Eine kurze Zusammenfassung des gestrigen Vortrags von Dr. Gürhan Özoguz auf der Aschuraveranstaltung in Bremen
Vieles an Aschura wiederholt sich Jahr für Jahr, Tag für Tag, und das auch in unserem Leben. Nehmen wir nur die Medien: Wann immer dort von „Terrorismus“ die Rede ist, denkt jeder Durchschnittsleser sofort an Muslime! Die Medien haben das Bild verbreitet, dass ein „Terrorist“ nicht zufällig ein Muslim ist, sondern auch noch ein bewusster, der seine Religion ganz besonders gut praktiziert, der also Terrorist ist, gerade weil er so ein „guter“ Muslim ist!
Aber das ist alles nicht neu. Auch im Falle Imam Hussain (a.s) haben die Boten und „Nachrichtendienste“ von Yazid (la) verbreitet, als seine Medien, dass Imam Hussain (a.s) uns seine Gefährten Terroristen seien, die die Ordnung im Staat störten und die man dringend bekämpfen musste. Viele Menschen, die Imam Hussain (a.s.) und seine Getreuen nicht persönlich kannten, dachten wirklich, er sei ein gefährlicher Terrorist. Auch sehr viele gläubige Muslime waren darunter, die das dachten, „dank“ der Propaganda von Mu´awiya und Yazid.
Denken wir beispielsweise an Hurr. Hurr hatte die Aufgabe, Imam Hussain mit dessen Gefährten auf seinem Weg von Mekka nach Kufa aufzuhalten, und das tat er . Er sah Imam Hussain (a.s) als Feind an, den er stoppen musste.
Was aber tat Imam Hussain (a.s)? Wurde er zornig, beschimpfte er Hurr und dessen Truppen? Nein, im Gegenteil, er bot ihnen Wasser an, und sogar ihre Pferde ließ er trinken. Dazu muss man wissen, dass das Wasser, das eine reine Person wie Imam Hussain (a.s.) gibt, niemals verloren geht. Imam Hussain (a.s) tat dies, obwohl er wusste, was passieren würde, obwohl er wusste, wohin Hurr ihn führen würde. Die ganze Zeit, in der Hurr nun Imam Hussain (a.s) und dessen kleine Karawane begleitete, konnte er ihn sehen, mit ihm sprechen, ihn kennenlernen. Und er stellte dabei fest, dass er die ganze Zeit vorher ein falsches Bild von Imam Hussain (a.s) gehabt hatte, dass er den Propagandalügen Yazids aufgesessen war! Hurr dachte nach, Tag und Nacht. Alles, was er bislang über Imam Hussain (a.s) gehört hatte, entsprach nicht der Wahrheit, und er spürte, dass er etwas Grundlegendes in seinem Leben ändern musste. Was für ein Zustand! Er sah, dass alles, was er bisher geglaubt hatte, nur falsche Propaganda war, und wieder grübelte er Tag und Nacht. Schließlich erkannte er , dass er alles, was er bisher getan und gedacht hatte, komplett revidieren musste. Alles musste er ändern, seine Taten, Worte, aber auch Gedanken.
Als ihm dann später die Befehlshaberschaft über die Truppe entzogen wurde und er sah, dass die feindliche Armee, die zusammengezogen wurde, um Imam Hussain (as) zu töten, immer größer wurde, war für ihn der Zeitpunkt gekommen, an dem er sich für den Weg der Wahrheit oder der Falschheit entscheiden musste. Es gab kein Dazwischen mehr, ein bisschen hiervon, ein wenig davon. Er erkannte, dass er alles würde aufgeben müssen, was bisher sein Leben bestimmt hatte, wenn er dem Weg der Wahrheit folgen würde. Hurr versuchte immer noch weiter, Frieden zu stiften und bis zuletzt den Dialog aufrecht zu erhalten, schließlich sah er aber, dass dieses Konfrontation nicht friedlich enden würde. Schließlich sagte er (sinngemäß): „Ich stehe jetzt am Scheideweg zwischen dem Paradies und dem Feuer. Gibt es eine Umkehr (tauba), Sohn des Gesandten Allahs?“ (Gemeint war Imam Hussain, as). Er entschuldigte sich bei Allah und Imam Hussain (a.s), dass er zuvor falsche Gedanken über ihn gehabt hatte. Als die Armee Yazids angriff, kämpfte er auf der Seite Imam Hussains (a.s), bis er den Märtyrertod fand.
Auch wir stehen sehr oft vor dieser Entscheidung, etwas , was uns lieb und teuer war, opfern zu müssen. Wenn wir wieder von amerikanischen oder israelischen Gräueltaten hören, erfasst uns oft Wut. Aber auch , wenn uns täglich die Falschdarstellung unserer Religion in Fernsehen, Zeitungen und Internet begegnet, werden wir schnell wütend. Aber sind wir bereit, diese Wut gegen Liebe zu tauschen, wie es Imam Hussain (a.s) gemacht hat?
Wahrlich, denjenigen, die da glauben und gute Werke tun, ihnen wird der Gnadenreiche bereiten.“ (19: 96)
Genau diese Liebe hat Hurr in sich entwickelt, er hatte es geschafft und die Fronten gewechselt, so dass er bereit war, sogar sein Leben zu geben.
Wenn unsere Kinder z.B. sic hvon einem Lehrer ungerecht behandelt fühlen und sagen „ich werde es jetzt besonders gut machen, dem zeig ich´s!“, dann ist das keine richtige Motivation. Nicht aus Wut sollen sie sich anstrengen, sondern aus Liebe zu Allah.
Viele, viele Muslime in Kerbala sind dadurch in die hölle gekommen, dass sie auf der falschen Seite kämpften, aber ein Christ, der auf der Seite Imam Hussains (a.s) war, kam ins Paradies, weil er für die Wahrheit kämpfte! Aus Liebe zu Allah und zu Imam Hussain (a.s). Alles, was wir tun, sollte idealerweise durch Liebe beherrscht und motiviert sein.
Nach der Schlacht wurden alle Zelte niedergebrannt, bis auf zwei, in denen sich die Frauen und Kinder versammelt hatten, vielen von ihnen wurden die Schleier von den Köpfen gezogen, der kleinen Sukaina hatten Soldaten Yazids sogar die Ohrringe heruntergerissen, so dass ihre Ohren bluteten. Eine kleine Gruppe Menschen näherte sich diesen beiden Zelten. Zainab (a.s) rief. „Was wollt ihr, habt ihr uns nicht alles schon genommen? Was wollt ihr uns noch nehmen?“ Es war aber die Frau von Hurr, die ihnen , die seit längerem nichts getrunken hatten und fast am Verdursten waren, etwas Wasser brachte. So kam das gesegnete Wasser von Imam Hussain (a.s), das er vor der Schlacht Hurr und dessen Trupp gegeben hatte, wieder zurück. Sukaina nahm einen Becher und wollte das Zelt verlassen. Auf die frage ihrer Tante Zainab, wo sie denn mitten in der Nacht hinwolle, sagte sie: „Ich möchte meinem Vater Wasser bringen, er ist doch so durstig!“ Imam Hussain (a.s) war aber längst Märtyrer geworden….
Später dann, als die Frauen und Kinder deportiert und gefesselt zum Hof von Yazid verschleppt wurden, wurden alle blutigen Einzelheiten der Schlacht noch mal detailliert von Yazids Soldaten breitgetreten. Zainab (as.) aber sagte:
„Ma ra´aitu illa jamila“ – ich sah nichts als Schönheit.
Das war deswegen ,weil sie sah, was in den herzen war. Ihr Herz war trotz aller Gräuel beruhigt, weil ihr Ziel Liebe und Freundlichkeit war. Mögen auch wir am Ende unseres Lebens eine beruhigte Seele haben, wie dieser Vers sagt:
„Oh du beruhigte Seele, kehre zurück zu deinem Herrn, befriedigt in (Seiner) Zufriedenheit. So tritt denn unter Meine Diener, und tritt ein in Meinen Garten! (89: 27- 30)
Wir dürfen nicht vergessen, der Enkel des Propheten, die heiligste Person jener Zeit, wurde mit seiner Familie brutal geschlachtet, aber Zainab verlor trotzdem nicht ihre Liebe. Wenn mal wieder Hetzartikel in den Zeitungen oder im Internet stehen oder ein Politiker über den Islam Unsinn redet, ist das dagegen nichts. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir Unrecht klaglos hinnehmen sollen. Entscheidend aber ist die Motivation, wir dürfen auf den Hass der Islamgegner nie mit Hass oder Wut antworten.
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