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Gibt es realistische Auswege aus dem Kapitalismus?

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Muslim-Markt

Von Yavuz Özoguz am 13. Januar 2010 09:31:15:

Gibt es realistische Auswege aus dem Kapitalismus?

Zusammenfassung von umfangreichen Diskussionen und Reaktionen.

Gestern stand kurzzeitig ein Artikel im Forum, der nach realistischen Auswegen aus dem Kapitalismus gesucht hat. Der Artikel war nirgends verlinkt und enthielt zudem einen Zahlenfehler, so dass der vorgestellte Ausweg hinfällig und der Artikel gelöscht wurde. Dennoch gab es ungewöhnlich viele Reaktionen und Diskussionsbeiträge im Mailer des Muslim-Markt. Ausgehend von diesem großen Interesse starten wir einen neuen Versuch unter Berücksichtigung der eingegangenen Beiträge und stellen den Beitrag – dieses Mal verlinkt – zur Diskussion.

Der Untergang des Kapitalismus wurde von Kapitalismusgegnern seit über einem halben Jahrhundert heraufbeschworen, doch der Kapitalismus ist scheinbar immer stärker geworden. Jetzt aber bemerken selbst die Anhänger des Kapitalismus den grundsätzlichen Systemfehler, doch sie kennen keinen Ausweg außer Krieg und Gelddrucken.

Bei allem Sachunverstand, mit dem Deutschland regiert werden mag, und bei aller Unvernunft, mit der kapitalistische Machthaber und "Global Player" agieren, sollte man die Anhänger des Kapitalismus nicht unterschätzen. Auch unter ihnen gibt es vernünftige Menschen, die wissen, dass das System des Kapitalismus nur noch mit einem wahnsinnigen Anschmeißen der Gelddruckmaschine und immer brutaleren Kriegen zur Wertzerstörung am Leben erhalten wird. Es ist sogar davon auszugehen, dass selbst die Bundeskanzlerin – auch wenn sie nach außen nicht den Eindruck erweckt – einige fähige Personen um sich herum hat, die trotz dogmatischer Liebe zum Kapitalismus die ausweglose Lage erkannt haben. Ihr Gefasel von Wachstum bei jedem öffentlichen Auftritt ist angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung nur im Bereich Export realistisch und hier verspielt Deutschland zunehmend seine eigene Vormachtstellung durch eine aggressive auf Krieg ausgerichtete Außenpolitik. Die Beziehungen zu Ländern, die ebenfalls kein Bevölkerungswachstum zu verzeichnen haben, werden immer enger, während die Beziehungen zu wachsenden Bevölkerungen (Muslime und zunehmend antikapitalistisch orientierte Südamerikaner) zuweilen sogar mit Füßen getreten werden.

Diese ausweglose Ausrichtung mag in der Ausweglosigkeit des Kapitalismus selbst begründet sein. Allerdings würden weite Teile der Bevölkerung und durch diese angetrieben auch einige Verantwortungsträger durchaus alternative Wege bestreiten, wenn es sie nur gäbe. Hierfür ist es notwendig einige Fakten unverblümt auf den Tisch zu legen.

Fakt ist, wir haben allesamt weit über unsere Verhältnisse gelebt. Solch eine Aussage mag dem Harz IV Empfänger und dem Geringverdiener gar nicht schmecken, aber auch er hat von den Schulen profitiert, die gebaut wurde, von den Straßen die erneuert wurden und von der gesamten Infrastruktur Deutschlands, die auf Pump errichtet wurde. Es führt kein Weg dran vorbei, dass wir eingestehen müssen, dass wir nicht nur weit über unsere Verhältnisse gelebt haben (seit Jahrzehnten), sondern auch heute noch leben. So lange dieser Zustand nicht geändert wird, kann eine Befreiung Deutschlands vom Kapitalismus nicht einmal angedacht werden. So lange wir über unsere Verhältnisse leben, wird auch Deutschland immer mehr Soldaten in die Weltgeschichte schicken, um an der "Sicherung" von Ressourcen und Zerstörung von Werten, die das unbegrenzte Gelddrucken zumindest teilweise kompensiert, mitzumischen.

Eine weitere aus diesem ersten Fakt folgende Tatsache ist, dass Deutschland jedes Jahr immer mehr Zinsen zahlen muss. Inzwischen ist der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt Zinsen für die Schulden. Eine Rückzahlung der Schulden ist nie vorgesehen gewesen, so dass eine beständige, inzwischen in die Exponentialphase übergegangene Steigerung der Zinsen gar nicht zu vermeiden ist. Eine wirkliche Befreiung von diesem Zinsgefängnis ist im Rahmen des bestehenden Systems nicht möglich. Zwar haben einige Verantwortungsträger erkannt, dass jene Schulden und Zinsen früher oder später zum Ruin Deutschlands (und vieler anderer Länder) führen werden, aber die zukünftigen Schuldenbremsen, die eingebaut wurden, sind nur kosmetische Vertuschungen im Rahmen des kapitalistischen Systems, jedoch keine echt Befreiung von der Last.

An dieser Stelle wirkt sich das bestehende Vier-Jahres-System der Regierung als weiteres Hindernis für die Befreiung vom Kapitalismus. Denn würde z.B. irgendeine Regierung noch der Machtergreifung die Wahrheit dem Volk präsentieren, würde sie in der Folge abgewählt. So ist die regierende Partei (unabhängig davon, welche das ist), geradezu verpflichtet, noch mehr Schulden aufzunehmen, um zumindest einen gewissen Wohlstand sicher zu stellen. Das aber führt dann wieder unweigerlich zur Schuldenzunahme, wie es in den letzten Jahrzehnten bei unterschiedlichen Regierungen stets zu beobachten war.

Revolutionäre vertreten die Ansicht, dass es zu einer wahren Revolution im Land erst dann kommen kann, wenn der "Leidensdruck" so groß wird, dass das Volk "aufsteht" und für die Veränderung der Verhältnisse sorgt. Erst wenn es den Leuten schlecht genug gehe, könnten sie eine gewisse "Opferbereitschaft" aufbringen, um die Verhältnisse zu ändern. Jene Revolutionäre missachten dabei, dass sämtliche Volksrevolutionen seit Kain und Abel stets immer wider das Kapital an die Macht gehievt haben; nur immer wieder in anderem Gewand. Es war schon der Kapitalist Kain, der seinen opferbereiten Bruder Abel ermordet hat und die Geschichte hat sich durch alle Epochen durchgezogen. "Unterbrochen" wurde jene Herrschaft des Kapitalismus zwar immer wieder von Gottesgesandten, die eine moralische Änderung angemahnt haben, aber kaum waren sie nicht mehr unter dem Volk, hat sich das Kapital wieder durchgesetzt. Nicht anders war es beim letzten der Propheten Muhammad (s.). Er war noch keine 50 Jahre begraben, da hat der Kalif des Kapitals die heiligste Familie der damaligen Zeit, die Enkel des Propheten und Kinder Fatimas, öffentlich im missbrauchten Namen des Islam massakriert. Das Volk von Kufa hat größtenteils schweigsam zugesehen.

Hier nun aber ändert sich die Geschichte erstmals nach ca. 1400 Jahren. Auf den Straßen Teherans laufen Menschenmassen die rufen: "Wir sind nicht das Volk von Kufa, hier sind wir oh Imam Khamene'i". Jene Parole ist aus westlicher Sicht kaum verständlich, kennt man doch die Zusammenhänge nicht. Aber jene Parole, die sich übrigens auch gegen die "Möchtegernpropheten des Westens" wenden, verdeutlicht, dass hier ein Volk aufgebrochen ist, um den ewigen Kapitalismus seit Kain zu zerstören und die Menschheit in eine menschlichere Zukunft zu führen. Zwar beschränken die Iraner ihre Revolution auf ihr eigenes Volk, aber der weltweite Kapitalismus hat das große Befreiungspotential in jener Bewegung verstanden und wendet sich mit allen erdenklichen Mitteln dagegen. Wie sehr die "grüne Bewegung" im Iran vom Kapitalismus angetrieben wird, kann u.a. daran ersehen werden, dass gestern einer der Möchtegernoberintellektuellen jener Bewegung namens Soroush ausgerechnet den Oberkapitalisten Rafsandschani als "Vermittler" ins Gespräch bringt (obwohl der im Iran jegliches Ansehen verloren hat), und das in einem Interview in der deutschen Springer-Presse. Die Islamische Revolution im Iran ist dabei, weitere große Schritte in Richtung Befreiung vom Kapitalismus umzusetzen, und nach Vorstellung der Schiiten ist das die Vorbereitung der Rückkehr des Erlösers (auch Jesu Rückkehr).

Was die Iraner mit der Islamischen Revolution zustande gebracht haben, ist nicht auf Deutschland übertragbar. Dennoch muss sich jeder Deutsche die Frage stellen, ob eine Befreiung vom Kapitalismus nicht auch ohne eine später nicht mehr abzuwendende blutige Revolution möglich ist. Ist eine Umwälzung der bestehenden in die Sackgasse führenden Verhältnisse möglich, ohne verfassungsfeindlich zu agieren und ohne zerstörerisch zu wirken (bis auf Zerstörung des Kapitalismus)?

Wenn man an eine solche Möglichkeit nicht glauben würde, würde man jeden Idealisten, jeden Menschen, der die Vision von Gerechtigkeit auf Erden hat, in die Hände von Terroristen treiben – Gott bewahre. Es muss diese Möglichkeit geben und bei entsprechender Leseweise des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist sie sogar geboten!

Es bedarf eines oder einiger mutiger Menschen an der Spitze der Gesellschaft. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um den Bundespräsidenten, die Kanzlerin oder einen hohen Minister handelt. Irgendeiner dieser Herrschaften muss – auch ermutigt durch die Bevölkerung - "aussteigen" und dem Volk die Wahrheit sagen. Andeutungen, wie in der Neujahresansprache geschehen, nützen nichts. Jemand muss den Mut aufbringen, der Bevölkerung die volle Wahrheit zu sagen.

Die Staatsverschuldung Deutschlands (Bund und Länder) dürfte bei ca. 1-2 Billionen EUR liegen; eine Summe, die sich der Normalbürger nie vorstellen kann. Es sind die Schulden des Systems, in dem wir allesamt gemeinsam leben und die inzwischen so viele Zinsen einfordern, dass wir dem Bankrott nahe sind. Dazu steht z.B. in Wikipaedia: "Zwischen 1965 und 2002 überstieg die Summe der Zinsausgaben die Summe der Neuverschuldung. Die Neuverschuldung deckte also nicht einmal die Zinsausgaben. Dieses von der Bundesbank als "Teufelskreis einer Schuldendynamik" bezeichnete Problem hat bereits zu einem Schuldenberg geführt, der nur schwer wieder abgetragen werden kann. Selbst bei einer jährlichen Rückzahlung von 13 Milliarden Euro wäre dies in 100 Jahren nicht möglich..."

Jene Summe übersteigt alle vorstellbaren Werte. So verfügen z.B. Deutsche Bundesbürger, Betreibe, Institutionen, Vereine, Stiftungen usw. über Spareinlagen von ca. 0,5-0,8 Billionen EUR, der größte Teil davon auf Sparkassen! Alle Ersparnisse aller Bürger der Bundesrepublik Deutschland würden nicht ausreichen, um die Schulden zurück zu zahlen. Ohne Rückzahlung der Schulden aber kommt man aus der letztendlich mörderischen Zinsspirale nicht heraus. Der erste Schritt der Befreiung setzt aber voraus, dass man einen realistischen Weg findet, die Zinszahlungen einstellen zu können. Hier reichen die Ideen von neuer Währung bis hin zum Verkauf weiteren Bundeseigentums. Unklarer Faktor dabei sind die Gläubiger des Bundes, deren Kenntnis für die Problemlösung hilfreich sein könnte.

Aber die Befreiung von Schulden wäre – so unmöglich es derzeit erscheint – ohnehin nur der erste Schritt, selbst wenn man dann keine Zinsen mehr zu zahlen bräuchte. Denn daran gekoppelt müsste ein System etabliert werden, bei dem es von der Kommune bis hin zum Bund schlichtweg verboten bzw. unmöglich wird, Schulden zu machen! Staatliche Schulden müssten zur Straftat derjenigen werden, die sie anordnen wollen. Wäre das nicht zumindest nachdenkenswert?

Ein Politiker, der mit solch einer Idee in die Öffentlichkeit tritt, muss natürlich damit rechnen, dass sein Fallschirm eines Tages nicht mehr aufgeht, und er sollte sich auch fern von Badewannen halten, aber ohne den Mut von Einzelnmenschen, wir es nicht gehen. Deutschland bräuchte keine Soldaten mehr nach Afghanistan zu schicken und könnte neue Wege einer echten sozialen Marktwirtschaft betreiben, sogar als Vorbild für andere! Gibt es Politiker, die solch einen Mut aufbringen, so etwas zumindest einmal anzudenken? Und gibt es Wissenschaftler aus allen relevanten Bereichen, die realistische Wege aus der Sackgasse vorstellen können?

Und wäre die Bevölkerung bereit, die dafür notwendigen Opfer zu bringen (anders wird es mit keiner Lösung gehen!), damit Deutschland aus den Klauen des Kapitalismus befreit wird? Das sind keine Fragen, die die Politiker beantworten können, sondern jeder für sich selbst. Verantwortungsträger aber könnten mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Lebensstil in den "Dienst" des Volkes stellen. Deutschland hat keine zu sehr ausschweifenden Kanzler und daher durchaus das Potential, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ein Helmut Schmidt beispielsweise lebt auch heute nicht in Saus und Braus sondern in seinem vergleichweise bescheidenen Haus in Hamburg, das ihm kein Bundesbürger streitig machen würde.

Deutschland braucht Politiker und Verantwortungsträger, denen das Wohl des eigenen Volkes wichtiger ist, als die eigene Karriere oder die eigene Macht. Und Deutschland benötig Wissenschaftler, die aufhören die bestehenden Dogmen der Ausweglosigkeit aufrecht zu erhalten, sondern neue realisierbare Auswege aufzeigen. Die Bevölkerung aber muss die Bereitschaft zeigen, einen großen Opferbeitrag zur Befreiung Deutschlands zu leisten. Damit wäre es aber nicht getan. Denn in Zukunft dürften keine weiteren Schulden mehr gemacht werden. Das bedeutet, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen; noch enger als heute! Eine Kultur der Bescheidenheit und Dankbarkeit müsste mit der Zeit aufgebaut werden. Sicherlich gibt es Auswege aus der Sackgasse des Kapitalismus, aber keiner der Wege wird ohne große Opferbereitschaft aller möglich sein. Dafür müssen wir uns alle selbst erziehen und unsere Politiker auch!

Der Beitrag strebt eine Diskussion über realistische Auswege und gangbare Wege an. Katastrophenwege gibt es zuhauf und der ewige Krieg gegen Terrorismus ist einer jener Katastrophenwege, die es mit realistischen Wegen zu überwinden gilt.



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