft konkret vertritt. Wenn jene Wertegemeinschaft Rechtsstaatlichkeit vertritt, dann haben die USA vor den Augen aller Welt ein Verbrechen begangen, und dann muss das auch so genannt werden. Wenn aber die Rechtsstaatlichkeit kein zu verteidigender Wert für die Westliche Welt mehr ist, dann sind unterdrückte Muslime überall in der Welt – vor allem in Palästina – eher berechtigt sich zu wehren, als Elitesoldaten der USA.

Wenn Meinungsfreiheit eine Meinung voraussetzt, dann muss das benannt werden. Wenn aber das öffentliche Urinieren auf die heiligsten Werte eines Großteils der Menschheit zur Meinungsfreiheit gehören soll, dann darf es auch in der Westlichen Welt keine “Heiligkeiten“ geben! Wenn die Behauptung, dass jeder Zweifler an einem Mord geistesgestört ist, ebenfalls zur freien Meinungsäußerung gehört, dann kann es nicht sein, dass vergleichbare Äußerungen von fanatisierten Muslimen gegen “Westler“ als Hasspredigt betitelt werden.

Das Bild, das sich heute dem Muslim in diesem Land zeigt, sieht an exemplarischen Beispielen dargelegt folgendermaßen aus:

• Kämpft ein ganzes Volk seit sechs Jahrzehnten gegen die von der Westlichen Welt gestützte und unterstützte Besatzung und töten Einzelne dabei auch Zivilisten auf dem besetzten Gebiet, dann gilt das als Terrorismus. Töten hingegen die Westliche Welt unzählige Zivilisten überall in der Welt, dann soll das die Verteidigung der Menschlichkeit sein.
• Beleidigt jemand auf übelste Art und weise den Heiligen Qur’an und uriniert darauf, dann ist das eine freie Meinungsäußerung. Zweifelt aber jemand daran, dass die Verfolgung von Juden unter den Nazis nicht so erfolgt ist, wie es zumeist beschrieben wird, dann wird er nicht nur als Antisemit beschimpft, sondern ihm drohen auch strafrechtliche Konsequenzen.
• Predigt ein kleiner unbedeutender muslimischer Gemeindevorsteher, den außerhalb seiner Gemeinde niemand kennt, dass diejenigen, die den Islam verhöhnen, geistesgestört sind, erhält er die Bezeichnung “Hassprediger“ und wird fortan medial gejagt. Bezeichnet aber der oberste Repräsentant der Westlichen Welt einen nicht unerheblichen Teil der Menschheit, darunter auch sehr viele Deutsche, als geistesgestört, dann ist das freie Meinungsäußerung, die nicht weiter zu beanstanden ist.

Bis hierher ist eigentlich kaum etwas “Neues“, kaum etwas “Überraschendes“ wiedergegeben worden. Einzig überraschend könnte sein, dass es immer noch Menschen geben soll, denen jene Diskrepanz, jene Doppelmoral, jener zum Verbrechen neigende Missbrauch der eigenen Machthaber, nicht auffällt.

Muslime dürfen sich in solch ein Unrecht nicht “integrieren“ und jeder nichtmuslimische Deutsche sollte dankbar darüber sein, solche “nichtintegrierten“ Muslime weiterhin im Land zu haben, denn sie halten die Werte der Menschlichkeit aufrecht, die von so vielen Politikern und Hofjournalisten mit Füßen getreten werden.

Der Islam tritt stets ein für wahre freie Meinungsäußerung (nicht solch eine, in der das Kapital die Meinung “bilden“ lässt)! Aber diese Freiheit darf nicht dazu missbraucht werden, andere Werte der Menschlichkeit mit Füßen zu treten.



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