Bericht zum Quds-Tag 2003 in Berlin, 22.11.2003
Gemeinsam geschrieben von einer Gruppe von Teilnehmer aus
Delmenhorst, darunter auch die Muslim-Markt-Betreiber
Die Glaubensgeschwister aus Delmenhorst hatten sicht voller Zuversicht auf diesen von den Druckmedien im Vorfeld so intensiv
angekündigten Quds-Tag und die Demonstration in Berlin vorbereitet. Da die
diesjährige Demonstration als Schweigemarsch angekündigt war, wurde
besonders viel Wert auf die Aussagekraft der Plakate gelegt. Kurz nach
10:00 Uhr kam der Delmenhorster Bus auf dem Adenauerplatz in Berlin an und die
Teilnehmer luden alle ihre mitgebrachten Plakate und einen symbolischen
Sarg eines Kinderopfers aus dem Bus aus. Wie in jedem Jahr wurden die einzelnen
Teilnehmer von anwesenden Polizisten und Polizistinnen einer Leibesvisitation
unterzogen. Anschließend wurden alle Plakate von der Polizei einzeln
durchgesehen und allesamt genehmigt.
Die Geschwister stellten sich mit ihren Plakaten auf dem
Kundgebungsplatz auf und wurden sofort umringt von einer Schar
von Journalisten so ziemlich aller bekannten Printmedien, aber auch zahllosen
Fernsehsendern. Die meisten Teilnehmer aus
Delmenhorst hatten ein T-Shirt mit der Aufschrift
"Unterdrückt nicht und lasst Euch nicht
unterdrücken" übergezogen. Freundlich und höflich wurde
detailliert auf alle Fragen geantwortet. Eine der Fragen bezog
sich darauf, ob wir die "Auslöschung" Israels
verlangten. Darauf antwortete ein Bruder, dass falls Südafrika
zu Rassismuszeiten in "Burenstaat" umbenannt worden
wäre, dann dieser Name nach der Apartheid sicherlich
abgeschafft worden wäre und das Volk der Juden, Christen und
Muslimen im besetzten Palästina
nach der Abschaffung der Besatzung und des Rassismus selbst
wissen wird, wie es den Staat nennt.
Während der Interviews ereigneten sich aber auch lustige
Randerscheinungen. Als sich eine sehr höfliche Reporterin einer
Berliner Zeitung einem Demonstranten vorstellte und ihm die Hand
reichte, entschuldigte sich der Befragte mit dem Hinweis, dass
er aus religiösen Gründen nur seine eigene Frau berühren
dürfe. Kurz darauf kam ein Glaubensbruder, den der Befragte mit
Wangeküssen begrüßte. Die erstaunte Reporterin ließ sich zu
folgender Bemerkung hinreißen: "Das ist aber eine komische
Religion, mir geben sie nicht die Hand, aber den Mann küssen
sie!?" (Die Hintergründe dazu sind
ausführlich
erläutert in einem Buch).
Auch einige muslimische Geistliche waren anwesend und ein Demonstrant
hatte ein körpergroßes Plakat des aktuellen Schirmherrn des Quds-Tags
Imam Khamenei an seinem Köper (siehe Bild links). Das ZDF führte
fleißig Interviews (siehe Bild mitte), um dann nicht von der
Demonstration zu berichten. Wer weiß, in welchem Zusammenhang die Bilder
dann eines Tages auftauchen werden? Offensichtlich sehr gut ausgebildete
und besonders höfliche Polizeibeamten postierten sich am Rand der
Demonstranten als "Antikonflikt-Team" (siehe Bild
recht).
Eine Gruppe von offensichtlichen Rechtsradikalen wurden mit ihren
Plakaten auf Wunsch der Kundgebungsleitung von der Demonstration
entfernt. Einzelpersonen aus jenem Kreis, die in keinster Weise negativ
auffielen, liefen aber anscheinend mit, damit die Presse, welche sie offensichtlich kannte, dann
schreiben konnte, dass sie mitgelaufen
seien. Was für ein Zusammenspiel? Obwohl eine so große Zahl von
Journalisten so viele Leute befragte, erhielten sie nie die
"gewünschten" Antworten! Kein Antisemitismus konnte den Befragten entlockt werden! Dann versuchten es einige Journalisten bei
kleinen Kindern. "Was denkst Du über die Selbstmordanschläge in
der ganzen Welt? ", wurde ein ellfjähriges Mädchen gefragt. Sie
antwortete sinngemäß: "Wir wissen nicht, ob es immer Muslime
sind, aber das unterdrückte Volk in Palästina hat keine einzige Waffe
mehr gegen die Besatzung". Nachdem auch bei den kleinen Kindern für einige anwesende
Hetzjournalisten nichts zu holen war, erfanden sie
einfach ihre Geschichte: "Wir sind hier gegen die Juden",
legte ein Welt am Sonntag Journalist einem erdachten Mädchen in den
Mund und nutzte das als Überschrift für einen großen hetzerischen
Artikel!
Nach und nach trafen immer mehr Busse aus verschiedenen zumeist
Norddeutschen Städten ein. Derweil wurde ein Plakat, welches die erste
Kontrolle überstanden hatte, dann aber später von einer anderen
Polizistin einkassiert, weil es die Aufschrift enthielt: "Sie
wollen den Qur'an mit Füßen treten". Zwar sei solch eine
Aussage in Deutschland im Rahmen der freien Meinungsäußerung erlaubt,
aber nicht bei dieser Demo. Man könne sich das Plakat aber nach der
Demo wieder abholen. Teils erstaunt fügten sich die Betroffenen der
Anweisung!
Dann kam aber plötzlich eine neue Anweisung in "gegenseitiger
Beratung" zwischen Polizei und Kundgebungsleitung. Alle Plakate
seien zu entfernen. Es dürfen keine politischen Aussagen als Plakate
mit Inschriften mitgeführt werden. (Einer der Schreiber dieser Zeilen
war selbst bei dem Gespräch dabei!) Die Demonstranten fügten sich und sammelten
alle Plakate wieder ein. Die ebenfalls überraschten Journalisten
fotografierten nun all die vermeintlich "verbotenen" Plakate,
um dann kein Wort von den Plakaten und kein Wort von der Einsammlung zu
vermelden: Das ist eben "freiheitlicher Journalismus". Das
ganze fing an, eine wirklich "interessante" Demonstration zu
werden. Keine Parolen, keine Plakate. Lediglich ein Banner mit der
Aufschrift "Freiheit für Palästina", ein Poster des
Felsendoms ohne jegliche Schrift und einige kleine Bilder von Imam
Khomeini und Imam Khamene'i wurden nicht beanstandet. Die Flaggen mit
ausschließlich religiösen Aussagen in arabischer Sprache wurden ebenfalls zugelassen.
Den Polizeibehörden wird es anscheinend nicht einfach
gemacht. Zum einen möchten sie den demokratischen Gedanken vertreten, zum
anderen möchten sie auch ihren Job behalten. Daher setzen sie selbstverständlich
auch diese undemokratischen Anweisungen von "höherer Stelle"
um.
Die Demonstranten fügten sich allen Anweisungen und endlich startete
der Demonstrationszug auf seinen Marsch durch Berlin. Obwohl keine
Plakate zugelassen waren, schlich sich zwischenzeitlich von außen ein
Nazi oder Provokateur anderer Herkunft in die Menge und hielt plötzlich
ein Plakat hoch mit der Aufschrift: "Alle Juden sind Mörder"!
Obwohl er innerhalb kürzester Zeit von den Demonstranten selbst behindert
und dann von der Polizei abgeführt wurde, war eine Gruppe Fotografen
"rechtzeitig" zur Stelle, um diese Provokation aufzunehmen, um
es dann bei geeigneter Gelegenheit den Muslimen in die Schuhe zu schieben.
Zwar waren Parolen verboten, aber erlaubt war ein Wagen in der Mitte des
Demonstrationszuges mit Lautsprechern, über welche die Inhalte
der Demonstration verkündet werden durften. Der Redner
verurteilte im Namen der Teilnehmer entschieden die rassistischen Verbrechen von
vorgestern
mit Bezug auf das Nazi-Regime in Deutschland, was wohl die
letzten Nazis im Demonstrationszug vergrault haben dürfte. Verurteilt
wurden die rassistischen Verbrechen von gestern in
Südafrika und - damit so etwas nie wieder in der Welt etabliert
werden kann - die rassistischen Verbrechen Israels von heute!
Eindeutig und unzweifelhaft wurden Antisemitismus und
jegliche andere Form von Rassismus verurteilt! Juden, Christen und
Muslime wurden gebeten, gemeinsam gegen die Verbrechen der Zionisten ihre Stimme zu
erheben.
Gleichzeitig wurde die Berliner Bevölkerung direkt
angesprochen mit dem Hinweis, niemals den Argumenten von Mauerbauern zu glauben, da diese nur die
Menschen einzusperren wünschen. Vielmehr sollte die Stimme
derjenigen erhört werden, die in den Mauern eingesperrt werden sollen; ein
Hinweis, den besonders Berliner gut verstehen müssten. Über 90 Minuten
wurden diese Dinge in einer kaum gekannten Deutlichkeit ausgesprochen, aber
nicht ein Journalist wagte ernsthaft davon zu berichten. Schließlich
passt es nicht in das Bild, welches vermittelt werden soll.
Möglicherweise aber dürfen viele
der anwesenden Journalisten wohl nicht darüber berichten.
Die veröffentlichten Berichte stehen in solch einem krassen Widerspruch
zu der Realität in Berlin, dass zumindest Hunderte von Polizisten und
möglicherweise auch einige Journalisten, welche ihr Gewissen noch nicht
ganz verloren haben, sich fragen dürften, wie diesen friedlichen
Demonstranten so viel Unrecht angetan werden kann.
Wie aus den Medien zu entnehmen, war auch ein Rabbiner unter den
"Gegendemonstranten". Vielleicht denkt er ja einmal darüber
nach, in wie weit die Vertreter des Judentums ihren eigenen
Glaubensgeschwistern gerecht werden, wenn sie sich so uneingeschränkt
hinter die Völkerrechtsverbrechen Israels stellen.
Der Rednerwagen wurde während der Fahrt von einem sehr aggressiven
taz-Reporter belagert, der den Redner am liebsten zum Schweigen bringen
wollte mit dem Hinweis, das sei doch ein Schweigemarsch. Als der Redner
den Reporter höflichst anbot, dass er ihm am Ende der Demonstration für jegliche Fragen zur Verfügung
stehen würde, bohrte dieser sein Mikrofon fast in den Mund des Redners
und entgegnete in einem extrem aggressiven Ton: "Nein, ich will
es jetzt von Ihnen wissen, warum Sie denn reden!" Er wurde nach
diesem Verhalten von Ordnern beiseite gedrängt. Das Verhalten des
Reporters war deshalb so extrem unverständlich, da nur Minuten zuvor
ein anderer taz-Reporter sich sehr höflich bei dem Redner im Wagen
vorgestellt hatte mit den Worten " Ich heiße Eberhard Seidel
und freue mich, sie kennen gelernt zu haben".
Von der angekündigten Gegendemonstration haben die
Demonstranten des Joum-ul-Quds (Tag von Jerusalem) kaum etwas
mitbekommen außer den hin und wieder erfolgenden Aufmarsch von
einem Dutzend schwer bekleideter Polizisten, die dann in
irgendwelchen Seitenstraßen verschwanden. Die Demonstration zum
Quds-Tag selbst wurde von Polizisten und Polizistinnen in
einfacher Uniform begleitet, waren doch - wie die Jahre zuvor -
keinerlei Ausschreitungen zu erwarten! Einzelne Provokateure am
Straßenrand wurden vom Anti-Konflikt-Team beruhigt.
Die folgenden Bilder geben einen kleinen Eindruck über den friedlichen
Charakter der Demonstration ohne Parolen und ohne Plakate mit Schriften,
an der laut Schätzungen der Veranstalter ca. 1000-1500 Demonstranten
teilnahmen, darunter erstmalig auch eine auffällige Zahl von
Nichtmuslimen!
Die Kundgebung endete am Savignyplatz mit einem
gemeinsamen Gebet zur Einheit. Dort wurden die Demonstranten dann von den Bussen
wieder abgeholt. Einige Busse machten noch Rast in der Imam-Riza-Moschee
in Berlin und genossen die dortige Gastfreundschaft, bevor sie sich wieder
auf den Heimweg machten. Unterwegs erfuhren sie über Handys, dass sowohl
Al-Manar (libanesischer Sender) als auch IRIB (iranischer Sender)
ausführlich über die Ereignisse berichtet hätten. Von deutschen
Fernsehsender wurde lediglich eine Kurzinfo bei Kabel1 genannt.
In aller Dankbarkeit erreichten die Demonstranten ihre
jeweiligen Heimstädte und beten gemeinsam zu Gott, dass der Tag kommen
möge, an dem nicht mehr gegen den Rassismus im Heiligen Land demonstriert
werden braucht.