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Vom krummen Bewusstsein eines Kamels

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Von Yavuz Özoguz am 07. April 2010 09:34:15:

Vom krummen Bewusstsein eines Kamels

So lange die Menschen nicht die Potentiale ihres Bewusstseins nutzen, so lange haben sie es nicht verdient, Erkenntnis zu erhalten.

Es gibt im Orient eine Geschichte über ein Kamel, das gefragt wir, warum es einen krummen Hals hat. Das Kamel fragt zurück: „Welcher Teil meines Körpers ist denn nicht krumm, dass Dir mein Hals auffällt“? So oder so ähnlich könnte man die Situation der Islamischen Welt betrachten. Welcher Teil des Bewusstseins der Mehrheit der Muslime ist denn nicht krumm, als dass es den Muslimen besser gehen sollte?

Derzeit könnte man über die Massaker der Westlichen Welt in der muslimischen Welt ganze Bände füllen mit Fakten und Tatsachen. Ob die Massenerschießung von Zivilisten aus einem Hubschrauber oder die Ermordung von schwangeren Frauen, alles ist dokumentiert und hinreichend belegt. Aber der Islam beteiligt grundsätzlich den Unterdrückten an der Schuld der Unterdrückung, indem er auch ihm eine gewisse Mitverantwortung zuschreibt. Niemand kann etwas dafür, wenn er erschossen wird. Aber jeder ist mit Schuld, wenn er schweigt! Wie aber kommt es zu solch einem Schweigen; ein Schweigen bei so vielen Ungerechtigkeiten unter Muslimen? Sicher, wir alle stellen uns gegen sogenannte Ehrenmorde, aber wo ist der Aufschrei in den betroffenen Gebieten in Dörfern der Muslime? Ist es ein Wunder, wenn ungebildete Menschen ungebildete Verhaltensweise mit sich schleppen, wohin sie auch immer gehen? Sicher, wir sind alle gegen Zwangsheiraten, aber welche Möglichkeiten eröffnen wir unserer Jugend, den geeigneten Partner zu finden auf islamische Weise?

Da kommen dann die Hetzer des sogenannten Reform-Islam und wollen zumeist gleich den ganzen Islam abschaffen, um einen neuen Kuschelbär-Islam zu etablieren, der sich ja nicht mehr für Gerechtigkeit einsetzt und ja nicht die gesamte Ungerechtigkeit der Westlichen Welt anprangert. Aber welches Recht haben manche Muslime, irgendein Unrecht anzuprangern, wenn sie doch eine ungerechte Perversion des Islam tagtäglich rechtfertigen. Waren da nicht diese Kalifen, die das gleichmäßige Grundeinkommen abgeschafft haben und neue Privilegien eingeführt haben? War das gerecht? Und war da nicht dieser erste Erbmonarchie-Kalif, der innerislamische Kämpfe angefacht hat, um dann seinen verkommenen Trunkenboldsohn an die Macht zu hieven? War das nicht eine perverse Reform? Warum wird jener Verbrecher von einigen Muslimen immer noch verehrt? Islam verbietet Erbmonarchie, aber heutige saudische Könige praktizieren mit US-Hilfe genau das, und viele Muslime verehren sie dafür. Ist das nicht eine perverse Reform? Und war da nicht einstmals jener großer “Eroberer“, der die wichtigsten Städte der Byzantiner erobert hat? In seinem Machtwahn hat er das Gesetz erlassen, dass ein Kalif zum Schutz der Macht auch seine kleinen unschuldigen Brüder umbringen darf. Der Heilige Qur´an sagt unmissverständlich, dass jeder, der auch nur einen einzigen unschuldigen Menschen umbringt, so ist, wie jemand, der die ganze Menschheit umgebracht hat. Jener “Reformator“ aber behauptet, dass man unschuldige Kinder umbringen darf, und manche Muslime nennen ihre Moscheen nach solch einem Menschen. Mit welchem Bewusstsein wird hier agiert?

Der Islam empfiehlt gepflegte Schlichtheit als Schönheit. Manche Frauen tragen unter dem Kopftuch einen Liedstrich in der Öffentlichkeit; für wen? Der Islam empfiehlt Anteilnahme an der Seite der Unterdrückten, aber noch immer achten viele Muslime nicht darauf, wessen Waren sie konsumieren. Ist das Bewusstsein? Der Islam fordert zur Einheit auf und wertet diese Einheit viel höher, viel bedeutsamer, als jegliche Meinungsunterschiede im Detail, aber manche muslimischen Verbände werten die Meinungsunterschiede im Detail höher, als die Einheit; und das ist weltweit so. Ist das die Vertretung des Islam?

Israel ist das deutlichste aktuelle Beispiel dafür, in welcher Lage Muslime heute sind. Seit nunmehr über 60 Jahren besteht jenes zionistische System und betreibt seither eine Politik der Vertreibung und der Massaker an der Zivilbevölkerung. Und Muslime sind nicht in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Jeder Steine-werfende Junge in Palästina hat mehr für die Freiheit seines Landes bewirkt, als z.B. die gesamte ägyptische Armee. Und die Tatsache, dass ein Pharao so ungestört eines der bevölkerungsreichsten muslimischen Länder beherrschen und noch ungestörter eine Stahlmauer gegen den Gaza-Streifen errichten kann, ist bezeichnend für die Lage der Muslime!

Es gibt aber eine zweite Geschichte von einem Kamel. Einstmals sucht ein Besitzer sein entlaufenes Kamel und fragt umher. Einer der Befragten fragt zurück: „War Dein Kamel an einem Bein lahm?“ – „Ja das ist mein Kamel“ – Und war das Kamel auf einem Auge blind?“ – „Ja das ist mein Kamel, wo ist es“ – „Und hatte das Kamel Reis geladen?“ – „Ja genau, gib mir mein Kamel zurück.“ Darauf sagte der Befragte, dass er das Kamel nicht gesehen habe. Der nunmehr wütende Besitzer schleppt den Mann zum Richter. Dort beschreibt der Befragte, dass er auf dem Weg die Spuren eines Kamels gesehen habe, wobei ein Fußabdruck stets geringer eingedrückt war, so dass er angenommen habe, dass es lahmt. Zudem war das Gras auf einer Seite des Weges abgeweidet, aber auf der anderen Seite nicht, so dass er angenommen hat, dass es auf einem Auge blind sei. Und nicht zuletzt lagen am Wegrand einige Reiskörner. Der Mann wurde frei gesprochen.

Ist aber ein halbblindes lahmendes Kamel so viel wirkungsvoller in diesem Leben, als wir Menschen, dass es eine eindeutige Spur hinterlässt, so dass es nicht verwechselt werden kann und wir Menschen nur Raub, Mord, Vertreibung, Finanzchaos, Ungerechtigkeit und ähnliche Spuren hinterlassen? Ist das wirklich der Mensch, von dem die Engel zu Recht angenommen haben, dass er die Erde verwüsten wird?

Es gibt aber seit einigen Jahrzehnten auch eine andere Spur auf diesem Planeten. Es ist die Spur der Liebe. Ein begnadeter Heiliger hat sich hingesetzt und aufrichtig gebetet. Das Ergebnis war die Vertreibung der mächtigsten Marionette der Westlichen Welt. Seither haben die Vertreter von Reichtum, Imperialismus und Hegemonialbestrebungen fast alles, aber auch wirklich fast alles versucht, um diese System zu zerstören. Aber es ist ihnen nicht gelungen – Gott sei Dank! Der begnadete Geistliche ist zu seinem Schöpfer zurückgekehrt und hat einen noch Begnadeteren hinterlassen. Er wird geliebt von den Armen der Welt und gehasst von den Reichen. Er wird unterstützt vom “Fußvolk“, von den “Barfüßigen“, von den Bärtigen, und gehasst von den Krawattenträgern, den Rasierten, den Reichen, den Verschwendern. Er wird gelesen von jenen, die nach Gerechtigkeit streben und verleumdet von jenen, der Dasein auf Unterdrückung aufbaut.

Die Spuren sind klar! Der Verursacher der Spuren ist auch klar. Und es liegt an uns die Spuren richtig zu deuten.

Aber auch wir müssen Spuren hinterlassen, Spuren der Liebe. Schaut euch doch z.B. jene hasserfüllten Wahabiten an, die sich anmaßen, im missbrauchten Namen des Islam andere zum Islam geradezu nötigen zu wollen. Sie kennen das Wort Liebe nicht! Weder lieben sie Gott noch ihre Mitmenschen. Der wahre Muslim aber muss genau das tun: Er liebt seinen Schöpfer, spürt mit jedem Atemzug, wie er von seinem Schöpfer geliebt wird und gibt diese Liebe in jedem Atemzug weiter. Hatte nicht schon Goethe im West-Östlichen-Diwan gedichtet:

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
Die Luft einziehen, sich ihrer entladen:
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich presst,
Und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt.

Ja wahrlich, in jedem Atemzug steckt Liebe ; eingeatmete Liebe und ausgeatmete Liebe, um sie weiter zu geben. Und auch der letzte Atemzug endet mit dem Ausatmen! Um das zu spüren, bedarf es eines Bewusststeins. Dieses Bewusstsein kann sich in unserer Epoche besser entwickeln denn je zuvor nach dem Propheten! Nie zuvor hatten wir eine solch großartige Möglichkeit dazu. Doch darf man sich dabei nicht verzetteln.

Der Kampf gegen das Unrecht, der Einsatz gegen Unterdrücker, das Engagement gegen die Perversion des Islam durch Wahabiten oder so genannte “Reform-Muslime“ und vieles andere mehr dürfen nie zum Selbstzweck werden! Nie darf ein Mensch “Freude“ allein an einem Einsatz “gegen“ etwas empfinden. Vielmehr müssen wir lieben, lieben und noch einmal lieben und uns daher “für“ etwas einsetzen; für Wahrheit, für Gerechtigkeit, für die Namen Gottes! Und all jener Einsatz macht erst in Folge der wahren Liebe einen Sinn.

Dieses Bewusstsein in sich zu entwickeln ist ein langwieriger und intensiver Prozess. Er ist aber die Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft nicht mehr so behandelt werden, wie ein Kamel. Ein Kamel wird nie die Erkenntnis erhalten können, die ein Mensch erhalten kann. Der Mensch aber kann Träger des Geistes Gottes in seinem Herzen sein. Und solch ein Thron muss wahrlich geschützt und gepflegt werden.

Wir stehen vor Zeiten großen Wandels in vielerlei Hinsicht. Die Bewusstseinsentwicklung ist von großer Bedeutung, um bei dem sicherlich auch turbulent wirkenden Wandel die Orientierung nicht zu verlieren.

Nachfrage: Ja, und wie ist es mit der “Mehrheit“, die das nicht versteht? Es steht uns nicht zu darüber zu urteilen, wie die Mehrheit denkt, aber wir richten unsere Gedanken nicht nach Mehrheit, sondern nach Wahrheit.




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