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Von Yavuz Özoguz am 31. Januar 2011 12:55:00:

Während die imperiale Weltherrschaft nahezu tagtäglich Muslime gegeneinander aufhetzt, wird es Zeit, dass wir nach 1400 Jahren die Hindernisse überwinden, die Muslime voneinander trennen.

Zweifelsohne gibt es viel zu viele Einzelthemen, die bei solch einer Einleitung behandelt werden müssten, doch mit irgendetwas muss man anfangen. Das heutige Thema soll den Umgang mit den “Ashab“, den Gefährten des Propheten Muhammad (s.) betreffen, der zu großen Streitigkeiten unter Muslimen führt. Dabei haben vor allem “Sunniten“ oft das Gefühl, die von ihnen als heilig betrachteten Gefährten des Propheten würden von “Schiiten“ beleidigt werden. Vielen “Sunniten“ ist dabei gar nicht klar, dass sie dasselbe mit den Gefährten machen, die für die “Schiiten“ heilig sind. Die Problematik soll hier an einigen Beispielen erläutert werden.

Die Beispiele sind Abu Huraira und Abu Talib. Abu Huraira war die Person, die in den von Sunniten vorgezogenen Überlieferungsbüchern mit Abstand am meisten überliefert hat. Abu Talib war der Vater von Ali (der vierten Kalifen der Sunniten und ersten Imam der Schiiten), der zu Lebzeiten den Propheten (s.) nach besten Kräften unterstützt hat.

So gilt beispielsweise der Gefährte Abu Huraira aus der Sicht der “Schiiten“ als glatter Lügner und Verleumder. Allein dieser letzte Satz lässt viele Sunniten den Ärger im Hals hochsteigen und überlegen, ob sie diesen Text überhaupt weiterlesen sollen. Aber sie sollten bedenken, dass aus Sicht der “Sunniten“ Abu Talib als Nichtmuslim bzw. “Ungläubiger“ gilt, wohingegen Schiiten ihn als einen der heiligsten Personen und besten Unterstützer des Propheten (s.), der selbstverständlich den Islam angenommen hat, ansehen. So sehr man sich über die Aussage bezüglich Abu Huraira ärgert, so sehr sollte man sich Gedanken machen, ob man nicht selbst das gleiche tut? Ist es schlimmer, jemanden als Lügner zu bezeichnen, wen er es nicht ist, oder als “Ungläubiger“, wenn er Muslim ist?

Nehmen wir das Beispiel von zwei bedeutsamen Frauen: Aischa und Fatima. Aischa gilt für Sunniten als “Lieblingsehefrau“ des Propheten. Allein diese Bezeichnung – völlig unabhängig davon, was Aischa später getan hat – betrachten Schiiten als Beleidigung des Propheten (s.), da dieser keiner seiner Frauen bevorzugt hat nach schiitischer Sicht, und jene Bezeichnung ausschließlich für Chadidscha gelten kann, mit der er alleine verheiratet war, so lange sie lebte! Andererseits hat Aischa später in der Zeit des vierten Kalifen einen Krieg gegen diesen angeführt, was zu zahllosen toten Muslimen geführt hat. Während “Sunniten“ das als eine von Außen den Muslimen aufgebürdete Verschwörung ansehen, bei der alle Muslime aller Seiten unschuldig sein sollen, betrachten Schiiten den Aufstand als Verrat und Verschwörung, an der Aischa selbst eine beträchtliche Mitschuld hat. Die Meinungen gehen also auseinander.

Ähnlich ist es bei Fatima, der gesegneten Tochter des Propheten. Unmittelbar nach dem Ableben des Propheten (s.) nimmt ihr der amtierende Kalif Abu Bark ihr Landstück “Fadak“ weg. “Schiiten“ betrachten diese Enteignung als Diebstahl und ungerechte Handlung durch Abu Bakr, wohingegen “Sunniten“ es als rechtmäßig betrachten und als “Irrtum“ durch Fatima. Die Argumente beider Seiten kann sich jeder selbst aneignen, denn darum soll es hier im Artikel nicht gehen!

Tatsache ist, dass seit ca. 1400 Jahren dieser Disput besteht! Die heutige aktuelle Folge ist, dass menschenverachtende Verbrecher im Dienste des Imperialismus an Feier- und Trauertagen von Schiiten in schiitischen Moscheen Bomben legen und behaupten, Sunniten waren es, und bei bestimmten sunnitischen Anlässen Bomben in sunnitischen Moscheen legen und behaupten, Schiiten wären es gewesen. Mit der Methode versuchen sie nicht nur den Irak weiter zu kontrollieren, sondern auch Afghanistan, den Kaschmir (und damit Indien und Pakistan) und viele andere Orte mehr! Mit dieser Methode versuchen sie – bisher ohne Erfolg – Terror im Iran zu verbreiten. Das müssen Muslime verstehen!

Jetzt könnte man einfach darauf bestehen, dass beide Seiten einfach “gemäßigter“ miteinander umgehen sollten und eine vorsichtigere Wortwahl wählen. Aber so einfach ist es nicht, denn es greift tief in Glaubensgrundsätze. Es gibt Sunniten, die betrachten die Beleidigung von Gefährten als Beleidigung des Islam. Und bei Schiiten ist die Beleidigung der 14 Reinen (wozu auch Fatima gehört) so gravierend, dass es unter Umständen das Fasten desjenigen bricht, der eine Verleumdung gegen sie schweigsam hinnimmt.

Der Konflikt ist 1400 Jahre alt, und wir werden ihn weder heute noch in diesem Forum lösen können! Die Frage aber ist, ob wir nicht doch irgendetwas tun können? Imam Chamene’i – das geistige Oberhaupt der Islamischen Revolution im Iran – hat diesbezüglich jüngst auf eine Frage hin reagiert. Er hat allen jenen, die auf ihn hören, verboten, Personen wie Aischa zu schmähen! Wie ist das zu verstehen? Selbstverständlich darf ein Schiit, der weiterhin fest davon überzeugt ist, dass Aischa zu unrechtmäßig einen Krieg angeführt hat, dieses genau so benennen. Aber er darf sie deshalb nicht schmähen oder gar beschimpfen! Auch die Information über das aus eigener Sicht “Fehlverhalten“ einer Person kann doch mit Respekt und vor allem sachlich erfolgen.

Gegenseitiger Respekt ist die Grundlage. Dabei müssen Schiiten wie Sunniten Folgendes beachten: Hätte ein Sunnit die Informationsgrundlage, die ein Schiit als glaubhaft einstuft, dann wäre er sicherlich auch ein Schiit, um der Sunna des Propheten (s.) zu folgen. Und würde ein Schiit die Informationsgrundlage, die ein Sunnit als glaubhaft einstuft, annehmen, wäre er Sunnit, um der Sunna des Propheten (s.) zu folgen. Meinungsunterschiede zwischen Muslimen sind eine innermuslimische Angelegenheit. Nichtmuslimen darf nicht die Gelegenheit gegeben werden, diese gegen den Islam und die Muslime auszunutzen. Der heutige weltweite Kampf gegen den Islam und die Muslime richtete sich nicht gegen Schiiten oder Sunniten, sondern gegen das Gerechtigkeitsstreben der Muslime, da dieses das einzige verbliebene organisierte Streben in der Welt ist, welches den Machtgelüsten unmenschlicher Imperialvorstellungen, dem westlichen Herrenmenschendenken und dem Wachstumswahn des Raubtierkapitalismus entgegen steht.

Einige Ansätze, um die Uneinigkeit zu überwinden, sind bereits teilweise etabliert, wie die Einheitswoche. Die Einheitswoche ist die Zeit zwischen 12. und 17. Rabi-ul-Awwal nach dem islamischen Kalender. Sie wurde in den 80er Jahren in der Islamischen Republik Iran als Symbol für die Notwendigkeit zur Einheit in der Islamischen Weltgemeinschaft ausgerufen.
Nach sunnitischen Überlieferungen wurde Prophet Muhammad (s.) am 12. Rabi-ul-Awwal 52 Jahre vor der Auswanderung und nach schiitischer Überlieferung am 17. Rabi-ul-Awwal geboren. Die Zeitspanne zwischen den beiden Daten wurde daher zur Einheitswoche ausgerufen. Die Einheitswoche wird in der islamischen Welt oft mit Veranstaltungen gefeiert, in deren Mittelpunkt das Leben und Wirken des Propheten Muhammad (s.) steht.

Solche und ähnliche Ansätze können helfen, den wesentlichen Aspekt des Islam in den Mittelpunkt zu stellen, und das ist die Liebe Gottes, die sich in der Nächstenliebe widerspiegelt. Wir leben in einer sehr bedeutsamen Zeit – Gott sei Dank. Und es liegt an uns, die Zeichen der Zeit zu verstehen und uns selbst zu mehr Liebe zu entwickeln!

PS: Es ist bedeutsam, den Schwerpunkt der Betrachtungen ausgehend vom Sinn des Lebens auf spirituell basierte Aspekte zu lenken, zumal der Hauptfehler von Kommunismus und Kapitalismus gleichermaßen ein materielles Menschenbild ist.



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