Marian Lupu wird zum neuen moldawischen Parlamentspräsidenten gewählt, der damit provisorisch auch das Amt des Interimstaatspräsidenten der Republik Moldawien (Moldova) übernimmt. Überraschend Mitte-Rechtskoalition vereinbart und Auftrag zur Regierungsbildung an Vlad Filat erteilt, aber ihr Zustandekommen ist noch nicht gesichert von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck Am 24. Dezember 2010 bestätigte das moldawische Verfassungsgericht die endgütige unwiderrufliche Zusammensetzung des aus der Wahl am 28. November 2010 hervorgegangenen Parlaments in Chiºinâu. Vorher wurde noch einmal eine Neuauszählung der Wählerstimmen durchgeführt. Danach behält das schon am 6. Dezember von der Zentralen Wahlkommission als endgültig verkündete Wahlergebnis seine Gültigkeit. Die 101 Parlamentsitze verteilen sich danach wie folgt auf die Parteien, die die Wahlhürde von 5 Prozent übersprungen hatten: Kommunistische Partei der Republik Moldawien (PCRM) 42, Liberaldemokratische Partei von Moldawien (PLDM) 32, Demokratische Partei von Moldawien (PDM) 15 und Liberale Partei (PL) 12 Sitze. Die Absicht der rechten Kräfte, der Kommunistischen Partei von den 42 Mandaten (nach dem ersten Wahlergebnis kurz nach dem Wahltermin waren es noch 44) noch einmal ein paar wegzunehmen und den beiden liberalen Parteien zuzuschanzen, scheiterte. Hatte die parlamentarische Demokratie noch mal geradeso die Kurve gekriegt? Wollte man sich die Blöße eines offenen Verfassungsbruchs doch nicht leisten, bei dem die beiden liberalen Parteien, die PLDM unter Vlad Filat und die PL unter Mihai Ghimpu die Macht an sich reißen?
Nach außen hin scheint in Moldawien alles verfassungsgerecht abzulaufen. Die PDM hat, wie man sieht, schließlich doch noch eine Koalition mit den beiden liberalen Parteien geschlossen. Offiziell hieß es, dass der nationale Rat der PDM das so beschlossen habe. Dafür musste ihr von den anderen beiden liberalen Parteien die Funktion des Parlamentspräsidenten zugestanden werden. Als solcher wurde dann der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Marian Lupu, mit 57 Stimmen gewählt. Zwei Abgeordnete der drei Koalitionspartner in spe waren nicht anwesend, und an der Wahl beteiligten sich auch nicht die 42 kommunistischen Abgeordneten. Da es noch keinen gewählten Staatspräsidenten gibt (im Parlament wären dazu mindestens 61 Stimmen erforderlich), übernahm Marian Lupu auch verfassungsgemäß das provisorische Amt des Interimspräsidenten der Republik Moldawien. Die Kommunisten bedingen sich drei Wochen Bedenkzeit aus, um einen Parlamentsvizepräsidenten zu bestimmen.
Der bisherige Ministerpräsident Vlad Filat wurde, wie gesagt, wieder zum neuen Ministerpräsidenten designiert. Marian Lupu unterzeichnete dazu in seiner Funktion des moldawischen Interimspräsidenten ein entsprechendes Dekret. Filat hat, gerechnet ab dem 28. Dezember, drei Wochen Zeit, um sein Ministerkabinett im Rahmen der Koalition PLDM, PDM und PL einvernehmlich zusammenzustellen. Zoff scheint es aber dabei schon jetzt zu geben. Einig scheint man sich zu sein, dass in der neuen Koalition die Liberaldemokraten 9 von 16 Ministerien erhalten, die Demokraten 5 und die Liberalen 4 Ministerien bekommen.
Für die Regierungsbildung bedarf es laut moldawischer Verfassung einer einfachen Mehrheit von 52 Stimmen im 101-köpfigen Parlament. Für die Wahl des Staatspräsidenten ist hingegen eine Dreifünftelmehrheit von mindestens 61 Abgeordneten erforderlich. Diese Mehrheit ist nun schon seit April 2009 (der letzten noch turnusgemäßen Wahl am 5. April 2009) nicht mehr zustande gekommen und deswegen kam es zu den zwei außerordentlichen Parlamentswahlen, am 29. Juli 2009 und dann am 28. November 2010. Doch die politische Dauerkrise wurde auch nicht durch das Wahlergebnis vom 28. November 2010 gelöst. Jetzt hofft Marian Lupu, mindestens zwei Stimmen der kommunistischen Fraktion zu erhalten, um als legitimer Staatspräsident vom Parlament bestätigt zu werden. Bei der bevorstehenden Regierungsbildung kann es zu Differenzen bezüglich der weiteren politischen Orientierung Moldawiens kommen. Während die PL für einen schnellen Nato-Beitritt und die weitere Rumänisierung bis zum staatlichen Anschluss an Rumänien steht, setzt sich die PDM von Marian Lupu für den Erhalt der in der Verfassung verankerten Grundsätze der dauerhaften Neutralität des moldawischen Staates und der Bewahrung seiner staatlichen Unabhängigkeit ein. Für die europäische Integration allerdings stehen alle drei potentiellen Regierungsparteien, die PDM, die PLDM und die PL, wobei aber offen ist, wie die Idee der europäischen Integration dann konkret ausgestaltet wird. Zur endgültigen Besiegelung der vereinbarten Koalition hängt jetzt viel von der Kompromissbereitschaft der Liberalen unter Ghimpu ab, der bisher Parlamentspräsident sowie Interimspräsident war und den sein Machtverlust offenbar sehr schmerzt.
Marian Lupu hat offensichtlich die PCRM immer noch als Option einer Regierungskoalition in der Hinterhand, die zusammen mit der Demokratischen Partei auf 57 Abgeordnetensitze kommen würde. Auch seitens der Führer der PCRM scheint es noch oder wieder Sympathien für Marian Lupu zu geben. Fraglich ist beim Zustandekommen einer Allianz zwischen PLDM, PDM und PL, ob diese dann auch vier Jahre halten wird. Sollte ein moldawischer Staatspräsident wieder nicht vom Parlament mit mindestens 61 Stimmen gewählt werden können, wären laut gültiger Verfassung 2011 erneut Parlamentswahlen fällig. Diese Situation kann, wenn es weiter verfassungsgerecht zugehen soll, nur mit Hilfe der Kommunisten vermieden werden, die wie gesagt, mit mindestens zwei Stimmen für Marian Lupu votieren müssten, damit die von der Verfassung geforderte Dreifünftelmehrheit erzielt wird. Auch für eine eventuelle Verfassungsänderung wäre eine Zweidrittelmehrheu erforderlich, die auch nur mit Stimmen der Kommunisten erreichbar wäre.
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