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Von Yavuz Özoguz am 24. März 2010 09:25:01:

Imam Chamene’i hat das neue Jahresmotto verkündet und ein Geringer unter denjenigen, die sich seine Anhänger nennen, versucht es zu verstehen.

Der entscheidende Satz in der Neujahresbotschaft Imam Chamene’is lautete nach der Übersetzung von Muslim-TV: „Ich ernenne dieses Jahr zum Jahr der doppelten Strebsamkeit und der doppelten Arbeitsleistung“ und gemäß Übersetzung von IRIB: „Ich ernenne dieses Jahr zu einem Jahr der größeren Strebsamkeit und größeren Bemühung.“ Ob “doppelt“ oder “größer“, ob “Arbeitsleistung“ oder “Bemühung“, in jeden Fall liegt ein Aufruf zur Intensivierung des Gottesdienstes und damit vor allem Dienst an der Menschheit vor, sowohl in der Absicht, der Vorbereitung, der Ausführung und der Nachbearbeitung.

Zweifelsohne ist die Ausgangssituation unter den Menschen sehr unterschiedlich. Ein Mensch, der sich ein ganzes Jahr nie um die Menschheit geschert hat, und an wenigen Feiertagen eine halbe Stunde für die Hingabe seiner Lebensleistung in das Meer der Einheit aufgewandt hat, wird keine großen Probleme verspüren, diese Leistung zu verdoppeln und jetzt eine Stunde zu “opfern“, aber so ein Mensch wird die Rede Imam Chamene’is ohnehin kaum ernsthaft verfolgen und noch weniger ernst nehmen und umsetzen. Wie aber ist es mit jenen, die bereits 16 Stunden am Tag praktizierte Nächstenliebe in allen Bereichen des Lebens versuchen zu praktizieren? Wie ist es mit jenen, die vom Morgengebet über das Frühstück bis zum Nachtgebet und der Ruhezeit sich versuchen bestmöglich Gott zu ergeben? Wie soll ein Mensch, der sich bereits 16 Stunden am Tag auf dem Weg Gottes für die Menschheit engagiert, seine Arbeitsleistung verdoppeln? Aber nicht nur jene wenigen Anhänger in der unmittelbaren Nähe Imam Chamene’is, auf die jener große Einsatz gilt, stellen sich diese Frage, sondern auch viele “normale“ Dienstleistende in der Ferne, die auch nur noch wenig Potential sehen, ihren Zeitaufwand zu “verdoppeln“.

Die Antwort auf diese Frage liegt nicht im Umfang, nicht in der Zahl der Stunden, sondern in der Intensität und Effektivität der Arbeit. Dazu einige Beispiele: Ein Kind, das noch nicht Arabisch lesen kann, wird, wenn man ihn die Buchstaben des Heiligen Qur´an zeigt, einige gekrümmte Linien sehen, die es nicht verstehen kann. Lehrt man dem Kind arabisch lesen, wird es in der Anfangszeit eine halbe Stunde brauchen, bis es zwei Seiten gelesen hat. Übt es immer mehr kann es diese Zeit bis zu drei Minuten reduzieren. Dann aber hat das Kind noch nicht verstanden, was dort steht. Lernt es die Bedeutung und liest es die Seiten mit der Bedeutung, dann wird es immer mehr davon verstehen usw.. Die zwei zu lesenden Seiten ändern sich nicht. Aber die Leistung der lesenden Person ändert sich abhängig vom eigenen Vermögen.

Ein zweites in der westlichen Welt eher geläufiges Beispiel, insbesondere für die Leser dieser Zeilen, ist das Tippen auf der Computertastatur. Der ungeübte “Tipper“ tippt einen Text mit dem Adler-Suchsystem und schafft dabei ca. 60-100 Anschläge in der Minute, aber nur dann, wenn er einen eigenen Text schreibt. Muss er etwas abschreiben, also seine Augen immer wieder von der Tastatur abwenden, kann es auch langsamer sein. Jemand, der das 10-Finger-System halbwegs gut beherrscht, wird locker über 200 Anschläge kommen. Jemand, der es zudem absolut blind beherrscht, wird über 400 Anschläge kommen. Und eine professionelle Sekretärin schafft locker 600 und mehr Anschläge in der Minute! Gegenüber dem einfachen “Tipper“ kann sie die Leistung nicht nur verdoppeln, sondern verzehnfachen! Was ist aber, wenn sie bereits zu den “Besten“ gehört? Dann gibt es sicherlich andere Lebensbereiche, in denen sie sich genau so steigern kann!

Tatsächlich ist das Streben des Muslims ein Weg der Vervollkommnung. In der Rede heißt es dazu: „Wir bitten Gott um die besten Zustände, die besten Tage und die beste Situation. Denn das große Bestreben eines Menschen als Muslim ist es, in allen Bereichen das Beste zu erreichen.“ Der Weg ist das Ziel, denn “das Beste“ ist Gott und Gott ist unerreichbar. Aber im Herzen desjenigen, der sich Ihm vollständig ergibt, baut Gott seinen Thron. Die Augen desjenigen, der sich Ihm vollständig ergibt, sehen mit “Seinen Augen“, er hört mit “Seinen Ohren“, spricht mit “Seiner Zunge“.

Imam Chamene’is Rede ist zweigeteilt. Im ersten Teil führt er einen Rückblick durch. Der Mensch muss sehen, woher er kommt, wie die Ausgangslage war, um dankbar für das erreichte zu sein. Das erreichte ist die Annäherung an Gott. Im zweiten Teil aber blickt er in die Zukunft und hier muss der Mensch darauf schauen, was noch erreichbar wäre, und da gibt es noch unendlich viel zu erreichen. Dabei muss sich der Mensch aber in Klaren darüber sein, dass es nicht Gott ist, der unseres Dienstes bedarf. Gott kann jedem Menschen helfen, ohne dass wir es tun! Wir sind es, die Seiner Gnade bedürfen! Und wenn Gott uns dafür einsetzt, anderen Menschen helfen zu dürfen, uns für die Menschheit und Menschlichkeit einsetzen zu dürfen, dann ist das nicht unser “Verdienst“, sondern die Gnade Gottes, in uns das zu vollenden, wofür Er uns erschaffen hat. Ja, Er hat uns erschaffen, damit wir Seine Liebe empfangen sollen. Der Gottesdienst ist die Empfangsbereitschaft für seine Liebe. Und genau diese sollen wir nun gemeinsam steigern. Zu nichts geringerem hat uns Imam Chamene’i aufgefordert; die Liebe Gottes intensiver zu empfangen!

In einer weitergehenden Betrachtung wirkt das Jahresmotto auch wie eine Art spirituelle Mobilmachung. Eine Verteidigungsarmee macht Mobil, wenn ein Angriff von Gegnern bevorsteht, um gerüstet zu sein. Ein Organisationsteam macht mobil, wenn eine Großveranstaltung unmittelbar bevorsteht, um diese bestmöglich zu absolvieren. Menschen manchen innerlich “mobil“, wenn eine Prüfung bevorsteht, die zu bewältigen einer intensiven Vorbereitung bedarf. Imam Chamene’i ruft uns dazu auf, unsere inneren Kräfte “mobil“ zu machen, um die äußere Leistung, welche in die Nächstenliebe für die ganze Menschheit münden soll, zu intensivieren. Wer weiß, was uns bevorsteht?

Wenn wir verinnerlicht haben, dass wir erschaffen wurden, um Gottes Liebe zu empfangen und das, was Er uns geben will, so großartig, so umfassend ist, dass wir es uns gar nicht vorstellen können, dann werden wir uns Ihm ergeben, auch in unserem täglichen Dienst. Wie aber soll jemand – z.B. die Krankenschwester, der Fensterputzer oder aber der Akademiker – seinen täglichen Lohnerwerb Gott widmen?

Es ist nicht so schwer, wie es scheint. Er sieht im Broterwerb eine erlaubte Handlung, um die ihm auferlegte Pflicht der Familienversorgung zu erfüllen. Dadurch fallen er und seine Familie niemandem zur Last (keinem Sozialwesen). Allein das ist schon ein Dienst an der Menschheit. Ist noch arbeitsuchend, so intensiviert er diese Suche mit dem Ziel, niemandem mehr zur Last zu fallen. Und er bemüht sich, zu den Besten in seinem Bereich zu gehören. Es spielt dabei keine Rolle, ob er Fensterputzer oder Akademiker ist. Er bemüht sich, sich zu den Besten zu entwickeln und dadurch immer “besser“ zu werden. Dadurch zeigt ihm Gott Wege auf, mehr Geld zu verdienen, mehr auf Gottes Weg auszugeben, mehr Zeit für den Einsatz auch außerhalb seines Berufes zu haben usw.. Und solch ein Mensch ist eine Bereicherung für jede Gesellschaft. Und er steigert diese Fähigkeit, indem er stets daran denkt, dass alles eine Gnade des Allmächtigen ist, Der ihn als Werkzeug einsetzt, Der ihm die gegeben Möglichkeiten (seien sie klein oder groß) gegeben hat. Und alle gemeinsam setzten sich für eine menschlichere Welt ein, damit auch andere spüren können, welche Liebe vom Allliebenden ausgeht! Ist das nicht ein wunderbares Jahresmotto?

Dem Autor dieser Zeilen steht es nicht zu, die Worte Imam Chamene’is – möge Allah Ihn schützen – zu interpretieren! Die vorliegenden Zeilen sind lediglich der Versuch, das eigene bescheidene Verständnis einer wichtigen Aufforderung mit den Lesern zu teilen. Das eigene Verständnis ist weder vollständig noch hinreichend. Es ist lediglich die Anregung an uns alle, vor allem an den Autor selbst, über die wertvollen Worte der Heiligkeit unserer Zeit nachzudenken.



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