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Re: Wie kann es Fremdenfeindlichkeit ohne Fremde geben?

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Von Christoph Sanders am 16. Oktober 2010 16:09:13:

Als Antwort auf: Wie kann es Fremdenfeindlichkeit ohne Fremde geben? von Yavuz Özoguz am 14. Oktober 2010 10:24:44:

Lieber Herr Özuguz,
eine schöne Anregung zum Nachdenken über das Fremde. Für mich sieht es sehr danach aus, dass die meisten Menschen um uns herum fremd sind. Es ist den Menschen nur nicht im Bewusstsein, weil niemand es hineingerückt hat. Beim üblichen Knüpfen sozialer Kontakte, was ja schon sehr früh im Menschenleben beginnt, geht es um das Kennenlernen. Da schliesse ich mich Ihrer Argumentation an. Das ist ein absoluter Normalzustand, nicht nur in unserer Gesellschaft. Aber was kann man kennenlernen? Das Vertraute oder das Fremde? Alle Menschen um uns herum sind uns solange fremd, bis man sie kennengelernt hat. Und selbst dann können sie einem noch fremd erscheinen.
Das Leben der wohlhabenden Bevölkerungsschicht, der Obdachlosen, der älteren Generationen, der Dauerfernsehgucker, der Partylöwen, verschiedener "Vollzeitaktivisten", usw. ist mir ganz klar fremd und deren Leben unterscheidet sich sicherlich stark von meinem. So etwas macht man sich nur üblicherweise nicht bewusst, solange es nicht großflächig propagiert wird.
Gerade die älteren Generationen werden uns solange nicht fremd erscheinen, wie uns niemand einhämmert, dass sie ja ganz anders sind als die jüngeren und in Wirklichkeit nur Kosten verursachen. Alle Abschieben nach Mallorca könnte als Lösung vorgeschlagen werden. Oder ins Karussell schicken (Logan’s Run).

Das Fremde befindet sich allerdings nur im Weltlichen. Eine Muslima, die nicht mit mir alleine in die Kneipe geht, erscheint mir natürlich aufgrund dieses Verhaltens fremd. Selbst wenn ich darüber bescheid weiss. Ich bin es von nichtmuslimischen Frauen anders gewohnt und verstehe es deswegen auch nicht. Diese Muslima bedroht mich dadurch aber auch nicht. Und wenn man von Einschränkung der eigenen Möglichkeiten spricht, so bewegt man sich doch auf sehr dünnem Eis. Es gibt so einige Menschen, die mit mir aus den unterschiedlichsten Gründen keine Kneipe besuchen würden. Und teilweise hat das sogar mir Gruppenregeln zu tun und nicht mit persönlichen Entscheidungen. Ein Bankdirektor würde das vermutlich nicht tun, weil es sich nicht gehört und seinem Ruf schaden könnte. "Das tut man nicht" ist u.a. eine beliebte Begründung für mehr oder weniger unsinnige Einschränkungen. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern; Jesus hat uns das nicht gesagt. Die Welt ist voll Regeln und Einschränkungen, die aber kaum jemand sieht, weil man es nicht permanent um die Ohren geklatscht bekommt. Aber zurück zum Fremden. Die Muslima, die nach anderen Regeln lebt, erscheint mir nur ohne Gott fremd. Mit Gott löst sich das Fremde auf und macht den Blick frei für das Verbindende. Auch ein Kind Gottes zu sein wie ich. Verstehen tue ich die Muslima deswegen nicht besser, es ist nur so, dass die unterschiedliche Lebensführung keine Rolle mehr spielt. Die wahrnehmbare Liebe Gottes verbindet Menschen als Geschöpfe Gottes. Unabhängig von allem Weltlichen. Dadurch nehme ich die Muslima auch als Menschen aus Gott war und sie könnte genausogut ein Muslim oder der Dalai Lama sein.
Dasselbe gilt auch für alle anderen Menschen. Selbst den Bankdirektor. Gegenüber Bankern empfinde ich im Weltlichen mehr oder weniger große Abneigung. Seelisch von Gott erleuchtet löst diese sich aber auch auf und ich empfinde auch für Banker, göttliche Liebe. Mehr oder weniger stark; das hängt von meiner persönlichen Gottesnähe ab. Gottesnähe kommt ja in den allerseltensten Fällen von selbst. Ich denke, fromme Muslime wissen auch recht gut, dass man aktiv danach streben muss.

Schon in der Bibel steht im 3 Mos: 33 Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.
34 Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.
Auch im Matthäus-Evangelium findet sich Vergleichbares. (Mt 25,34-46). Sowohl die Gerechten als auch die Verfluchten verstehen Jesu Worte nicht: "...ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen;..." bzw. "...ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen;...". Es wird leicht vergessen, dass wir alles was wir beliebigen Menschen -selbst den Geringsten (die natürlich nicht zwangsläufig die Fremden sein müssen) - (an)tun, Jesus (an)tun. Ist mir auch schon passiert. Ein gottesfürchtiges Leben zu führen ist ziemlich anspruchsvoll. Aber der einzige rechte Weg.

Ich denke Probleme mit dem Fremden ergeben sich dadurch, dass sehr viele Menschen hauptsächlich in ihrem Kopf leben und deswegen eine sehr selektive Wahrnehmung haben. Ein sehr gutes Beispiel war die Schweinegrippe. Als die Medien noch infiziert waren, hat man doch regelmäßig die Ausbreitung dieser Krankheit im Kopf gehabt. Hatte jemand geniest, kam einem schnell die Schweinegrippe in den Sinn. Das ist mir auch mehrfach passiert. Seit die Schweinegrippe aus den Medien verschwunden ist, hat man den Eindruck sie wäre sogar aus der Wirklichkeit verschwunden.

Hochachtungsvoll,

Christoph Sanders



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