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Zusammenfassung des Vortrags von Dr. Özoguz in Bremen am 16.12. 2010

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Von Fatima Özoguz am 17. Dezember 2010 16:19:21:

Faszination Aschura


Liebe und Faszination für Imam Hussain – was heißt das genau? Stellen wir uns einfach vor, dass morgen abend um 19 Uhr nicht ich oder ein Sheikh sprechen, sondern Imam Khamenei. Erst mal würden wir es nicht glauben. Dann wären wir fürchterlich aufgeregt, können die Nacht davor kaum schlafen. Am Tag davor würden wir schnell die Arbeit zu Ende bringen und schon um 17 Uhr hier sein, um noch einen guten Platz zu bekommen.
In anderen Bereichen gibt es diese Faszination auch. Etwa wenn man frisch verliebt ist, oder wenn man gerade ein Baby bekommen hat.
Diese Faszination hat verschiedene Stufen. Wenn der Prophet oder die Imame in der Niederwerfung (Sadschda) eine Offenbarung bekamen, wurden sie ohnmächtig.
Auch die Ashab von Imam Hussain (a.s) hatten diese Faszination, obwohl sie wussten, dass ihre letzten Stunden angebrochen waren. Vielmehr hatten sie diese Faszination nicht obwohl, sondern deswegen. Wir müssen uns selber erziehen zu dieser Faszination. Wie können wir das schaffen? Wir müssen einfach überlegen, wozu wir erschaffen wurden. Wurden wir erschaffen , um möglichst viel Reichtum anzuhäufen, um möglichst viele Kinder zu bekommen, wegen Hartz IV, Krankenversicherung, oder um ein möglichst großes, komfortables Haus zu bekommen? Oder nicht vielmehr, damit wir die Liebe Allahs bekommen können? Wir sollten aufhören, nach falschen Zielen zu streben. Es ist auf jeden Fall aber gut, wenn wir den Menschen dienen können. Wenn jemand viel Geld hat und damit anderen hilft, ist das gut. Das Streben nach einer hohen gesellschaftlichen Stellung an sich aus egoistischen Gründen ist schlecht, aber wenn man es mit der Motivation tut, um im Namen dieser Stellung Gutes zu tun, dann ist es eine gute Motivation.
Die Faszination des Gebets wäre besonders zu erwähnen. Bekanntlich ist ein gemeinschaftlich verrichtetes Gebet siebzig mal mehr wert als das, das allein verrichtet wird. Warum soll ein Ehepaar nicht zusammen beten? Wenn der Mann sagt , nein, das ginge nicth, denn er sei nicht adil (ein Mensch, der die religiöse Verpflichtung [wadschib] erfüllt, nicht öffentlich Sünden begeht und auf Verpöntem [makruh] nicht besteht.)
Dann muss man sich eben anstrengen, adil zu werden! Warum soll man die siebzigfache Belohnung für ein Gebet einfach verschenken?
Von Faszination erfüllt war auch das Tasua in Libanon. Sayyed Hassan Nasrallah hielt dazu eine Ansprache, die voller Liebe war , natürlich auch voller Drohungen gegen die Feinde der Liebe. Er hatte ein faszinierendes Lächeln, und das strahlte vor liebe zu Imam Hussain (A.s)

Vor einigen Tagen hielt Erdogan eine Rede in einem schiitischen Zentrum in Istanbul. Er sprach von der islamischen Revolution, sagte „Labbayka ya Hussain“, er sagte auch, dass kein Türke sich einem Kurden überlegen fühlen dürfe, kein Sunnit gegenüber einem Aleviten oder Schiiten, keinem Lasen einem Tscherkessen usw. Er betonte also die Wichtigkeit der Einheit im Land. Er sagte über die Ashab von Imam Hussain (a.s) : „Wir sind alle mit euch!“.
Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Tagen, als das Theaterstück stattfand, ging ich weiter nach hinten, weil ich vorne nichts sehen konnte. Dort sah ich einige junge Brüder, die vorwiegend mit ihren Handys spielten oder sich unterhielten. Auf meine Frage, warum sie denn nicht zuhörten, antworteten sie, dass ihr Arabisch nicht ausreichen würde.
Dann aber, als die Latmiya (Trauergesänge, bei denen man sich rythmisch auf die Brust schlägt) begannen, machten sie begeistert mit. Sie kommen also, um die Faszination für Imam Hussain (a.s) mit Latmiya zu erleben.
Das iranische Fernsehen zeigte die Aschurazeremonien in vielen Ländern, selbst in Ländern, in denen man nie Muslime vermutet hätte, wie Weißrussland. Noch vor 35 Jahren war Aschura nahezu unbekannt, und in den schiitisch bewohnten Gebieten war es eine einzige Blutorgie, die Leute haben sich blutig gegeißelt im Glauben, damit das Leid Imam Hussains (a.s) besser nachempfinden zu können. In Ländern wie der Türkei wurde vor 35 jahren sogar der Islam als solches unterdrückt, heute versammeln sich Hunderttausende von Schiiten und Sunniten, um Imam Hussains (a.s) zu gedenken. 35 Jahre sind historisch betrachtet nicht mehr als ein Augenblinzeln. Damals wäre es in der Türkei undenkbar gewesen, dass ein Premier auf einer Aschura-Gedenkveranstaltung spricht, und das Volk dazu Salawat ruft!
Diese Faszination für Aschura darf aber nicht auf 12 Tage im Moharram und vielleicht noch Arba´in beschränkt bleiben. Wie können wir sie über den Alltag retten? Egal ob wir Fensterputzer sind, in einer Autowerkstatt sind, ob wie Schüler, Studenten oder Hausfrau sind: Das Zauberwort dafür ist „al- Hamd“, die Dankbarkeit. Allah hat uns erschaffen, um Seinen Thron in unser Herz zu bauen. Der Thron ist der Herrschersitz, von dem aus alles regiert wird. In einem Hadith Qudsi sagt Allah: „Nicht Himmel noch Erde können Mich fassen, allein das Herz eines Mu ´min (Glaubensüberzeugten) kann Mich fassen.“ Also egal ob wir Straßen fegen, Toiletten putzen oder anderen Tätigkeiten nachgehen, all das ist Dienst an der Menschheit. Nach einer Aussage des Propheten (s.a.s) ist derjenige der Beste, der den Menschen am meisten Nutzen bringt. Imam Hussain wollte mit seiner Selbstaufopferung der Menschheit dienen, deswegen wurde er auch immer glücklicher, je näher der Abschied von der Erde kam. Er hatte zu seinen Gefährten gesagt : „Ihr seid die besten Gefährten, das Paradies ist euch sicher. Geht nun fort und verbreitet Islam.“ Aber die Gefährten wollten ihn nicht allein lassen. Einige von ihnen sagten, dass sie , wenn sie 100 Leben hätten, all diese für Imam Hussain (a.s) geben würden. Es gibt eine Filmszene, die die Liebe der Gefährten zu Imam Hussain (a.s) illustriert. Bis zum Mittag von Aschura sind nur noch cca. 15 Kämpfer übrig, alle anderen sind schon Märtyrer geworden. Es waren vielleicht noch 15- 17 Frauen da. Sie wollten mit Imam Hussain (a.s) das Mittagsgebet verrichten, konnten aber nicht, weil sie von den Pfeilen der Feinde bedrängt wurden. Da stellen sich einige vor die Betenden und versuchten, die Pfeile mit ihren eigenen Körpern abzuhalten. Sie schafften es durchzuhalten, bis die Gemeinde den letzten Salam gesprochen hatte….dann brachen sie zusammen, und kamen zur Quelle von Kauthar. Wenn wir diese Geschichten hören, bekommen wir Tränen in die Augen. Das darf aber nicht nur zu Aschura sein. Die Tränen reinigen uns von allen Fehlern, die wir vielleicht gegen unseren Ehepartner, die Eltern, die Kinder oder andere begangen haben. Aschura ist kein Ende, sondern immer wieder ein neuer Anfang in eine schönere Welt.



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