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Grundeinkommen - ein islamisches Konzept auch für Deutschland

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Von Yavuz Özoguz am 19. März 2010 10:10:19:

Wird über den Islam in Deutschland gesprochen, fallen den Hofjournalisten nur negativ behaftete Begriffe ein. Dass der Islam aber auch eine Bereicherung und Befreiung sein kann, wird ganz bewusst verschwiegen.

Der Prophet des Islam hat im islamischen Wirtschaftssystem bereits vor über 1400 Jahren ein Konzept eingeführt, das heute unter dem Begriff “Grundeinkommen“ in Deutschland zumindest unter “alternativen“ Denkern diskutiert wird. Unmittelbar nach dem Ableben des Propheten des Islam haben die ersten drei ihm nachfolgenden Kalifen das reine und gleichmäßig verteilte Grundeinkommen in eine Art “gewichtetes“ Grundeinkommen abgewandelt, wobei bestimmte Bevölkerungsgruppen mehr erhielten. Der vierte Kalif hat diese Ungleichmäßigkeit wieder rückgängig gemacht, weshalb die vorher privilegierten Schichten die bis dahin schlimmsten Bürgerkriege innerhalb der Muslime seit dem Propheten entfacht haben. Der fünfte Kalif hat das Grundeinkommen schlichtweg ganz abgeschafft und stattdessen die Erbmonarchie wieder eingeführt, und seither war das gleichmäßig verteilte Grundeinkommen kein Thema mehr unter Muslimen. Erst mit der Islamischen Revolution im 20. Jh. n.Ch. und den Autoren der Islamischen Revolution (Stichwort “Unsere Wirtschaft“ von Muhammad Baqir Sadr, der von Saddam mit westlicher Duldung ermordet wurde) kam das Thema wieder auf die Tagesordnung islamischer Diskussionen.

Mit dem Sieg der Islamischen Revolution im Iran 1979 konnte das Konzept aber zunächst nicht eingeführt werden. Ein von der westlichen Welt (und damals existierender östlicher Welt) unterstützter Krieg gegen die junge Islamische Republik über fast ein Jahrzehnt, der Aufbau des neuen Staates, unterschiedliche miteinander konkurrierende Idealvorstellungen innerhalb des Staates, die ständige Bedrohung durch die Westliche Welt und ein nunmehr drei Jahrzehnte andauernder Boykott durch die Westliche Welt, hat so manche progressive Entwicklung etwas verlangsamt (aber die wissenschaftliche Unabhängigkeit dafür beschleunigt). Es ist dem neuen Präsidenten Ahmadinedschad (mit voller Unterstützung von Imam Chamene’i) zu verdanken, dass das Thema wieder auf die Tagesordnung der Islamischen Republik Iran gekommen ist und diskutiert wird. Es sind allerdings die nach wie vor auch im Iran existierenden konservativen Kräfte, die die Einführung des Grundeinkommens (noch) verhindern. Hierbei muss erwähnt werden, dass die westliche Hofberichterstattung den Begriff “konservativ“ bereits auf Imam Chamene’i und Ahmadinedschad angewandt hat, so dass hier gewisse Ahnungslosigkeiten zutage treten. Tatsächlich ist Ahmadinedschad der seit zwei Jahrzehnten progressivste Präsident der Islamischen Republik Iran (damals war Imam Chamene’i Präsident). Hingegen waren es die vom Westen so geliebten Präsidenten Khatami und Rafsandschani, die sicherlich nicht an eine Umverteilung des Volksvermögens an die Armen gedacht haben. Während die Einführung des Grundeinkommens in der Islamischen Republik Iran Sache der Iraner ist, ist es aber durchaus nachdenkenswert über dieses sinnvolle Konzept auch einmal für Deutschland nachzudenken – auch aus islamischer Sicht.

Dabei wird neben all der Problematik selbst auch deutlich, dass es viel schwerer ist, über konstruktive Konzepte nachzudenken und Problemlösungen zumindest anzuregen, als die falschen Weg zu kritisieren. Ein konstruktiver von bewussten Muslimen in Deutschland gelebter Islam muss aber vor allem FÜR etwas eintreten, und nicht dagegen. So sind wir an erster Stelle FÜR Gerechtigkeit und nicht GEGEN Ungerechtigkeit. Zweiteres folgt aus Ersterem und nicht umgekehrt. Das setzt aber auch voraus, dass wir unsere Gerechtigkeitskonzepte, so unmöglich deren Übertragung auf die aktuelle Situation auch erscheinen mag, zumindest vorstellen und vorleben.

Es ist schon eine ganze Reihe zum Thema “Grundeinkommen“ in deutscher Sprache veröffentlicht worden und das Internet ist voll mit detaillierten Ausführungen und Diskussionen, so dass hier einerseits nur eine kurze Zusammenfassung gegeben werden soll, aber andererseits auch aus einer islamischen Denkweise begründete Ergänzungen in die Diskussion hineingetragen werden sollen, die darlegen, wie Muslime – wenn sie den Islam leben – eine Bereicherung für jede Menschlichkeit anstrebende Gesellschaft sein können.

Um die Betrachtungen extrem zu vereinfachen, wird hier pauschalisiert angenommen, dass jeder Bürger mit deutscher Staatsangehörigkeit bis 6 Jahre 100 EUR von 6 bis 16 jeweils 300 EUR und danach 500 EUR pro Monat erhalten soll. Bei 80 Mio. Deutschen sind ca. 4 Mio. Bürger unter 6, ca. 12 Mio. Bürger zwischen 6 und 16 und die restlichen 64 Mio. Bürger älter. Die Kinder bräuchten insgesamt 4,8 Mrd. EUR pro Jahr, die Jungendlichen 43,2 Milliarden und der Rest, 384 Mrd. oder alle zusammen 432 Mrd. EUR pro Jahr.

An dieser Stelle könnte man die Diskussion um ein halbwegs realistisches Grundeinkommen bereits beenden, denn der gesamte Bundeshalt beträgt nur knapp 300 Mrd. EUR. Und davon ließe sich bestenfalls die Hälfte auf diesen Posten übertragen, selbst wenn man die Zinsen der Bundesschuld von 40 Mrd. abschafft.

Ganz anders sieht die Betrachtung aus, wenn man die in Deutschland ansässigen Unternehmen mit berücksichtigt. Allein die 30 größten DAX-Unternehmen haben nämlich in einem normalen Gewinnjahr ca. 100 Milliarden Reingewinn erzielt! Zwar stellt sich hier die Frage, warum denn jene Gewinne an den Staat fließen sollten, da kein kommunistisches System angestrebt wird, aber es stellt sich durchaus auch die Frage, warum jene Betriebe nicht – privat wie sie sind – zumindest teilweise dem Staat gehören sollten (vgl. VW in Niedersachsen). Wohlgemerkt hier sind nur die 30 größten Betriebe berücksichtig, die allerdings sehr wenig zum bundesweiten Steueraufkommen beitragen, denn die Förderungen die jene Unternehmen erhalten sind meist höher, als die Steuern, die sie zahlen!

Zudem könnte man eine Art Grundsteuerabgabe im Gehalt der Erwerbstätigen einführen (anstelle von Arbeitslosengeld, das dann entfällt). Sämtliche Verwaltungen von Harzt IV, Bafög, Arbeitslosengeld, Zivildienstgehalt, Sold für Pflichtdienstleistende usw. könnten abgebaut werden, da ja jeder durch sein Grundgehalt abgesichert ist. Auch die Diskussion um einen Mindestlohn würde entfallen, da ja jeder – abgesichert wie er ist – nicht so ohne weiteres ausgebeutet werden kann. Der nunmehr um einige Zukunftssorgen erleichterte Bürger könnte mündig und befreit zur positiven Gestaltung der Gesellschaft beitragen.

Selbst die Integration von Ausländern könnte mit dem Grundgehalt vereinfacht werden. Koppelt man die das Grundgehalt strikt an die Staatsbürgerschaft und fordert von den Einbürgerungswilligen einen ausgeweiteten Sprachtest, so wird man sich wundern, wie schnell die so schwere deutsche Sprache doch erlernbar ist. Eine höhere Sprachbildung und daran gekoppelt Bildungsgrad würde auch die Kriminalitätsrate vermindern usw..

Voraussetzung aber wäre ein völlig neues Denk- und Wertesystem, bei dem die Schere zwischen arm und Reich nicht so extrem auseinanderdriften darf! Denn nach statistischen Angaben beträgt allein das Privatvermögen in Deutschland (inkl. Immobilien) rund 8 Billionen EUR. Gleichmäßig verteilt auf jeden Bundesbürger wären das 100.000 EUR pro Bürger! Man stelle sich das nur vor. JEDE dreiköpfige Familie in Deutschland könnte ein Haus im Wert von 200.000 EUR haben, und weiteren Besitz im Wert von 100.000 EUR. So viel Reichtum ist wirklich hinreichende Basis, um zumindest in der eigenen Heimat ein Paradies auf Erden zu gestalten, und das ohne Berücksichtigung von Grundeinkommen, ohne Berücksichtigung von Firmenvermögen, das noch viel höher ist, und ohne dass irgendjemand leiden müsste. Die tatsächliche Verteilung sieht aber so aus, dass weniger als 10% der Bevölkerung über mehr als 60% der Vermögen verfügt, hingegen 27% der Bevölkerung gar nichts hat! Es bedarf wirklich keines ausgeprägten Gerechtigkeitssinns, um zu erkennen, dass hier ein sehr ungerechtes System vorliegt. Und das, was hier für Deutschland dargelegt wurde, ist weltweit noch viel schlimmer!

Das Grundeinkommen ist sicherlich ein Denkansatz, der in der Einbindung in ein ganzheitliches Gesamtsystem eine Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik hervorrufen könnte. Hier stellt sich nun die Frage an die Verantwortungsträger der Gesellschaft wie auch an jeden einzelnen Bürger: Muss das bestehende System mit all dem daran gekoppelten Leiden erst total zusammen brechen, bevor man etwas Neues andenkt, oder gibt es nicht die Möglichkeit einer “sanften“ Revolution, in der die Vernunft siegt?

Diese Frage muss jede Bevölkerung für sich selbst entscheiden. In der Islamischen Republik Iran ist diesbezüglich schon längst eine intensive Diskussion entbrannt. Grundlage dafür ist auch deren Verfassung in der es heißt: „Bei der Festigung der ökonomischen Grundlagen geht es prinzipiell um die Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen während seines Reife- und Entwicklungsprozesses, aber nicht, wie bei den anderen ökonomischen Systemen, um Zentralisierung und Akkumulation des Kapitals oder um Profitsucht, zumal die materialistischen Schulen die Wirtschaft als Selbstzweck betrachten, was auf dem Wege zur Entwicklung als Faktor der Zerstörung, Korruption und Verderbnis wirkt. Im Islam jedoch ist die Wirtschaft ein Mittel, und von einem Mittel erwartet man nur, zweckmäßig für das Erreichen eines Zieles zu sein. Aus dieser Sicht besteht das islamische Wirtschaftsprogramm darin, die geeigneten Grundlagen zur Entfaltung der unterschiedlichen menschlichen Kreativitäten zu bereiten. Der Islamischer Staat hat infolgedessen die Aufgabe, für alle Bürger gleiche und angemessene Möglichkeiten zu sichern, Arbeit zu beschaffen und die notwendigen Bedürfnisse bei der Weiterführung des Entwicklungsprozesses zu befriedigen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat ein Grundgesetz, das aus Sicht von moralisch selbsterzogenen Verfassungshütern sicherlich keine allzu anderen Ziele verfolgen wird. Dennoch wird das Land von Menschen beherrscht, die ernsthaft glauben, dass der unmenschliche Kapitalismus, der bereits gegen den ersten Artikel des Grundgesetzes verstößt, ein Verfassungsbestandteil sei. Deutschland ist zwei Mal aus Katastrophen wieder aufgestanden. Wie wäre es, wenn es beim Dritten mal einen Neuanfang gibt, bevor die Katastrophe wieder eintritt?

Den wirklichen Neuanfang müssten Idealisten (und eben auch Muslime) in ihren eigenen Betrieben durchführen. Das Gehalt der Firmeneigner müsste von ihnen selbst “gedeckelt“ werden, um möglichst vielen Menschen Arbeit zu bieten. Allein die Vorstände der DAX-Unternehmen in Deutschland verdienen in einem Jahr rund 600 Mio. EUR. Davon könnten 5000 Menschen mit einem Monatsgehalt von jeweils 10.000 EUR leben! Muss man damit verarmen? Aber wer ist dazu bereit, seinen eigenen – durchaus ansehnlichen – Lebensstandart zu “deckeln“? Welcher Muslim verzichtet auf Gehalt (auf viel niedrigerem Niveau), damit andere einen Verdienst haben? Einstmals hatten “Linke“ jene Ideen auch. Einige derjenigen, die diese Iden lautstark auf den Straßen gebrüllt haben, und dafür sogar kriminell Pflastersteine auf Polizisten geworfen haben, gehören heute zu den Bestverdienern im Land und erhalten 10.000 für einen einzigen Vortag!

Einmal mehr wird deutlich, dass ein Umdenken nur möglich mit Selbsterziehung ist. Ein wirklich konstruktives Wirken ist nur möglich, wenn jeder bei sich anfängt. Wenn derjenige, der die ideale der Bescheidenheit und Gottesehrfurcht gekoppelt an Gerechtigkeitssinn vorlebt, die höchste Ehre im Land erhält, dann werden immer mehr Menschen das anstreben. Will aber letztendlich jeder nur “reich“ werden und neidet das Gehalt eines unnützen Formel I Piloten, dann bekommt er genau das, was er sich wünscht: Immer reicher werdenden Menschen. Ob er dazu gehört, ist eher fraglich.

Das Umdenken beginnt stets bei jedem selbst! Einen anderen Weg haben auch die zu Wundern befähigten Propheten nie gezeigt. Und der Erlöser wird erst dann kommen, wenn hinreichend Menschen zum Umdenken bereit sind!



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