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Die Riten der Unvernunft

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Von Yavuz Özoguz am 02. Juli 2010 10:32:06:

Das ganze Leben des Menschen ist durchzogen von Riten und viele Menschen merken es nicht. Doch unvernünftige Riten schaden jedem Volk.

Oft wird den Religionen vorgeworfen, sie hätten so viele “konservative“ Riten. Und insbesondere dem Islam wird vorgeworfen, dass sie eine “Gesetzesreligion“ mit vielen Riten sein. Die Tatsache, dass der Islam eine Liebesreligion ist, in der die Riten zum höchsten Genuss der Liebe führen, soll an anderer Stelle diskutiert werden. Hier geht es darum, dass es eigentlich in allen Bereichen des Lebens in Deutschland “Riten“ gibt. Im Gegensatz zu den Riten der Religionen sind sie oft nirgends festgeschrieben, sondern dümpeln als sogenannter “Brauch“ ihr Dasein vor sich hin. Und es gibt keinen Lebensbereich, in der jene Riten nicht ihr Unwesen treiben, insbesondere dann, wenn sie dümmlich, schädlich oder gar zerstörerisch wirken. Und das Hauptargument von falschen Riten ist: So haben wir das schon immer gemacht“, oder: „das war schon immer so“. Natürlich weiß jeder, dass jeder Ritus irgendwann einmal angefangen haben muss, aber danach fragt man nicht. Typisches Beispiel eines Ritus ist die Krawattenuniform, die jedem Bänker vorgeschrieben ist, obwohl auch mit einem kragenlosen geschossenen Hemd ohne Krawatte ein durchaus seriöses Auftreten möglich wäre. Ein anderes deutsches Beispiel ist, dass Fußballmeister Bier über den Kopf gegossen bekommen (wie lustig bzw. ekelig, je nach Sichtweise – aus muslimischer Sicht ist es so, als wenn man Urin über die Köpfe gießt).

Übliche Formen von Riten, konnte auch jeder beobachten, der die letzte Präsidentschaftswahl im Fernsehen (oder Internet) beobachtet hat. Nach dem dritten Wahlgang, als alles entschieden war und der neue Präsident Wulf feststand, gab es eine Szene, die das gesamte Ausmaß dümmlicher Riten auf höchster Stufe des Staates verdeutlicht und aufzeigt, dass Politik Menschen offenbar verunmenschlichen lässt. Die Auszählung war erfolgt, das Ergebnis war allen Beteiligten schon vor der öffentlichen Verkündung bekannt, Wulf hatte im Hinterzimmer seinen Rücktritt als Niedersächsischer Ministerpräsident vollzogen und saß entspannt im Saal neben einer ebenfall erleichterten Kanzlerin, die Stimmen des Kandidaten Gauck wurden genannt und daraufhin standen alle Mitglieder der SPD und der Gründen auf uns klatschten dem Kandidaten minutenlang!! Nur von der CDU, der CSU und der FDP stand niemand auf. Die Kanzlerin hätte es in der Hand gehabt aufzustehen und dem unterlegenen aber fairen Kontrahenten zu klatschen und alle hätten mitmachen müssen. Das wäre doch einmal eine echte Änderung der unsinnigen Riten gewesen! Warum kann man nicht am Ende des Tages, nach einem langen und mühsamen Wahlkampf zur menschlichen Gemeinsamkeit mit viel Respekt und Anstand sich gegenseitig Applaudieren und dem Volk signalisieren, dass wir alle zusammen die Probleme dieses Landes bewältigen müssen, selbst wenn wir unterschiedliche Konzepte und Vorstellungen darüber haben. Aber die Riten hindern die Menschen daran! Genauso war es dann auch, als die gewinnträchtige absolute Mehrheit von Wulf genannt wurde. Dieses Mal standen nur die auf, die ihn gewählt hatten. Warum eigentlich? Ist er nicht ab sofort der parteilose Präsident aller Deutschen? Was hindert die “Opposition“ im Saal, auch ihrem neuen Präsidenten Applaus zu gewähren? Aber die Riten hindern die Menschen daran.

Und wie viele solch unsinniger Riten gibt es; vor allem in der Politik! Was soll z.B. der rote Teppich vor “besonderen Gästen“? Ist das wirklich eine Ehrung? Hat sich eigentlich jemals jemand Gedanken darüber gemacht, woher jener Ritus stammt? Warum soll ein Staatsgast dadurch geehrt werden, dass er über einen roten Teppich laufen kann und nicht den Boden berührt? Hat irgendjemand den über Roten Teppich laufenden Leuten erklärt, dass es bis auf die Schilderung von Troja zurück geht? In der alten griechischen Mythologie lässt Klytaimnestra ihrem Mann Agamemnon bei seiner siegreichen Heimkehr aus Troja einen roten Teppich ausbreiten, seine Füße sollen die Erde nicht berühren. Agamemnon weigert sich jedoch zunächst, den Teppich zu betreten, und weist darauf hin, dass ein roter Teppich den Göttern der Griechen vorbehalten sei. Er wird dann doch überzeugt den Teppich zu betreten, zieht aber immerhin vorher seine Schuhe aus, um die Götter milde zu stimmen. Zwar hat es jene Szene wohl nie gegeben, aber der heutige Ritus geht wohl darauf zurück. Fragt überhaupt jemand danach? Wissen die “Teppichläufer“, dass sie über einen Teppich der “Götter“ laufen, und die damalige Götter gibt es geringfügig modernisiert auch heute noch. Oder praktizieren sie die Riten, ohne zu wissen, was dahinter steckt?

Ich erinnere mich an eine lustige Szene, als Imam Chamenei zu einem Besuch in der Provinz Urumiyya gelandet war, und die dortigen “Offiziellen“ ihm einen roten Teppich ausgebreitet hatten. Direkt am roten Teppich stand die Prominenz der Stadt, um Imam Chamene’is zu begrüßen. Der aber ging nicht über den Teppich, sondern direkt daneben, so dass der Teppich einen Abstand zwischen den Spalierstehenden Offiziellen und dem Imam bildete.

Ein weiterer Ritus ist das Begrüßen von Staatsgästen mit “militärischen Ehren“. Worin besteht eigentlich die Ehre vom Militär eines Landes begrüßt zu werden? Und wo sind die Alt68er, die solche Riten einstmals angeprangert haben, bis sie selbst in die Höhen jener politischen Ritusprediger aufgestiegen sind? Eine echte Unsitte ist die Bezeichnung “First Lady“! Niemand hat doch die Frau von Wulf gewählt oder gar eine ganze Familie! Nur der Präsident hat doch seine Frau gewählt. Warum soll das eine Funktion für das ganze Volk haben? Worin besteht die Demokratische Legitimation? Und was macht das Land bzw. die Ritenmedien, wenn Westerwelle Präsident wird?

Es gibt auch Riten in den Medien. Seit nunmehr acht Jahren hat Iran stets in ein bis zwei Jahren die Atombombe und bei keiner neuen Meldung gibt es irgendeinen Journalisten, der sich für die letzten acht Falschmeldungen diesbezüglich entschuldigt! Seit acht Jahren greift zudem Israel den Iran zum bevorstehenden Herbst an. Seit 60 Jahren will Israel angeblich Frieden mit den Palästinensern. Seit acht Jahren bringen US-Soldaten Frieden nach Afghanistan usw. usf. Ein weiterer beachtlicher Ritus besteht darin, dass die Bildzeitung die meistgelesene Zeitung Deutschlands ist, obwohl sie eigentlich niemand gelesen haben will. Das erinnert an die Zahl der Prostituierten im Land zu denen niemand geht.

Die Veränderung einer Gesellschaft zum Guten, zum Besseren, beginnt stets mit der Selbstverbesserung und der Etablierung von Werten der Vernunft in uns selbst. Jeder Ritus ist zu hinterfragen, ob es das rituelle Gebet ist oder ein roter Teppich. Und wenn man das wirklich tun würde, würde man feststellen, dass die Riten des Unsinns viel mehr sind, als die sinnvollen Riten der Wahrheit. Wir müssen Menschen ehren, die nicht so gerne über rote Teppiche laufen, aber dazu müssten wir erst selbst diesen Wunsch in uns töten. Wir müssen Menschen ehren, die nach einem fairen Wettstreit auch dem Gegner zuapplaudieren können. Aber dazu müssten auch wir dazu in der Lage sein und uns dazu erziehen. Vielleicht ist das auch eines der Gründe der etablierten Angst vor dem Islam. Denn bei einem echten sachlichen Dialog könnte sich herausstellen, dass der Islam sinnvolle Riten vertritt und unsinnige ablehnt, während es in einer veralternden Gesellschaft oft anders ist.

Vor allem müssen wir uns fragen, ob ein Leben in sinnlosen Riten zur Glückseligkeit führt oder die Hinterfragung eines jeden Ritus, das Forschen nach den Hintergründen und das Annehmen und Akzeptieren von nur sinnvollen Riten. Jeder Mensche braucht Halt im Leben. Manche glauben in den nicht hinterfragten Riten Halt zu finden. Das hat Deutschland schon zwei Mal in jüngster Geschichte zum Abgrund geführt. Es wird aber Zeit, dass wir vor dem Dritten Mal “ausbrechen“ aus den falschen Riten.



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