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Wenn nicht nur Sexualität unreligiös auf den Kopf gestellt wird

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Von Yavuz Özoguz am 08. März 2010 11:11:45:

Wenn nicht nur Sexualität unreligiös auf den Kopf gestellt wird

Was die Nachrichten derzeit über die katholische Kirche berichten, ist bedauerlicherweise dazu angetan, die Katholiken von Gott zu entfernen, und das kann keinem gottesehrfürchtigen Menschen gleichgültig sein!

Nach unserem letzten Artikel mit einem der Bibel entlehnten Titel „Sie haben Sturm gesät und Wahnsinn geerntet“ haben wir ungewöhnlich viele Zuschriften von Christen erhalten, die uns einerseits mit Hinweisen aus der Bibel auf die aktuelle Situation aufmerksam machen wollten und andererseits selbst nach Auswegen suchen. Einige haben uns auch kritisiert für unseren Satz in dem Artikel:

„Sie wollten Muslime sexuelle befreien, jetzt bricht das unmenschliche Lügengebilde des Zölibats über ihnen zusammen.“

Die Meisten Zuschriften haben uns aber mit Informationen bereichert, von denen wir im Folgenden Nutzen für uns und unsere Leser ziehen möchten – so Gott will:

Ja, wenn es um die Sexualität geht, noch dazu um die Pervertierung dieses Gnadengeschenks Gottes an die Intimität der Ehepartner, dann werden Emotionen frei, die einen “aufrütteln“. Einerseits ist allen eine glückliche Ehe führenden Paaren, sowohl unter Christen als auch unter Muslimen klar, dass die jeweils eigene Sexualmoral der “Mehrheit“ ihrer Geistlichen und der eigenen Geschichte alles andere als “gesund“ ist. Andererseits ist ihnen aber auch klar, dass die so genannte “sexuelle Befreiung“, wie sie die westliche Welt praktiziert, zu noch mehr Perversion führt, als die Unterdrückung der Sexualität. So wundern sich muslimische Aktivistinnen immer mehr über Christinnen und so genannte “Feministinnen“ in der westlichen Welt, die Prostitution und Pornographie so schweigsam als quasi-naturgegeben hinnehmen. So oder so muss ein Weg aus der Sackgasse gefunden werden.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass weder das Christentum noch der Islam in ihren ursprünglichen Formen sexualfeindlich waren oder sind. Einen Satz wie „deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden“ mag der eine oder andere eher in einer jugendgefährdenden Schrift vermuten, aber sie steht in der Bibel im Hohelied. Und das Hohelied kann nichts dafür, dass viele Christen sie noch nicht gelesen haben. Und die von Faszination und Sehnsucht Handelnde Geschichte Sulaikas und Josefs ist im Heiligen Quran und vor allem in islamischen Schriften sehr ausführlich beschrieben. Aber auch der folgende Satz „... damit wird die Nach zu einer Stärkung für sie und Erholung und damit sie auch während dessen Genuss und Lust erlangen können...“ steht in keinem geringeren Bittgebet als dem Sahifat-ul-Sadschadiyya von Imam Zain-ul-Abidin, dem ältesten erhaltenen Werk nach dem Heiligen Qur’an im Islam.

Nein, die Religionen feiern die Sexualität als ein Stück Paradies auf Erden. Es ist die Vorstufe zur “Vereinigung“ mit dem Schöpfer, weshalb der muslimische Mystiker Dschaladdin Rumi die Nacht des Ablebens auch als Hochzeitsnacht bezeichnet hat. Es handelt sich bei der Sexualität um ein körperliches Spiegelbild der “Wiedervereinigung“ der voneinander getrennten Seelen, die doch beide aus einem Wesen erschaffen wurden. Viele muslimische Mystiker bezeichnen den erotischen Kuss zwischen Ehepartnern als zeitweiligen Seelenaustausch.

Wie aber konnte es unter solchen Umständen zu solch einer Katastrophe ausgerechnet in der katholischen Kirche kommen, denn völlig unabhängig von der gelehrten Sexualmoral ist das Verbot der Ehe eine Pervertierung der Schöpfung!

Tatsächlich gibt es eine Stelle in der Bibel, die selbst darauf hinweist, dass eines Tages die Ehe verhindert wird: „Der Geist aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel durch die, so in Gleisnerei Lügen reden und Brandmal in ihrem Gewissen haben, die da gebieten, nicht ehelich zu werden und zu meiden die Speisen, die Gott geschaffen hat zu nehmen mit Danksagung, den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkennen.“ (1. Tim. 4:1-2). Welcher schriftkundige Muslim fühlt sich da nicht an die Worte Imam Alis erinnert, der einstmals sagte: „Wenn die (vom Propheten erlaubte) Zeitehe von dem und dem nicht verboten worden wäre, dann hätten nur die Schlimmsten Unzucht begangen“ (Es spielt an dieser Stelle keine Rolle, wer der Verbietende war).

Die katholische Kirche geht einem schweren Schicksal entgegen. Das hatte bereits Weihnachten 1969, also vor über 40 Jahren ein ambitionierter und sehr gut ausgebildeter katholischer Geistlicher vorhergesagt:

„Aus der Krise von heute wird auch dieses Mal eine Kirche von morgen hervorgehen, die viel verloren hat. Sie wird klein werden, weithin ganz von vorne anfangen müssen. Sie wird viele der Bauten nicht mehr füllen können, die in der Hochkonjunktur geschaffen wurden. Sie wird mit der Zahl ihrer Anhänger viele ihrer Privilegien in der Gesellschaft verlieren. Sie wird sich sehr viel stärker gegenüber bisher als Freiwilligkeitsgemeinschaft darstellen, die nur durch Entscheidung zugänglich wird. Sie wird als kleine Gemeinschaft sehr viel stärker die Initiative ihrer einzelnen Glieder beanspruchen. Sie wird auch gewiss neue Formen kennen und bewährte Christen die im Beruf stehen als Priester weihen ... Sie wird in Glaube und Gebet wieder ihre eigentliche Mitte erkennen und die Sakramente wieder als Gottesdienst und nicht als Problem liturgischer Gestaltung erfahren“

Es sei daran erinnert, dass auch die Ehe eines der Sakramente im Katholizismus ist, ein Sakrament, auf das katholische Mönche verzichten müssen.

Der obige Text stammt übrigens von dem damals noch vergleichsweise jungen Geistlichen Namens Ratzinger, der vier Jahrzehnte später als Papst die Gelegenheit erhalten sollte, die notwendigen Veränderungen in der Kirche zu bewirken. Bisher haben die Katholiken, die uns geschrieben haben, wenig davon gespürt.

Dem Islam ist von innen heraus die islamische Revolution gelungen, in der eine in die ganze Welt hinausscheinende Befreiungstheologie Licht in das Dunkel bringt. Manche muslimische Geistliche haben diesen revolutionären Schritt noch nicht verstanden oder verinnerlicht. Viele hängen noch einem alten Denken an, das zum Untergang der islamischen Welt und Theologie geführt hat. Aber immer mehr junge Geistliche wie auch immer mehr junge Muslime und Muslimas entdecken den faszinierenden Charakter der nach Gerechtigkeit in allen Breichen rufenden Befreiungstheologie.

So werden die trügerischen und heuchlerischen Parolen eines in den Abgrund führenden Liberalismus ersetzt durch die Grundsätze der Wahrheit. Statt „Freie Wirtschaft, freie Kunst, freie Sexualität, freie Selbstverwirklichung usw.“ heißt es beseelt mit dem Wunsch, sich Gott anzunähern z.B. „gerechte Wirtschaft, gottesehrfürchtige Kunst, paradiesische Sexualität und ganzheitliche Wirverwirklichung.“

Es ist der katholischen Kirche zu wünschen, dass auch ihr die innere Revolution zur Befreiungstheologie gelingt. Es sei daran erinnert, dass es Katholiken wie Ernesto Cardenal in Nicaragua waren, welche den Begriff “Befreiungstheologie“ einstmals geprägt haben, und jener Ernesto Cardenal hat damals nach einem Besuch bei Imam Chomeini gesagt: „Imam Chomeini ist die Heiligkeit unserer Zeit“.

Katholiken und Muslime haben sehr viel gemeinsam und ein konstruktiver Dialog wäre möglich. Voraussetzung aber ist die hinreichende Kenntnis der jeweils eigenen Religion.



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