Muslim-Forum
Willkommen im Forum der Muslime für deutschsprachige Gottesehrfürchtige

Alle Autoren des Forums zeichnen mit ihrem realen Namen


Re: Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte

Neues Thema eröffnen

Neuste Beiträge

Einzelansicht

Themenansicht

Archiv

Registrieren

Foren-Links

Kontakt

Muslim-Markt

Von Willi Übelherr am 13. Januar 2011 02:53:36:

Als Antwort auf: Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte von Brigitte Queck am 10. Januar 2011 03:46:06:

hallo liebe brigitte, liebe fatima und alle,

nun will auch ich mich zum thema, einer programmatischen erklärung von frau gesine lötzsch, äußern. dieser text ist auch auf ihrer seite zu lesen.
http://www.jungewelt.de/2011/01-11/018.php
http://www.gesine-loetzsch.de

auch die kommentare hierzu von brigitte und fatima fordern meinen kommentar, weil ich glaube zu wissen, daß die fragestellungen des großteils der weltbevölkerung für ein gutes leben für alle sehr ähnlich sind. nur die tradierten vorstellungen hierzu weichen oft weit voneinander ab, weil sie sich eher mit den fußnoten beschäftigen, statt mit dem eigentlichen inhalt.

der text von frau lötzsch wirkt auf mich ruhig, sachlich, ohne propagandistischen schnörkel, allerdings visionslos. sie spricht von den wegen zum ziel, ohne das ziel selbst zum hauptgegenstand zu machen. von daher passt auch der titel 'wege zum kommunismus'. so gesehen ist dies etwas für eingeweihte, für leute, die zumindest glauben, in der zielvorstellung sich nahe zu sein.

wenn, dann sollten wir uns gedanken machen über die ziele. und selbst in den einzelnen themenfeldern, des militärs und ihren zwecken, der kriegsführung, des finanzsystems und seiner versklavung des großteils der weltbevölkerung, den sozialen verwerfungen durch spekulative wertzuordnungen verschiedener tätigkeiten, in allen genannten feldern fehlt auch nur etwas an vision. fasst könnte man annehmen, der weg ist das ziel.

und tatsächlich, dies ist meine erfahrung mit den debatten innerhalb den organisationsstrukturen der DieLinke. es wird viel über kampf, aktion, 'tun' und 'muß' geredet, aber wenig über die zukunft und das, was sie ausmachen soll.

fatima spricht es direkt an. eine politische organisation, die zionisten und staatsdoktrinverfechter wie gregor gysi und petra pau als leitesel ausgibt und sie auch so füttert, kann niemals einen anspruch auf gleichberechtigung und gleichwertigkeit, grundprinzipien für rosa luxemburg, für sich geltend machen.

und in der reaktion auf herman dierkes wurde dies dramatisch deutlich, daß die unterwerfung unter die gesetzten dogmen des mainstreams zum generalverhalten mutieren. die weigerung, sich wertvorstellungen grundsätzlich zu stellen, ohne wenn und aber, zeigt sich in der frage der auflösung aller militärischen einrichtungen, produktionen und forschungen. dies ist ein muß für länder wie deutschland, und inbesondere für dieses land. es gibt keine verteidigungsnotwendigkeit, wie sie für den iran gilt.

aber letztlich ist das militär vorraussetzung für imperiales gehabe und die rüstungsproduktion ökonomisches objekt. dem kann sich aber eine sich links nennende, und damit sich der allgemeinheit verpfichtende, organisation niemals unterwerfen. auch wenn sie es nicht aktuell realisieren kann, muß sie die totale abrüstung immer als ziel benennen. sie muß selbst als symbol für frieden in erscheinung treten.

dramatisch naiv und verworren wird es, wenn es um das finanzkapital, das geldsystem allgemein, die währungssysteme und ihre spekulativen relationen geht. hierbei ist die desorientierung in den eigenen reihen am größten, obwohl dies die kernfrage einer gerechten ökonomie ist. über die geldwertrelationen treten die menschen zueinander in beziehung, sowohl lokal/regional wie auch global. damit werden aber auch werthaltungen, soziale bedingungen und handlungsmöglichkeiten transportiert. wenn ich mich diesem grundlegenden thema nicht stelle und hier keine zukunftsfähigen ideen entwickle, bleibt alles reine makulatur.

nun zu deinem text, liebe brigitte. aus deiner formulierungsweise spricht ein geübter umgang mit fragen politischer organisation. und hier liegt das eigentliche problem. weil die organisation dann zum selbstzweck verkommt, wie wir es in den bürokratischen staatskapitalismen, auch realsozialismen genannt, sehen können. wir brauchen keine 'führende Rolle einer Partei der Arbeiterklasse', wie du es nennst. wir brauchen menschen, die kraft ihres verstandes die bedingungen ihres lebens erkennen und ihre ökonomie so gestalten, das ihr leben bei höchster qualität unter minimalem aufwand ermöglicht. jede heroische tat im sinne proletarischer selbstaufopferung ist absoluter unsinn.

auch stimme ich völlig fatima zu, wenn sie sagt, daß immer nur von arbeitern die rede ist. allerdings sollten wir im auge behalten, daß 'ein geschwätz' nicht satt macht. die grundlage unserer lebensweise ist immer die materielle versorgung mit nahrungsmitteln zur energiegewinnung. anders ist unser biosystem 'menschlicher körper' nicht existenzfähig. insofern sind letztlich jene tätigkeiten primär, die materielle gegenständlichkeit schaffen. und bürokratische tätigkeiten sind weitgehend zu vermeiden.

damit bin ich am kern angekommen. basis unserer existenz sind die natur und unsere tätigkeiten. dies sind die beiden säulen aller lebensgemeinschaften tierischer art, also auch der menschen. über das verständnis der gesetze der natur können wir den aufwand minimieren. die quanten für einzelne wesen hat sich in den letzten jahrtausenden ihrer existenz nicht geändert. wohl aber der aufwand für den überbau, den ritus, das herschaftsgehabe und ihre absicherung, die verschwendung zum zwecke der überwindung stetiger auflösung der legitimationsgrundlagen.

und, liebe fatima, zum schluss zur frage, was ist sozialismus, was ist kommunismus? ich beginne mit dem einfachen, dem kommunismus. es ist die urform menschlichen daseins und erhielt ihren namen aus dem projekt der pariser kommune zur französischen revolution. kommunen sind die konstituierenden elemente von regionalen lebensgemeinschaften. so existieren gesellschaften als netzwerke von kommunen, also als freie assoziationen von freien kommunen, souverän und autonom. in den kommunen wird der großteil der fragen der materiellen existenz abgehandelt und dadurch zentralisierende instanzen überflüssig. diesem modell kommt die heutige form der transportsysteme von informationen sehr entgegen, weil informelle instanzen, wie wissen und information, so beliebigst verbreitet werden können. natürlich setzt dies die auflösung privater aneignung allgemeiner güter vorraus.

unter sozialismus ist eigentlich nur eine übergngsform zu verstehen, die die soziale gerechtigkeit ins zentrum rückt und ansonsten alle möglichen spielarten der annäherung an gerechte lebensformen ermöglchen soll.

zentral ist die frage des privateigentums, die du stellst. wesentlich ist hierbei die überlegung, unter welchen bedingungen überhaupt privates eigentum an was möglich ist. an deinen kindern? an den kindern anderer lebensarten in deiner umgebung? an gedanken, ideen, wissen, gesetzen der natur? eine wichtige entscheidungsgrundlage hierbei ist unser anteil an der entstehung der jeweiligen instanz, auf die wir anspruch auf privates eigentum erheben. und wofür?

einfach ist die frage zu beantworten, wenn es um ressourcen der natur, des planeten, geht. kein mensch war an seiner erschaffung beteiligt. also kann auch kein mensch privates vorrecht hierauf erheben. es kann nur allen zur verfügung stehen, flora und fauna gleichermaßen. niemals ist privates eigentum an teilen des planeten legitimierbar.

dies war eine kernfrage der frühen jüdischen, christlichen und islamischen kulturen. die reihenfolge ergibt sich aus der chronologie ihrer entstehungsformen. und sie begründete auch die vernichtung vieler glaubensgemeinschaften, da sie der herausbildung elitärer strukturen im wege standen.

wenn wir uns die letzten 2-3 tausend jahre ansehen, dann verblassen die differenzen angesichts der gemeinsamkeiten in den verschiedensten kulturellen räumen. die frühen jüdisch/christlichen gemeinden lehnten privateigentum an land, steuerzahlung und militärdienst ab. die islamischen dorfgemeinschaften in südspanien im 15. jahrhundert waren hochgradig kommunistisch organisiert. die indios in nordamerika wurden wegen ihrer kommunistischen organisationsstruktur massiv vernichtet. die verantwortung der gemeinsamschaft für den einzelnen und des einzelnen für die gemeinschaft stand hierbei im vordergrund. es war ein rationaler reflex auf natürliche bedingungen.

und die religiösität, die gottbezogenheit? sie war noch nie trennend. differenzen waren immer ergebnis ideologischer indoktrination und konstruktion. insbesondere im arabischen raum sehen wir die produktiven formen von koexistenzen. das hat nichts mit der begrifflichkeit für gesellschaftliche organisationsformen zu tun, sondern ausschließlich mit dem grad der bewußtheit über gleichberechtigung und gleichwertigkeit.

mit lieben grüßen, willi



Antworten: